Künstliche Intelligenz - Zustandsüberwachung und -vorhersage für eine nachhaltige Produktion

Produzierende Unternehmen sind zunehmend mit der Herausforderung konfrontiert, zwei Transformationen des eigenen Betriebs gleichzeitig zu meistern. Auf der einen Seite steigt der Druck der Kundschaft und des Wettbewerbs digitale Technologien in der Produktion einzusetzen, um Produktionsprozesse zu optimieren, Informationen über den Produktionsprozess bereitzustellen oder gar digitale Geschäftsmodelle umzusetzen. Auf der anderen Seite steigen auch die Anforderungen des Kundenkreises und des Gesetzgebenden daran, die Produktion ökologisch nachhaltiger zu gestalten und beispielsweise den Energieverbrauch zu reduzieren oder den direkten Ausstoß klimaschädlicher Emissionen zu verringern. Der Ansatz, digitale Technologien wie die Künstliche Intelligenz (KI) gezielt so einzusetzen, dass die Produktion ökologisch nachhaltiger wird, kann es Unternehmen ermöglichen, diese beiden Transformationen gemeinsam zu adressieren und zu gestalten.

Titel Nachhaltige Produktion mit KI

Durch Expertenwissen mit KI zur nachhaltigen Produktion

Einen Einblick in den Stand der Forschung zu KI und ökologischer Nachhaltigkeit und deren Einsatz im industriellen Umfeld bot die ZD.B Themenplattform Digital Production & Engineering im Februar 2022 im Rahmen der Webinarreihe „Eine Brücke zwischen Wissenschaft und Industrie – Aus der Forschung in die Praxis“. Drei Experten aus Wissenschaft und Industrie präsentierten Anwendungen, mit denen die ökologische Nachhaltigkeit in der Produktion durch einen Einsatz von KI gesteigert werden kann und gaben Einblicke in deren industrielle Umsetzung.

Prof. Dr.-Ing. Frieder Heieck von der Hochschule Kempten und Leiter des Technologietransferzentrum (TTZ) Sonthofen erläuterte den potenziellen Nutzen der KI für eine nachhaltigere Produktion anhand von drei Beispielen. So kann der Einsatz von Machine Learning Modellen auf Basis von Sensordaten aus Maschinen zum Beispiel dafür genutzt werden, eine zustandsbasierte Instandhaltungsstrategie für diese Anlagen umzusetzen und so Ressourcen im Rahmen der Instandhaltung einzusparen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, alle Maschinen und sonstigen Energieverbraucher in einer Produktion zu einem intelligenten Energieverbund zu vernetzen, in dem durch einen KI-basierten Softwareagenten der Energieverbrauch der gesamten Produktion optimiert wird. Zudem wurde eine realisierte Lösung gezeigt, die es ermöglicht, die Sortierung von Müll auf Basis eines 3D-Laser Scanners und eines Greifers mit Hilfe von KI so zu automatisieren, dass Wertstoffe im Sinne einer Kreislaufwirtschaft sortenrein getrennt und möglichst wiederverwendet werden können.

Viele ältere Maschinen, unterschiedliche Datenbanken und Dateiformate sowie hohe Anforderungen an die IT-Sicherheit sind einige der Herausforderungen mit denen Jean-Pierre Hacquin von der Kemptener Eisengießerei konfrontiert war, als sich das Unternehmen auf den Weg begab, die eigene Produktion zu digitalisieren, um nachhaltiger produzieren zu können. Durch die Zusammenarbeit mit externen Kooperationen wie der Hochschule Kempten, einer finanziellen Förderung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) und großem Einsatz im eigenen Unternehmen, ist es heute möglich, Produktionsdaten zentral zu sammeln und auszuwerten. Durch die Analyse der Daten konnten die Produktionsabläufe optimiert und auch die Maschinenhochlaufzeiten an die Netzauslastung angepasst werden. Die Kemptener Eisengießerei konnte durch den Einsatz der digitalen Lösungen zum Beispiel den CO2-Ausstoß der eigenen Produktion um 15% reduzieren.

