Kleine Handgriffe, große Wirkung: Der Tag der Ersten Hilfe
29.08.2025
Zum Tag der Ersten Hilfe am 13. September erklären Stefanie Brauer, Ersthelferin und Projektmanagerin bei Bayern Innovativ Gesundheit, Gerrit Wiegand, Geschäftsführer von IVENA eHealth, und Marina Iftner, Projektmanagerin und ehemalige Notaufnahme-Mitarbeiterin, wie entscheidend Erste Hilfe vor Ort ist und wie jede Handlung den weiteren Verlauf der Rettungskette beeinflussen kann.
Handeln statt zögern: Jede Sekunde zählt
Im Büro sinkt jemand auf den Stuhl, in der U-Bahn wird eine Person plötzlich blass, auf der Straße stolpert ein Passant und bleibt liegen. Solche Momente treffen uns unvorbereitet. Und dann zeigt sich, wie wichtig es ist, dass jemand schnell Erste Hilfe leistet.
Genau daran erinnert der Tag der Ersten Hilfe, der jährlich am zweiten Samstag im September stattfindet, in diesem Jahr am 13. September.
Initiiert wurde er im Jahr 2000 von der internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, mit dem Ziel, das Bewusstsein für Erste Hilfe weltweit zu stärken. Die Botschaft: Jede und jeder kann helfen.
Und doch: Viele zögern im Ernstfall. Der letzte Erste-Hilfe-Kurs bei Erwachsenen in Deutschland liegt im Durchschnitt 10 Jahre zurück. Das Wissen ist oft verblasst, die Routine fehlt. Hinzu kommt die Angst, etwas falsch zu machen, all das lässt Menschen zweifeln. Dabei zählt jeder Handgriff. Wer hilft, macht nichts falsch, sondern den entscheidenden Unterschied.
Erste Hilfe am Arbeitsplatz
Für Stefanie Brauer, Projektmanagerin und Ersthelferin bei Bayern Innovativ Gesundheit, war Erste Hilfe schon früh ein Teil ihres Lebens: „Ich war schon in der Schule Ersthelferin und finde es wichtig, meinen Kolleginnen und Kollegen helfen zu können, wenn mal was passiert.“ Für sie endet das Thema nicht an der Bürotür: „Eigentlich wäre es gut, wenn alle regelmäßig ihre Erste-Hilfe-Kenntnisse auffrischen würden, denn man weiß nie, wo etwas passiert – in der U-Bahn, auf der Straße oder bei der Arbeit.“ Besonders am Herzen liegt ihr, dass sich Menschen trauen zu handeln. Dabei gehe es nicht nur um Pflaster oder stabile Seitenlage, sondern vor allem darum, präsent zu sein: „Notruf absetzen ist besser als nichts zu tun. Und manchmal reicht es schon, sich neben die Person zu setzen und dafür zu sorgen, dass sie sich nicht alleine fühlt.“ Auch auf technische Hilfsmittel weist sie hin: „Was oft vergessen wird, sind die AEDs, die Defibrillatoren. Eigentlich kann man da nichts falsch machen – das Gerät sagt einem genau, was zu tun ist. “ Ihre Botschaft ist eindeutig: „Traut euch! Schaut nicht weg. Denkt daran, wie es euch vielleicht ginge, wenn ihr irgendwo liegt und froh wärt, wenn jemand stehen bleibt und fragt: Hey, was brauchst du? Wie kann ich dir helfen?“ Erste Hilfe, so Brauer, sei nicht nur für die „Worst-Case-Szenarien“ da. Sie beginne oft im Kleinen – wenn jemand auf der Straße umknickt und Unterstützung braucht, bis zur nächsten Bank zu kommen. „Das ist ja eigentlich auch schon Erste Hilfe. Augen offenhalten und positiv unseren Mitmenschen begegnen!“
Digitale Brücke zur Notaufnahme: Wenn Technik auf Verantwortung trifft
