Trend Elektromobilität - Faktoren für den Erfolg am Markt

28.03.2019

Welche Trends treiben die Elektromobilität? Welche Rahmenbedingungen sind für den Erfolg am Markt erforderlich? vernetzt, das Innovationsmagazin von Bayern Innovativ, hat darüber mit Prof. Dr. Markus Lienkamp, Professor für Fahrzeugtechnik  an der TU München mit Forschungsschwerpunkt Elektromobilität, und Bayern Innovativ-Geschäftsführer Dr. Rainer Seßner gesprochen.

Dr. Rainer Seßner und Prof. Dr. Markus Lienkamp im Gespräch über Chancen und Herausforderungen der E-Mobilität. (Bildnachweis: Bayern Innovativ)

Herausforderungen der Elektromobilität

Herr Lienkamp, in einem Interview aus dem Jahr 2016 haben sie gesagt, dass die technischen Hindernisse der Elektromobilität ausgeräumt und die zentrale Herausforderung nun die Kosten seien. Wo stehen wir in der Elektromobilität heute?

Markus Lienkamp: Alle Hersteller planen die Massenfertigung. Für mich ist nur noch die Frage, wie schnell die Stückzahlen produziert werden können.

Rainer Seßner: Die Nachfrage nach Elektroautos ist aus meiner Sicht bereits deutlich höher als die Hersteller liefern können – oder wollen? (lacht …). Der limitierende Faktor sind derzeit Engpässe in der Produktion und bei Batterien. Das gilt sowohl für die deutschen wie die ausländischen Anbieter.

Stichwort Elektroauto Batterie

Man hört immer wieder, die Batterieforschung sei in Deutschland lange Zeit vernachlässigt worden. Haben wir aufgeholt oder ist das Thema für die Entwicklung der E-Mobilität gar nicht so wichtig?

Markus Lienkamp: Das Thema ist essenziell und wir sollten uns in Europa nicht in eine vollständige Abhängigkeit von Asien begeben! Deswegen begrüße ich Initiativen wie Northvolt oder TerraE. (Anm. d. Red.: Das schwedische Unternehmen Northvolt baut derzeit eine Gigafactory für Batterien, die 2017 gegründete deutsche Holding TerraE plant ebenfalls die Großserienfertigung).

Rainer Seßner: Deutschland und hier insbesondere Bayern sind in der Forschung bei Energiespeichern sehr gut aufgestellt. Das sehen wir seit vielen Jahren bei den vielen interessanten Projekten, die Bayern Innovativ begleitet. Bei der Massenproduktion von Zellen haben wir aber tatsächlich noch Potenzial nach oben.

E-Mobilität in Deutschland

An welchen Technologien müssen deutsche Unternehmen und Forschungsinstitute konkret arbeiten, um weiter im technologischen Spitzenfeld mitzuspielen?

Markus Lienkamp: Wie Rainer Seßner sagt, ist die Batterieproduktion ein entscheidender Faktor. Den Antriebsstrang mit Elektromaschine und Leistungselektronik beherrschen die deutschen Unternehmen schon recht gut. Jetzt sind Prozessstabilität und Kostensenkung gefragt. Auch darin waren deutsche Unternehmen schon immer sehr gut.

Rainer Seßner: Ich denke auch, dass es bei Speicher- und Zelltechnologie noch einen großen Sprung geben muss. Man sollte in der Mobilität aber immer das Gesamtsystem betrachten. Denkt man einen Schritt weiter, verändert E-Mobilität das gesamte Fahrzeugkonzept. E-Mobilität ist außerdem ein Treiber für Themen wie autonomes Fahren, Sharing und Intermodalität. Das bringt ganz neue Player auf die Bühne, an die bis vor wenigen Jahren niemand gedacht hätte, zum Beispiel Games- und App-Entwickler. Bayern Innovativ agiert mit seinen Netzwerken deswegen ganz bewusst branchen- und technologieübergreifend und unterstützt den Innovationsprozess vom Technologiescouting über das Identifizieren von Projektpartnern bis zur Markteinführung.