Florian Huber (M.Sc.) vom Forschungszentrum Allgäu der Hochschule Kempten, Mitarbeiter in der von Prof. Dr.-Ing. Dierk Hartmann geleiteten Forschungsgruppe für Digitalisierung in der metallverarbeitenden Industrie, schilderte drei Digitalisierungsprojekte. Diese wurden in der Produktion der Kemptener Eisengießerei umgesetzt, um die Produktion nachhaltiger zu gestalten. So wurde zum Beispiel ein System entwickelt, mit dem der Verschleiß von Schmelztiegeln vorhergesagt werden kann, um deren Lebensdauer möglichst optimal auszunutzen. In einem weiteren Projekt wurde ein System entwickelt, mit dessen Hilfe die Zugfestigkeit von Gussteilen auf Basis von chemischen Daten vorhergesagt werden kann. Zudem wurde eine digitale Lösung implementiert, die es ermöglicht, die Produktion so zu planen, dass das geschmolzene Material (und somit auch die dafür verwendete Energie) möglichst effizient genutzt wird. Während in den ersten beiden Beispielen eine KI zum Einsatz kommt, erfolgt die Planung im dritten Beispiel auf Basis eines algorithmischen Ansatzes, da in diesem Fall ein KI-Einsatz keinen großen Vorteil erzeugt hätte und die Lösung mit Hilfe des Algorithmus schneller umgesetzt werden konnte.

Ein erster Schritt in Richtung mehr ökologischer Nachhaltigkeit durch Digitalisierung

Abschließend können noch einige Empfehlungen der Experten an kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) gegeben werden, die digitale Technologien einsetzen möchten, um die eigene Produktion ökologisch nachhaltiger zu machen. Da jede Fragestellung und Anwendung einzigartig ist, empfehlen die Experten, sich zunächst intensiv mit der vorherrschenden Problemstellung und den vorhandenen Voraussetzungen (bspw. mit Bezug auf verfügbare Daten) zu beschäftigen. Bei der Lösungsgestaltung sollten sich Firmen nicht sofort auf das Thema KI stürzen, sondern auch offen gegenüber klassischen Algorithmus-basierten Ansätzen sein, da diese häufig einfacher umzusetzen sind und teilweise ähnliche Ergebnisse erzielen können. Bei der Auswahl von ersten Problemstellungen sollten Firmen zudem darauf achten, mit kleinen Pilotprojekten zu starten und dort zu beginnen, „wo der Schuh am meisten drückt“.

Für die Umsetzung von Digitalisierungsprojekten für mehr ökologische Nachhaltigkeit sind KMUs zudem nicht auf sich allein gestellt. So besteht zum Beispiel die Möglichkeit, wie es die Kemptener Eisengießerei getan hat, mit einer Forschungseinrichtung wie der Hochschule Kempten zu kooperieren und dadurch auf eine umfangreiche Fachexpertise mit großem Anwendungsbezug zurückzugreifen. Zudem empfehlen die Experten, sich als Unternehmen auch mit den finanziellen Fördermöglichkeiten solcher Projekte zu beschäftigen. Von Seiten der Themenplattform Digital Production & Engineering unterstützen wir Sie gerne bei der Identifikation passender wissenschaftlicher Kooperationspartnerschaften und bei der Auswahl geeigneter Fördermöglichkeiten für Ihr Digitalisierungsvorhaben.

Kontaktdaten der Referierenden:

Prof. Dr.-Ing. Frieder Heieck
Leiter des Technologietransferzentrums (TTZ) für Produktion und Informatik in Sonthofen, Hochschule Kempten
Per Mail kontaktieren

Jean-Pierre Hacquin
Systemadministrator, Kemptener Eisengießerei Adam Hönig AG
Per Mail kontaktieren

Florian Huber (M.Sc.)
wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungszentrum Allgäu, Hochschule Kempten
Per Mail kontaktieren

Prof. Dr.-Ing. Dierk Hartmann
Leiter der Forschungsgruppe für Digitalisierung in der metall-verarbeitenden Industrie des Technologietransferzentrums (TTZ) für Produktion und Informatik in Sonthofen, Hochschule Kempten
Per Mail kontaktieren

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