Mit Herz und Haltung | Stella Bruck über das Studio Zinnober
„Uns war es wichtig, einen Ort zu schaffen, an dem Menschen mit und ohne Kulturhintergrund auf Augenhöhe zusammenkommen.“ Stella Bruck schafft mit dem Studio Zinnober in Bamberg einen Kultur- und Kreativraum, der mehr sein will als eine Bühne: ein lebendiger Begegnungsort, der gesellschaftliche Vielfalt fördert und Kultur für alle erlebbar macht. Ihren bayernkreativ-Platz im Gründungsprogramm „KREATIV Garage“ des OM7 Nürnberg nutzt sie, um im Austausch mit anderen Projekten und mit professionellem Sparring zu reflektieren, wie man stabile Strukturen schafft, ohne die Haltung zu verlieren. Im Interview spricht sie über ihre Motivation, soziale Verantwortung und die Vision, Kultur neu und inklusiv zu denken.
Kulturgestalterin & Vernetzerin
Stella Bruck ist in der freien wie institutionellen Kulturlandschaft zu Hause. Sie arbeitet aktuell als Werkstudentin im Kulturamt Bamberg und studiert Soziologie mit dem Schwerpunkt auf Kommunikation und digitaler Öffentlichkeit. Praxisstationen führten sie unter anderem zu den Berliner Festspielen (Theatertreffen), Rocket Beans Entertainment und ans Thalia Theater Hamburg, wo sie auch Teil der Steuerungsrunde „360 Grad – Fonds für kulturelle Vielfalt“ war. Ihr ehrenamtliches Engagement gilt der Verbindung von Kunst, Aktivismus und Gesellschaft: etwa bei DIE VIELEN e.V., den Bamberger Kurzfilmtagen oder im Rahmen stadtteilbezogener Netzwerkarbeit. Sie interessiert sich besonders für neue Allianzen zwischen Kultur, Zivilgesellschaft und digitalen Räumen.
„Wir wollen einen Raum schaffen, der nicht nur Programm macht, sondern eine Haltung lebt: neugierig, offen, widersprüchlich, verbindend.“
Stella Bruck
Liebe Stella, du hast das Studio Zinnober ins Leben gerufen. Was hat dich persönlich motiviert, diesen Kultur- und Kreativort in Bamberg zu etablieren?
Studio Zinnober ist aus einer Lücke heraus entstanden. Uns fehlte ein Ort, der nicht nur Kultur zeigt, sondern sie teilbar macht. Ich habe viele Jahre in kulturellen Kontexten gearbeitet, oft mit gesellschaftlichem Anspruch, aber letztlich immer mit ähnlichem Publikum. Mit dem Studio Zinnober wollen wir einen Raum schaffen, der nicht nur Programm macht, sondern eine Haltung lebt: neugierig, offen, widersprüchlich, verbindend. Ein Ort, an dem sich Menschen mit und ohne Kulturhintergrund auf Augenhöhe begegnen können. Ohne Konsumzwang, aber mit Lust auf Austausch.
Welche Bedeutung hat die soziale Verantwortung eines Kulturprojekts für dich? Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit im Geschäftsmodell?
Soziale Verantwortung ist für uns kein Zusatz, sondern der Kern. Kultur darf nicht davon abhängen, ob man sich Tickets leisten oder Codes verstehen kann. Deshalb sprechen wir gezielt Menschen an, die oft nicht vorkommen: migrantische Arbeitskräfte, Alleinerziehende, Soloselbstständige, Menschen jenseits des klassischen Hochkulturpublikums. Nachhaltigkeit heißt für uns: Teilhabe ernst nehmen und gleichzeitig wirtschaftlich tragfähig arbeiten. Wir setzen auf eine Mischung aus Fördermitteln, Ehrenamt und Gastroerlösen und auf regionale Partnerschaften, die soziale wie ökonomische Kreisläufe stärken.
Was macht das Studio Zinnober als Kulturort besonders, und welche Programme finden dort statt?
Studio Zinnober ist kein Ort nur für Kulturkonsumentinnen und -konsumenten, sondern für alle Menschen.
