Smart Region: Was macht eine Region intelligent?

Die Digitalisierung lässt Distanzen schrumpfen und eröffnet Kommunen neue Möglichkeiten. Werden wir folglich über die sogenannte “Stadtflucht” anstatt über die “Landflucht” sprechen? Unser Experte Willi Steincke, Leiter der ZD.B-Themenplattform Smart Cities and Regions, gibt im nachfolgenden Interview eine Einschätzung.

Willi Steincke über smart Regions
“Smart ist eine Region, die sich zukunftssicher und widerstandsfähig gegenüber verschiedensten Außeneinwirkungen organisiert!” – Willi Steincke.


Willi, was macht eine Region smart?

Willi Steincke: Eine smarte Region zeichnet sich durch drei Aspekte aus:

1. Sie stellt ihren Bürgern Informationen zur Verfügung, die schnell auffindbar und verständlich sind. Beispielsweise wissen Website-Besucher sofort, wo sie den nächsten Arzt finden oder mit welchem öffentlichen Transportmitteln sie zur Praxis gelangen.

2. Um überhaupt Informationen bereitstellen zu können, braucht es Daten aus unterschiedlichsten Handlungsfeldern, wie z. B. Energie , Mobilität , Gesundheit , Tourismus , Landwirtschaft , Verwaltung. Diese Daten müssen so aufbereitet werden, dass sie nicht nur in ihrem eigenen Handlungsfeld optimal gelesen und bearbeitet werden können, sondern auch untereinander kombinierbar sind, um Simulationen zu entwickeln. Simulationen benötigt man, um Fragen zu beantworten, wie beispielsweise: “Wie müssen wir unseren Landkreis ausbauen, damit die Mobilitätsinfrastruktur sich an die vorhandenen Rahmenbedingungen anpasst?”. Dadurch können wir auch exemplarische Modellregionen in Bayern schaffen, die dann eine Art strategische Vorbildfunktion einnehmen.

3. Das leitet über zum dritten Punkt: Um eine Region smart zu machen, müssen wir smarte Strategien anwenden, die Rahmenbedingungen vorgeben. Im Prinzip müssen die verschiedensten Interessensträger einer Region einbezogen werden, damit diese ihre Daten zur Verfügung stellen. In diesem Zusammenhang verfolgen wir aktuell die Strategie, gemeinsame Anwendungsfelder zu entwickeln, die für verschiedene Stakeholder interessant sind, um daraus eine gemeinsame technologische Basis zu schaffen.

Zusammengefasst bezeichnet “Smart Region” eine Region, die zukunftssicher und widerstandsfähig gegenüber verschiedensten Außeneinwirkungen, wie die Corona-Krise, ist.

Du lebst in München – ist das eine smarte Stadt?

Willi Steincke: Ja und nein. Wenn wir die Firmen der Metropolregion München betrachten, können wir uns in der Größenordnung mit dem Silicon Valley vergleichen. Im internationalen Vergleich ist München jedoch auf einer Skala mit Reifegrad 1 bis 5 ungefähr auf Stufe 2 bis 3 angelangt. Wir haben gute Voraussetzungen, aber noch einiges zu tun, um erheblich mehr Vernetzungen, Potenziale und Automatik in den Datentransfers weiterzuentwickeln.

Was macht eine Region smart
Was macht eine Region smart?


Bezeichnest Du den Bayerischen Wald - Deine Heimat - als smart?

Willi Steincke: Dort sind die Rahmenbedingungen anders als in München, weil nicht so viel Potenzial im klassischen Sinne vorhanden ist. Aber durch die Überschaubarkeit kennt man seine Stakeholder und deren Interessen besser. Somit lassen sich gemeinsame Anwendungsfelder schneller entwickeln.

Ein Beispiel sind die “digitalen Dörfer” - ein vom bayerischen Wirtschaftsministerium finanziertes Forschungsprojekt. Hier werden seit fünf Jahren in Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Einrichtung in Grafenau in den Ortschaften Spiegelau und Frauenau Projekte entwickelt. Beispielsweise hat man gemeinsam mit Bürgern die optimalen Standorte von Rufbushaltestellen oder digitalen Informationstafeln definiert. Zudem gibt es in der Modellregion Freyung-Grafenau ein konkretes Tourismus-Projekt. In diesem nutzen wir unsere offene Dateninfrastruktur, um die seit Corona gestiegenen Besucherströme optimal zu lenken - vor allem mit dem Fokus auf größere Veranstaltungen.

Ist für Dich das Leben auf dem Land oder in der Stadt attraktiver?

Willi Steincke: Für mich persönlich ist das Leben in der Stadt reizvoller. Da ich auf dem Land groß geworden bin, weiß ich aber immer noch die Vorteile des ländlichen Raums zu schätzen. Stichwort Kreativität: Wo ist man kreativer als in der freien Natur? Auch die Mieten sind günstiger und durch die stetige Verbesserung der Infrastruktur und der Mobilfunkverbindung lässt es sich in einer kleinen Ortschaft heutzutage sicher gut leben.

Wird Corona den Trend, aufs Land zu ziehen, beschleunigen?

Willi Steincke: Nein, das glaube ich nicht. Zum einen gehe ich davon aus, dass sich das Leben mit Corona bis Sommer oder Herbst 2021 durch einen Impfstoff verbessert. Zum anderen kommt es auf die eigene Lebenssituation und die individuellen Vorstellungen an, für welche Region man sich entscheidet. Auch wenn wir in den vergangenen Monaten eine rasante Entwicklung im Bereich Digitalisierung erlebt haben, wird es immer Menschen geben, die einen urbane Lifestyle bevorzugen. Mein Motto “leben und leben lassen!”.


Das Interview führte Dr. Kord Pannkoke, Leiter Business Development bei der Bayern Innovativ GmbH.

Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an:

Beeinflussen smarte Regionen die Landwirtschaft?

Diese Frage beantwortet Ihnen Christian Metz, Leiter des Kompetenznetzwerks Digitale Landwirtschaft Bayern , in unserer Podcast-Folge ab Minute 10:30. Gleich anhören!

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Willi Steincke