Additive4Industry – Printed electronics on 3D substrates

16.11.2022

Im Rahmen des BMBF-Projekts „Additive4Industry – Printed electronics on 3D substrates (A4I-PE3D)” (Projektträger Jülich) forscht der Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) zusammen mit Conti Temic microelectronic GmbH, Neotech AMT GmbH, GSB-Wahl GmbH und Holst Centre / TNO in Eindhoven an der vollständig additiven Herstellung elektronischer Baugruppen für Sensor- und Hochfrequenz-Anwendungen. Organisatorisch begleitend sowie federführend hinsichtlich Networking von Unternehmen und Instituten im Bereich Additive Fertigung und gedruckte Elektronik sind der Cluster mechatronik & automation in Bayern sowie Brainport Development in der Region Eindhoven.

Megatrends wie die Digitalisierung und Elektromobilität erfordern eine stete Optimierung der Prozesse in der Elektronikproduktion. Mit steigender Leistungsfähigkeit elektronischer Systeme steigt auch der Bedarf an Baugruppen mit erhöhter thermischer Belastbarkeit. Ein relevanter Indikator hierfür ist die Wärmeleitfähigkeit des Materials, also seine Fähigkeit, Wärme abzugeben. Liegt diese thermische Leitfähigkeit bei Standardkunststoffen wie Polypropylen (PP) oder Acyrlnitril-Butadien-Styrol (ABS) bei Werten um oder unter 0,2 W/m*K, so weist das für Leiterplatten typischerweise eingesetzte FR4 häufig Werte im Bereich von 0,25 – 0,5 W/m*K auf. Keramiken wie Aluminiumoxid dagegen haben eine Wärmeleitfähigkeit von etwa 22 – 25 W/m*K, was einer Steigerung um den Faktor 100 entspricht! Daher kommen in A4I-PE3D zur Fertigung der Substrate primär keramische Werkstoffe zum Einsatz. Zudem übertreffen Keramiken die konventionell eingesetzten Kunststoffe hinsichtlich des elektrischen Isoliervermögens.

Vorteile der Additiven Fertigung liegen unter anderem in der Designfreiheit und der kostengünstigen Produktion von Losgröße Eins. Das 3D-Druck-Verfahren Fused Filament Fabrication (FFF), auch als Fused Deposition Modeling (FDM) bekannt, ist ein vergleichsweise einfaches, kostengünstiges Verfahren. Hierbei wird das Ausgangsmaterial in Form eines Filamentfadens in der beheizten Druckerdüse aufgeschmolzen und anschließend strangförmig auf dem ebenfalls beheizbaren Druckbett abgelegt. Durch die Bewegungen des Extruderkopfes wird dabei das Druckbild erzeugt. So entsteht schichtweise ein dreidimensionales Bauteil, dessen Geometriedaten als G-Code aus einem CAD-Modell und einer sogenannten Slicer-Software abgeleitet werden.

Im Rahmen des Projekts wurden bisher u. a. Aluminiumoxid, Zirkonoxid und LTCC (Low Temperature Cofired Ceramics) mit dem FFF-Verfahren eingesetzt. Zur übersichtlichen Darstellung der wesentlichen, zu berücksichtigenden externen Faktoren mit Einfluss auf den FFF-Druck von Keramikfilament ist in Abbildung 1 ein sogenanntes Ishikawa-Diagramm am Beispiel des Aluminiumoxid-Filaments gezeigt. Hierbei werden fünf wesentliche Faktorgruppen berücksichtigt: Material, Maschine, Methode, Mensch, Milieu. In der Rubrik „Material“ ist beim Aluminiumoxid vor allem dessen Feuchte-Affinität (Hygroskopizität) von Bedeutung. Diese erschwert die Verarbeitbarkeit, aber durch die Verwendung eines Filamenttrockners kann ihr entgegengewirkt werden. Unter „Methode“ sind die verschiedenen Schritte rund um den 3D-Drucker zusammengefasst: die eingesetzte Software zum Umwandeln der CAD-Datei in verarbeitbare Daten für den Drucker durch einen Slicer, das Kalibrieren des Druckers und das Handling von Material und gedrucktem Bauteil, dem Grünling. Hier ist die Sprödigkeit des Materials im Gegensatz zu Kunststofffilament zu beachten und der Filamentfaden bspw. mithilfe eines PTFE-Schlauchs zwischen Filamentrolle und Extruder zu schützen beziehungsweise zu stabilisieren. Der „Mensch“, der den FFF-Prozess durchführt, muss natürlich eingearbeitet werden. Unter „Maschine“ sind die Druckparameter berücksichtigt, die mittels umfassender Parameterstudien nach dem Design-of-Experiments-Ansatz ideal auf das Al2O3 einzustellen sind, sowie die Hardware inklusive Düse. Zu dieser Rubrik kann auch die Haftung der abgelegten Extrusionsstränge auf dem Druckbett gerechnet werden, welche z. B. durch Verwendung eines Haftsprays und einer Folie signifikant verbessert werden kann. Weiterhin ist der optimale Abstand zwischen Düse und Druckbett entscheidend für die Haftung. Schließlich berücksichtigt die Gruppe „Milieu“ äußerliche Faktoren wie die Umweltbedingungen und die Filamentlagerung rund um den Druck.

