Quantentechnologie: Interview mit Dr. Andreas Böhm
11.02.2021
Dr. Andreas Böhm hat als Physiker in der Festkörper- und molekularen Biophysik geforscht, danach komplexe Elektronik bei einem der weltgrößten Automobilzulieferer entwickelt und sich bei Bayern Innovativ lange Jahre für den bayerischen Cluster Automotive engagiert. Aktuell kümmert er sich bei Bayern Innovativ als "Intrapreneur" um den Aufbau des Technologiefelds Quantentechnologie. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, welche Schwerpunkte er dabei setzt.
Wir müssen in Industrie und Wirtschaft ein Bewusstsein für die enorme Bedeutung der Quantentechnologien schaffen.
Dr. Andreas Böhm Projektmanager Technologie | Leiter Quantentechnologie, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg
Herr Dr. Böhm, was sind die speziellen Herausforderungen der Quantentechnologie in Bayern?
Dr. Andreas Böhm: Forschungseinrichtungen wie die Max-Planck-Gesellschaft, die Fraunhofer Gesellschaft, die Bayerische Akademie der Wissenschaften, die TU München, die Ludwig-Maximilians-Universität oder die Universitäten in Würzburg und Regensburg verfügen bereits heute über einen enormen Wissensstand zum Thema Quantentechnologie , der den internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht. Jetzt gilt es, das Know-how in praktische Anwendungen zu übersetzen und die unterschiedlichsten Branchen davon zu überzeugen, wie sie unmittelbar davon profitieren können.
Welche Schritte sind dazu notwendig?
Dr. Andreas Böhm: Zunächst einmal müssen wir in Industrie und Wirtschaft ein Bewusstsein für die enorme Bedeutung der Quantentechnologien schaffen. Unternehmen müssen die Potenziale und den Mehrwert von Quantentechnologien für das eigene Geschäftsmodell erkennen. Wir haben bei der Digitalisierung gesehen, dass viele Firmen wichtige Innovationen und Transformationsschritte auf die lange Bank schieben, bis eine Notsituation wie die Corona-Pandemie zum Handeln zwingt, um das wirtschaftliche Fortbestehen zu sichern. Diesen Fehler sollten wir mit der Quantentechnologie vermeiden und rechtzeitig eine Awareness schaffen. Denn andere Länder sind auf einem ähnlichen Forschungsstand wie wir in Bayern, gehen aber schon jetzt viel anwendungsorientierter an das Thema heran.
Fehlt unseren Unternehmen der Innovationsgeist?
Dr. Andreas Böhm: Nein, daran liegt es sicherlich nicht. Quantentechnologie ist ein komplexes Gebiet, dessen vielfältige Anwendungsmöglichkeiten sich nicht unmittelbar aus der Grundlagenforschung erschließen. Dennoch werden viele Firmen, die bei sich vielleicht jetzt noch gar keine Berührungspunkte mit Quantentechnologie sehen, in absehbarer Zeit damit konfrontiert werden. In fernerer Zukunft werden Aspekte wie etwa im Bereich IT-Sicherheit und Verschlüsselung dazukommen. Quantentechnologien werden, ganz ähnlich wie die Digitalisierung, ein neues Technologiezeitalter einläuten, in dem diejenigen die Gewinner sein werden, die sich frühzeitig mit den Chancen auseinandergesetzt und in entsprechende Innovationen investiert haben.
Welche Rolle spielt Bayern Innovativ bei der Umsetzung der Hightech Agenda Plus?
Dr. Andreas Böhm: Seit ihrer Gründung im Jahr 1995 ist Bayern Innovativ als „Gesellschaft für Innovation und Wissenstransfer“ ein wichtiger Bestandteil der bayerischen Innovationspolitik. Wir verfügen über ein umfassendes Netzwerk, das alle Bereiche der bayerischen Forschungslandschaft, Hightech-Branchen, mittelständische und große Unternehmen, Wissenschaft und Politik zusammenführt. Aus diesem Grund wurde Bayern Innovativ von der bayerischen Staatsregierung mit der Ausarbeitung der Roadmap zur Quantentechnologie im Freistaat beauftragt. Diese Roadmap soll im Frühjahr 2021 vorliegen. Sie nennt mittel- bis langfristige Handlungsfelder, um Bayern stabil in diesem Thema zu platzieren. Unser Ziel ist die Weiterentwicklung und Erschließung von Quantentechnologien für konkrete industrielle Anwendungen. Unsere primäre Aufgabe sehen wir darin, den Schulterschluss zwischen Forschung und Industrie voranzutreiben und Bedarfe, Know-how, Problemstellungen und Lösungen zwischen allen Beteiligten abzugleichen. In dieser Konstellation gilt es auch, ein effizientes Quantentechnologie-Netzwerk aufzubauen, in dem Anforderungen aus der Wirtschaft mit Lösungen aus der Forschung zusammengeführt werden.
Welche Institute oder Unternehmen können sich bezüglich Quantentechnologien an Bayern Innovativ wenden?
Dr. Andreas Böhm: Prinzipiell betrachten wir alle Zukunftstechnologien primär aus dem Blickwinkel der Industrie. Dabei haben wir Unternehmen jeder Größe und Ausrichtung im Blick. Wir sehen uns als Anlaufstelle für alle innovationsbereiten Unternehmen, die sich informieren möchten, welche Chancen der Bereich Quantentechnologie für sie eröffnen könnte. Hier können wir neben unserer Navigationsleistung zwischen Anwendern und Anbietern auch die Innovationskraft Ihres Unternehmens messen und jede Etappe Ihres Weges von der Idee zum Produkt unterstützen.