Patente im Wandel der letzten 30 Jahre
Ideen schützen und Zukunft gestalten
03.09.2025
Seit 147 Jahren schützt das Patentzentrum Bayern die Ideen von Erfinderinnen und Erfindern, Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Heute ist es Teil der Bayern Innovativ GmbH, die in diesem Jahr ihr 30-jähriges Jubiläum feiert. Ein guter Moment, um innezuhalten und sich auf eine kurze Zeitreise zu begeben: Bruno Götz, Leitung Patente & CE bei Bayern Innovativ, nimmt Sie anlässlich des 30-jährigen Firmenjubiläums der Bayern Innovativ GmbH mit auf eine spannende Reise durch drei Jahrzehnte voller Innovationen und Patentschutz.
Seien Sie dabei und entdecken Sie, wie Zukunft aus Ideen entsteht.
Welcher Umbruch hat die Patentlandschaft in den letzten 30 Jahren am stärksten geprägt?
Bruno Götz: Vielleicht müssen wir da doch ein bisschen weiter zurückgehen, denn die erste Patent-Auslagestelle, also unsere Basis, war nicht in München, sondern in Nürnberg. Vor dem Krieg musste man nach Nürnberg gehen, um Patente anschauen zu können. Mittlerweile gibt es in München zwei Patentämter: das europäische und das deutsche Patentamt. Der größte Wandel aus unserer Sicht war in den 1990er bis 2000er Jahren, als das Internet kam. Die ganzen Schriften, die wir im Patentzentrum Bayern hatten, wurden durch Online-Angebote ersetzt. Die größte Datenbank vom Deutschen Patent- und Markenamt hat mittlerweile 150 Millionen Patentdokumente und unsere Auslegestelle, also die Basis des Patentzentrum Bayerns, hatte ungefähr eine Fläche von 1.800 Quadratmetern. Ich habe in der Zeit der letzten 30 Jahre ungefähr 50 Tonnen Papier entsorgt, denn mittlerweile geht das alles online. Das war aus unserer Sicht natürlich der größte Umbruch.
Patente galten schon immer hauptsächlich als rechtliche Absicherung. Hat sich die Sicht auf das Patent gewandelt, vielleicht sogar hin zum Innovationsmotor?
Bruno Götz: Patentdatenbanken sind die größte Sammlung von technischen Daten, die es überhaupt gibt. Das heißt, wenn man innovieren will, dann kann man diesen Schatz nutzen und darin recherchieren. Sie stehen frei zur Verfügung. Allerdings sind Patentrecherchen auch nicht trivial. Jeder, der heute Innovationen vorantreibt, sollte sich auch um die Patentinformationen kümmern.
Was ist der IP-Sektor?
Bruno Götz: Unter IP versteht man ausgeschrieben „Intellectual Property“. Übersetzt ist das der gewerbliche Rechtschutz, zu dem drei Bereiche gehören: die technischen Schutzrechte, also Patente und Gebrauchsmuster mit denen man technische Innovationen schützen kann. Dann gibt es die Marke, durch die man ein Produkt oder eine Dienstleistung einem Unternehmen zuordnen kann. Das dritte ist das Designschutzrecht, also die äußere Form von etwas.
„Im Bereich der Künstlichen Intelligenz werden branchen-übergreifend extrem viele neue Patente angemeldet. Künftig geht es dabei nicht mehr nur um sachlich greifbare Erfindungen – auch digitale Geschäftsmodelle und Simulationen werden zunehmend patentiert.“
Bruno Götz
Leitung Patente & CE, Bayern Innovativ
Welche Rolle spielt die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz in diesem Bereich?
Bruno Götz: Die Digitalisierung hat die Design-Welt entscheidend verändert. Man kann die digitalen Datenbanken besser nutzen als früher und strukturierter recherchieren. KI ist das eigentliche Werkzeug dazu, mit dem man die Datenflut von 150 Millionen Dokumenten überhaupt bewältigen kann. Wir stellen auch fest, dass im Bereich KI extrem viele Patente angemeldet werden. Das heißt, in jeder Branche, von Digitalisierung bis zum Bausektor, entwickelt sich sehr viel. In Zukunft werden die Patente nicht mehr so sachlich und greifbar sein wie früher, sondern auch digitale Geschäftsmodelle oder Simulationen beinhalten, die mit KI auch besser bearbeitet werden können.
Wie verändert sich das klassische Schutzdenken im Kontext offener Innovationsstrategien wie Open Innovation?
Bruno Götz: Open Innovation ist vielleicht schon wieder ein bisschen vorbei. Gerade im Patent-Bereich wird nach wie vor mehr angemeldet. Das europäische Patentamt hat auch wieder einen Zuwachs der Anmeldungen von zwei Prozent im letzten Jahr gemeldet. In gewissen Bereichen mag die Open Innovation Sinn ergeben, aber für Unternehmen, die ihre Ideen und Innovationen absichern wollen, sind weiterhin Patente und Gebrauchsmuster gefragt.
Was würden Sie einem kleinen oder mittleren Unternehmen raten, das zum ersten Mal über eine Patentanmeldung nachdenkt?
Bruno Götz: Zuerst muss man recherchieren, ob das wirklich neu ist, was man gefunden hat. Hier bieten wir eine kostenlose Erfindererstauskunft und eine Rechercheunterstützung an. Eine Patentrecherche ist nicht vergleichbar mit einer Internetsuche. Da braucht es das entsprechende Know-how. Da helfen wir, um die ersten Schritte zu machen. In manchen Bereichen ist es wirklich wie Detektivarbeit. Wir beraten auch über die Kosten- und Anmeldestrategien, wobei wir das ganze Thema ausleuchten und betrachten.
Patente gelten oft als teuer und komplex. Welche Förderprogramme oder Plattformen können Firmen den Einstieg erleichtern?