Abbildung 1: Ishikawa-Diagramm mit wesentlichen Einflüssen auf den FFF-Druck von Aluminiumoxid-Filament; Quelle: FAPS
Abbildung 1: Ishikawa-Diagramm mit wesentlichen Einflüssen auf den FFF-Druck von Aluminiumoxid-Filament; Quelle: FAPS

Am Lehrstuhl FAPS wird ein 3D-Drucker der Fa. Prusa (Prusa i3 MK2S) und Al2O3-Filament der Fa. SiCeram GmbH eingesetzt. Die im Kunststoffbereich übliche Messingdüse wird aufgrund des abrasiven Charakters der Keramik durch eine gehärtete Stahldüse ersetzt. Ein Filamentdryer der Fa. SUNLU wird genutzt, um das Keramikfilament mit hygroskopischer Tendenz trocken zu halten. Der nicht-keramische Anteil im Filament, der zum 3D-Drucken erforderlich ist, macht eine sich an das Drucken anschließende chemische und thermische Nachbehandlung mittels Acetonbad und Entbinderungs- sowie Sinterofen notwendig, um schlussendlich eine reine Keramik zu erhalten.

Additive Fertigung in Kombination mit gedruckter Elektronik erfordert eine hinreichend gute Oberflächenqualität der gedruckten 2D- und 3D-Substrate. Das kann dadurch ausgedrückt werden, dass die Oberflächenrauheitswerte Ra und Rz entsprechend gering sind. Dazu wurden bisher in A4I-PE3D zahlreiche Parameterstudien durchgeführt, um einerseits einen stabilen Prozess zu erhalten und um andererseits auch eine möglichst geringe Oberflächenrauheit der Grünlinge zu erzielen, da zur Herstellung einer elektronischen Baugruppen später Leiterbahnen auf den keramischen Substraten anzubringen sind.

Hierbei hat sich eine Schichthöhe von 0,1 mm bewährt. Ebenso hat das Herabsenken der Drucktemperatur auf Temperaturen zwischen 140°C und 160°C positive Effekte erzielt. Die Temperaturprofile der thermischen Nachbehandlung wurden ebenfalls systematisch variiert, um Bauteile zu erhalten, die möglichst keine Risse, eine hohe Dichte und gute mechanische Eigenschaften aufweisen. Vielfältige Charakterisierung und Qualifizierung der Substrate findet am FAPS in Nürnberg und bei Conti in Ingolstadt statt. Der Gesamtprozess, wie er im Rahmen dieses Projekts erforscht wird, ist in Abbildung 2 dargestellt.

Schließlich wird zum Erzeugen von leitfähigen Strukturen auf der 3D-gedruckten Keramik ebenfalls ein digitales Druckverfahren eingesetzt, nämlich das Piezojet-Verfahren. Dieses bringt nach dem Drop-on-Demand-Prinzip einzelne Tropfen von leitfähiger Tinte auf ein zwei- oder dreidimensionales Substrat, die so dicht nebeneinanderliegen, dass eine Leiterbahn entsteht.

Hierfür entwickelt der Projektpartner GSB-Wahl geeignete Fluide, die speziell auf keramischen Oberflächen sowohl gute Haftfestigkeiten als auch gute elektrische Leitfähigkeiten liefern. Zum Verdrucken mit Piezojet sind erneut Parameterstudien durchzuführen, um in enger Kooperation iterativ zur bestmöglichen Lösung zu kommen. Nach dem Applizieren wird die Tinte im Konvektionsofen ausgehärtet, um die nichtleitenden Anteile zu eliminieren und durch die Verdichtung der Silberpartikel die bestmögliche Leitfähigkeit zu erzielen.

Abbildung 2: Prozesskette der Additiven Fertigung (FFF) von Aluminiumoxid-Bauteilen (o. li.: Feedstock = Ausgangsmaterial; Heating block = Heizblock; Nozzle = Düse). Quelle: FAPS (o.li.: Empa)
Abbildung 2: Prozesskette der Additiven Fertigung (FFF) von Aluminiumoxid-Bauteilen (o. li.: Feedstock = Ausgangsmaterial; Heating block = Heizblock; Nozzle = Düse). Quelle: FAPS (o.li.: Empa)

Anschließend werden die gedruckten Strukturen ebenfalls qualifiziert und die Prozesse iterativ optimiert. Genutzt wird für den Piezojet-Druck das 5-Achs-System 15X SA der Fa. Neotech AMT, wodurch dreidimensionale Bauteile bedruckt und somit tatsächlich räumlich integrierte 3D-Baugruppen additiv generiert werden können. Auf Substrate thermoplastischer Basis wurde im Rahmen dieses Projekts bereits mittels 5-Achs-System dreidimensional gedruckt; auf keramische 3D-Bauteile, wie exemplarisch in Abbildung 2 unten mittig zu sehen, steht dies noch aus.

Die technische Kooperation mit dem Holst Centre, welches an alternativen additiven Technologien forscht, ermöglicht den Vergleich verschiedener Materialien und Prozesse im Rahmen des A4I-PE3D-Projekts, wodurch ein bereichernder Austausch entsteht. So wurden bereits additiv gedruckte Substrate ausgetauscht und mit verschiedenen Druckverfahren bedruckt und verglichen.

Zusammenfassend verfolgt das Forschungsprojekt „Additive4Industry – Printed electronics on 3D substrates” einen Ansatz zur Optimierung räumlicher elektronischer Baugruppen mit verbesserter Temperaturbeständigkeit. Dies wird einerseits durch den Einsatz additiver Fertigungsverfahren wie z. B. FFF und Piezojet-Druck realisiert. Andererseits werden innovative Materialien wie Al2O3- oder LTCC-Filament genutzt, um die Substrate robuster gegenüber Wärmeeintrag und Umwelteinflüsse zu gestalten.

Ihr Kontakt

Daniel Utsch