E-Mobilität in Bayern

Elektroautos benötigen keine Kolben, Turbolader und komplexe Getriebe. Was müssen bayerische KMU tun, um die Herausforderungen der Elektromobilität als Chance zu nutzen?

Markus Lienkamp: Nicht alle Unternehmen werden eine Chance haben. Die Unternehmen, die Komponenten für Elektroautos und Ladeinfrastruktur herstellen, haben aber gute Perspektiven und müssen schnell investieren, um den internationalen Markt zu erschließen. In dem neuen Umfeld können Innovationen nur gelingen, wenn verschiedene Partner und Branchen zusammenarbeiten. Bayern Innovativ tut hier viel für die nötige Vernetzung.

Rainer Seßner: Die Automobilbranche ist definitiv im Wandel und viele klassische Zulieferer dadurch in ihrer Existenz gefährdet. Für sie ist es enorm wichtig, gezieltes Innovationsmanagement mit Technologiescouting und Roadmapping zu betreiben, neue Angebote für die sich verändernde Automobilindustrie zu entwickeln und neue Märkte zu erschließen.

Förderung von Elektromobilität

Welche Rahmenbedingungen müssen gelten, um die Elektromobilität attraktiver zu machen?

Markus Lienkamp: Hier gelten weiterhin die drei bekannten Themen: Reichweite – die passt so langsam, Infrastruktur – sie kommt in Deutschland jetzt auf den Weg und Kosten – da haben ja alle OEM viel angekündigt. Die Regierung muss die Infrastruktur mit Ladestationen schaffen und die Rahmenbedingungen für die korrekte steuerliche Einordnung. Die OEM und die Zulieferer müssen Qualität, Stückzahlen und Kosten in den Griff bekommen. Und der Kunde muss kaufen.

Rainer Seßner: Sicher spielt auch das Thema Information eine große Rolle. So besteht in den Kommunen ein großer Beratungsbedarf, zum Beispiel über Förderprogramme für den Aufbau der Ladeinfrastruktur.

Elektromobilität in Kommunen

Kann sich E-Mobilität in kleineren Kommunen denn  genauso schnell entwickeln wie in den Metropolen?

Markus Lienkamp: Da das Laden dort normalerwiese kein großes Problem darstellt und Pendelstrecken gut zu Elektroautos passen, ist die Elektromobilität gerade auf dem Land attraktiv, besonders für Zweitwagen.

Rainer Seßner: Städte haben bei vielen neuen Mobilitätskonzepten eine Leitfunktion – Stichwort „mobility as a service”. Bei der E-Mobilität hingegen ist die Ladeinfrastruktur in großen Städten wegen des Platzmangels ein limitierender Faktor. Ländliche Räume können da durchaus eine Leitfunktion übernehmen.

Zukunftsperspektiven des Verbrennungsmotors

Welche Zukunftsperspektiven geben Sie dem Verbrennungsmotor, insbesondere mit Blick auf den Diesel? Hier hört man ja von neuen Entwicklungen, die die NOx-Emissionen erheblich reduzieren sollen.

Markus Lienkamp: Die Emissionen werden nicht mehr das Hauptthema sein. Wenn das Elektroauto bei den Gesamtkosten billiger ist, werden die Kunden es kaufen, weil das Fahrerlebnis einfach besser ist und es das nachhaltigere Produkt ist. Ich denke, das Thema der nächsten 15 Jahre wird das reine Elektroauto sein.

Rainer Seßner: Der klassische Verbrennungsmotor wird in den kommenden Jahren seine langjährige Führungsrolle als Technologie- und Innovationstreiber abgeben. Die E-Mobilität wird „das Drehmoment” vorgeben!

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Dr. Rainer Seßner