Neben der direkten Hilfe vor Ort kann auch digitale Technik einen entscheidenden Beitrag leisten – nicht beim Pflasterkleben oder der Reanimation, aber beim nächsten Schritt nach der Ersthilfe. Gerrit Wiegand, der Geschäftsführer von IVENA eHealth erklärt: „Dank IVENA spart man Kommunikation, es vereinfacht die Prozesse.“ Das System vernetzt Feuerwehrleitstellen, Rettungswagen, Krankenhäuser und teilweise auch Arztpraxen und bietet den Rettungskräften eine Echtzeit-Übersicht, welche Einrichtungen bestimmte Behandlungen durchführen können und wie ausgelastet sie sind. So wird verhindert, dass Patientinnen und Patienten von Notaufnahme zu Notaufnahme geschickt werden. Eine kleine Verzögerung, die im Ernstfall große Folgen haben kann. Selbst kleinere Praxen können eingebunden werden, sodass Menschen schnell dorthin gebracht werden, wo ihre Versorgung wirklich möglich ist. „Erste Hilfe muss ja nicht immer gleich die Reanimation sein, sie kann auch niederschwelliger erfolgen, zum Beispiel einfach zu sagen: Ich bringe dich jetzt sicher dahin, wo du behandelt wirst‘“, so Wiegand. Wer vor Ort hilft, stabilisiert, beruhigt und begleitet. Dank digitaler Unterstützung wird im Anschluss dafür gesorgt, dass die Versorgung nahtlos weiterläuft. IVENA zeigt, dass Erste Hilfe nicht nur aus einzelnen Handgriffen besteht, sondern Teil einer größeren Rettungskette ist. Sein Appell zum Tag der Ersten Hilfe: „Nicht zögern, man kann wenig falsch machen. Und so schnell wie möglich die Profis rufen.“
Von der Ersten Hilfe zur Notaufnahme: Hilfe kennt keinen Bruch
Wenn Ersthelferinnen und Ersthelfer vor Ort die Situation stabilisiert haben und digitale Systeme wie IVENA den Transport organisiert haben, geht die Hilfe weiter. Diesmal im Krankenhaus, wo jede Sekunde zählt. Für Marina Iftner, ebenfalls Projektmanagerin bei Bayern Innovativ Gesundheit und ehemalige Mitarbeiterin in der Notaufnahme, war es von Anfang an wichtig, Teil der Kette zu sein, die Menschen in Not hilft. „Es war für mich immer klar, wenn ich im medizinischen oder pflegerischen Bereich arbeite, möchte ich in die Notaufnahme, weil ich besser vorbereitet sein möchte, wenn ich mal Erste Hilfe leisten muss." Dort geht es nicht nur um die Versorgung schwerer Fälle, sondern auch um schnelle Einschätzungen, Kooperation mit Ärzten, Rettungsdienst und anderen Berufsgruppen und darum, in unvorhersehbaren Situationen Ruhe zu bewahren. Erste Hilfe beginnt vor dem Krankenhaus, betont sie: jemanden beruhigen, begleiten oder einfache Maßnahmen wie stabile Seitenlage anwenden. „Das einzig Falsche, was du machen kannst, ist, nicht zu helfen." Selbst kleine Handlungen können einen Unterschied machen. In der Notaufnahme ergänzt diese Haltung das professionelle Versorgungsteam. Wer aufmerksam und mutig handelt, kann Leben retten und den Ablauf der Notfallversorgung entscheidend unterstützen. Die Erfahrung in der Notaufnahme hat Iftner gelehrt, dass es oft weniger um Technik, sondern um Präsenz und Aufmerksamkeit geht: die Person beobachten, Notruf absetzen, begleiten, beruhigen. Und immer die eigene Sicherheit im Blick behalten.
„Traut euch und habt keine Angst. Seid für die Menschen da und achtet dabei auch auf euch selbst."
Fazit: Helfen heißt Hinschauen und Handeln
Die Stimmen aus unserem Netzwerk zeigen, dass Erste Hilfe nicht nur eine Pflicht ist, sondern eine Haltung. Wer vorbereitet ist, kann im Ernstfall ruhig und entschlossen reagieren. Der Tag der Ersten Hilfe erinnert uns daran, wie wichtig es ist, Wissen aufzufrischen, Routinen zu entwickeln und Verantwortung zu übernehmen für sich selbst und für andere. Es geht nicht um Perfektion, sondern um Umsicht und Verantwortungsbewusstsein. Ob im Krankenhaus, im Büro, auf der Straße oder im Park, wer hinsieht, sich traut zu handeln und aufeinander achtgibt, kann in jeder Situation den entscheidenden Unterschied machen.