Bruno Götz: Für Patente gibt es derzeit zwei Förderprogramme. Eines ist das Programm WIPANO von der Bundesregierung und das andere ist von der EU und heißt KMU-Fonds. Da kann man sich bis zu 90 Prozent Zuschüsse für die Anmeldungen, Recherchen oder sonstige Dienstleistungen im Rahmen der Schutzrechtsanmeldungen holen.
Gibt es Beispiele, bei denen eine klug angesetzte Patentstrategie Unternehmen nachhaltig weiterhelfen konnte?
Bruno Götz: Da habe ich zwei gute Beispiele parat. Eines kommt sogar aus der Nähe von Nürnberg, das ist die Firma Schwan-Stabilo. Die Patentanmeldungen der letzten Jahre zeigen, dass sie in den 2000er Jahren verstärkt im Bereich Kosmetik angemeldet haben, und heute ist Schwan-Stabilo der Weltmarktführer für kosmetische Stifte. Das heißt aber nicht, dass der Firmenname auf diesen Stiften steht, sondern sie produzieren die Stifte für die großen Unternehmen, die sie dann unter ihrem Label verkaufen. Eine weitere spannende Patent-Strategie kam von Herrn Krinner. Das ist ein besonderer Mann, er hat ganz viele Weihnachtsfeste bei uns gerettet, denn er war der Erfinder des Christbaumständers mit dieser Seilzug-Technik. Er war mit dem alten Produkt nicht zufrieden und ging dann in seine Werkstatt und hat den Seilzug-Technik-Christbaumständer erfunden. Damals war er eigentlich in der Landwirtschaft tätig. Er war schlau und hat sich diese Erfindung schnell schützen lassen, denn wenn so ein Produkt auf den Markt kommt, wird es sehr schnell kopiert und dagegen kann man ohne Patentschutz nichts machen. Mittlerweile hat er eine Firma auf Basis dieser geschützten Erfindung gegründet und ist der europäische Marktführer für Christbaumständer. So sieht man, wie man über den Patentschutz seine Unternehmensstrategie absichern kann und auch eine Unternehmensgründung vorantreiben kann. Da wurde alles richtig gemacht. Sie haben Unternehmen gesichert, Umsätze gesichert und damit auch Arbeitsplätze geschaffen und so ist das ideale Vorgehen, wenn man etwas erfunden hat, um dann die Früchte seiner Arbeit erwirtschaften zu können.
Wir wirken sich die globalen Herausforderungen, wie der Klimawandel, die Pandemie oder die Wirtschaftlichen Krisen, auf die Patentlandschaft aus und gibt es dadurch einen Wandel der Prioritäten?
Bruno Götz: Im Rahmen der Pandemie konnte man sehen, dass die Patentanmeldungen in der Medizintechnik stark angestiegen sind. Es war klar, denn jeder brauchte zum Beispiel eine Maske und da wurden viele neue Möglichkeiten erfunden. Es ist auch wichtig, dass man den Patentschutz hat. Ansonsten hätten wir in der Pandemie wahrscheinlich kein Vakzin zur Verfügung gehabt, denn die Entwicklung von medizinischen Präparaten und Pharma-Produkten ist extrem aufwändig. Ohne einen gewissen zeitlichen Monopolschutz für den Innovator möchte da keiner reininvestieren. Was man auch feststellen kann, ist, dass die Themen Klima- und Umweltschutztechnik immer stärker in den Fokus geraten. Leute machen sich Gedanken, um Probleme zu lösen und das bringt auch viele Anwendungen für den Klimawandel.
Wie sehen Sie das Patentwesen im Jahr 2055?
Bruno Götz: Mit Sicherheit werden wir einen radikalen Wandel erleben. Wir sehen es jetzt schon bei der Marke. Früher gab es Wort- und Bildzeichen, mittlerweile gibt es die verschiedensten Markenformen, Multimedia-Marken und so weiter. Auch im Patentbereich bringt KI einen großen Wandel, denn sie ist bereits in der Lage ein Patent zu schreiben, oder auch eine Erfindung zu tätigen, die patentfähig ist. Sie kann auch alles auswerten, was in der Patentinformation enthalten ist. Das heißt, die Trainingsdaten sind da und zugänglich, woran sich die KI bedienen kann. Da wird sich ganz viel ändern in Zukunft.
Kann man sich bei der Patentrecherche mittlerweile auf die KI verlassen?
Bruno Götz: Da ist es, wie auch in vielen anderen Bereichen: Die KI unterstützt, aber der Mensch muss nach wie vor nochmal drüber schauen. Ein Thema, bei dem die KI noch länger brauchen wird, ist die Analyse, also dass aus Patentdaten strategische Unternehmensentscheidungen abgeleitet werden. Wenn man der KI ein Patent gibt, und diese nach ähnlichen Patenten suchen soll, kann die KI das heute schon, aber um wirklich Entscheidungen für Unternehmen ableiten zu können, wird es noch länger dauern.
Das Interview führte Barbara Groll, Media Relations, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg.
Länge der Audiodatei: 00:13:25 (hh:mm:ss)
30 Jahre Patentgeschichte: Die Zukunft der Erfindungen (03.09.2025)
Patente sind weit mehr als trockene Akten und Paragrafen. Sie sind stille Wächter genialer Ideen, strategische Schutzschilde im globalen Wettbewerb – und zugleich Spiegelbild der technologischen Trends unserer Zeit. Bruno Götz, Leiter des Patentzentrums Bayern, nimmt uns mit hinter die Kulissen dieses faszinierenden Dreiecks aus Technik, Recht und Markt. Er erzählt, wie aus einer Vision ein schützendes Fundament wird und warum genau hier die Zukunft entschieden wird.
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