Wir verbinden Alltagsnähe mit künstlerischer Relevanz, durch Formate wie Mini-Playbackshows, Diskursabende, Pen&Paper-Nächte, Filmreihen, Tanzabende oder kulinarisch-kulturelle Begegnungen. Besonders ist, dass wir uns an gesellschaftlichen Debatten orientieren und diese in Formate übersetzen, die niedrigschwellig, überraschend und verbindend sind.
Wie stellst du dir Studio Zinnober in fünf bis zehn Jahren vor? Welche Formate oder Kooperationen möchtest du entwickeln?
In fünf Jahren wünsche ich mir, dass Studio Zinnober ein selbstverständlicher Teil des städtischen Lebens ist. Wie ein Jugendzentrum für Erwachsene: offen, lebendig, verlässlich.
Ich sehe Kooperationen mit Schulen, migrantischen Communities, freien Kollektiven aus ganz Deutschland. Neue Formate wie mehrsprachige Veranstaltungsreihen, intersektionale Festivals oder Bar-Abende mit persönlichen Geschichten. Und ich wünsche mir, dass dieser Ort nicht nur wächst, sondern tiefer wird. Mit mehr Verantwortung und mit dem Mut, unbequem zu bleiben.
Welche Meilensteine möchtest du unbedingt erreichen?
- Eine langfristige Lösung für den Ort zu finden. Bisher arbeiten wir im Pop-up-Modell in Leerständen, was kreativ beflügelnd, aber strukturell belastend ist. Die wiederholte Neuschaffung von Infrastruktur frisst viele Ressourcen. Dieses Modell lässt sich auf Dauer nicht im Ehrenamt tragen.
- Die Etablierung eines kuratierten Open-Stage-Formats, das regelmäßig neue Stimmen sichtbar macht.
- Der Aufbau einer tragfähigen Personalstruktur, die faire, bezahlte Arbeit ermöglicht, statt auf Selbstausbeutung und Idealismus angewiesen zu sein.
Was sind aus deiner Sicht die größten Herausforderungen und welche Unterstützung brauchst du?
Die größte Hürde ist strukturelle Unsichtbarkeit und die fehlende finanzielle Unterstützung. Projekte wie Zinnober werden oft als nette Zwischennutzung wahrgenommen, obwohl sie systemisch wichtige Lücken füllen. Wir brauchen politische und gesellschaftliche Rückendeckung, belastbare Förderpartnerschaften und Zugang zu langfristiger Infrastruktur. Und wir wünschen uns die Bereitschaft, auch Experimente zu fördern, selbst wenn ihre Wirkung nicht sofort quantifizierbar ist.
Wie können Kultur- und Kreativschaffende sich bei Studio Zinnober einbringen?
Wir arbeiten partizipativ: Kunstschaffende, Gruppen und Vereine können eigene Formate vorschlagen, von Konzerten über Diskursveranstaltungen bis zu performativen Formaten.
Studio Zinnober ist offen, aber nicht beliebig: Wir kuratieren mit Haltung, aber nicht im Alleingang.
Was erwartest du dir vom Gründungsprogramm KREATIV Garage des OM7 Nürnberg? Welche Aspekte sind für dich besonders wertvoll?
Die KREATIV Garage ist für uns ein Möglichkeitsraum. Wir sind kein klassisches Start-up, aber wir wollen Strukturen bauen, die bleiben.
Besonders wertvoll sind für uns:
- Reflexion und Sparring zur Frage: Wie schafft man Strukturen, ohne Haltung zu verlieren?
- Austausch mit anderen Projekten, die an ähnlichen Punkten stehen
- Zugang zu Netzwerken über die eigene Szene hinaus
Und ganz konkret: Beratung bei Rechtsform, Personalstruktur und Förderstrategie, damit Studio Zinnober nicht nur ein gelungener Anfang bleibt, sondern ein belastbares Modell für gelebte Kultur wird.
Die bayerische Kultur- und Kreativwirtschaft ist vital, kooperativ, vielstimmig und zukunftsrelevant. Wir stellen dir bayerische Akteurinnen und Akteure vor. Wie gestaltet sich deren Geschäftsmodell? Was treibt sie an?
Du möchtest uns auch gerne ein paar Fragen beantworten und Teil unserer Kampagne „bayernkreativPORTRAIT“ sein? Dann schreibe uns gerne eine E-Mail an kontakt@bayern-kreativ.de mit dem Stichwort „bayernkreativPORTRAIT“.