Intelligente Produktion in der Industrie 4.0

10.08.2018

Kürzere Produktlebenszyklen, hohe Flexibilität bei kurzen Lieferzeiten, Termintreue, und steigenden individuelle Anforderungen der Kunden stellen die Hersteller moderner Produktionssysteme vor große Herausforderungen. Herstellern verlangt dies ein hohes Maß an Flexibilität.

Intelligente Produktion in der Industrie 4.0Intelligente Produktion in der Industrie 4.0. (Bildnachweis: Fotolia©MimiPotter_93312053)

Komplexe zentrale Produktionssysteme sind meist wenig flexibel - insbesondere bei kurzfristigen Änderungen. Außerdem steigt ihre Störanfälligkeit mit der Komplexität. Einen Ausweg bietet die Grundidee von Industrie 4.0: In sich selbst organisierenden, intelligenten Produktionsprozessen agieren Produkte, Maschinen, Menschen, Anlagen und Logistik autonom. Moderne Informations- und Kommunikationstechnik befähigen sie, relevante Daten und Informationen in Echtzeit auszutauschen.

Die in Ingolstadt ansässige Unternehmensberatung BLSG AG beschäftigt sich aktuell mit der Fragestellung, wie sich ein solches dezentrales Produktionssystem in bestehende Fertigungsstrukturen implementieren lässt. Die Vernetzung und Verlagerung der Entscheidungsgewalt in dezentrale Elemente soll die gesamte Wertschöpfungskette flexibler und effizienter machen. Dies kann einen wertvollen Beitrag dazu liefern, die Wettbewerbsfähigkeit bestehender Produktionsstandorte zu sichern.

Modifizierung der Schlupfzeit

Das Konzept sieht vor, dass sämtliche Objekte – unter anderem Teile, Produkte, Fördertechniken und Industrieroboter – einer Produktionslinie mit der notwendigen Intelligenz ausgestattet werden. Hardware- und Software-Komponenten befähigen die Objekte, selbstständig Entscheidungen zu treffen, wie sie mit ihrer Umgebung intelligent interagieren. So kann beispielsweise der Liefertermin als wichtiges Steuer- bzw. Entscheidungskriterium festgelegt werden.

Um zu entscheiden, welcher Fertigungsauftrag im System den Vorzug erhält, berechnet jeder Fertigungsauftrag eine Art Schlupfzeit - also die verbleibende Restzeit eines Fertigungsauftrages bis zu einem Liefertermin abzüglich der Bearbeitungs- und Mindestübergangszeiten. Derjenige Auftrag, der im Vergleich zu anderen entscheidungsrelevanten Fertigungsaufträgen die kleinste Schlupfzeit hat, bekommt die höchste Priorität zugewiesen.

Zusätzlich berücksichtigt das Konzept Nacharbeitszeiten und -quoten, die im Liefertermin vorgehalten werden. Sie werden permanent von den betroffenen Anlagen erfasst und bei Änderungen an die relevanten Fertigungsaufträge kommuniziert, wodurch sich die Schlupfzeit und gegebenenfalls die Priorität dieser Fertigungsaufträge ändern. Da das System selbstständig verspätete Aufträge priorisiert und den optimalen Fertigungsablauf wählt, gewährleistet diese Steuerungslogik auch bei unerwarteten Störungen oder Änderungen eine optimale Liefertermintreue.

Modellfabrik mit intelligenter Produktion

Die Einflüsse der verschiedenen Steuerungsparameter konnte die BLSG AG in einer Modellfabrik erproben. In dieser Modellfabrik aus Fördertechnikelementen mit einem Mehrstrangpuffer und fiktiven Bearbeitungs- und Nacharbeitsstationen agiert jeder Fertigungsauftrag autonom und trifft seine Entscheidungen unter Berücksichtigung der weiteren Fertigungsaufträge im System.
Zusätzlich konnten in der Modellfabrik verschiedene Szenarien wie Maschinenstörungen und Auftragsänderungen simuliert werden. Das Konzept zeigte in dieser Laborsituation einen vielversprechenden Ansatz, den erhöhten Anforderungen des Marktes an Flexibilität und Robustheit gegenüber Störungen zu entsprechen.

Industrie 4.0: Historische Entwicklung

Man unterscheidet vier prägende Abschnitte, die in der Literatur häufig als „Revolutionen“ bezeichnet werden. Im 18. Jahrhundert begann die industrielle Revolution mit dem Einsatz von Dampfmaschinen. Die beginnende Automatisierung sowie die Einführung von arbeitsteiliger Massenfertigung führten zur zweiten industriellen Weiterentwicklung. Der dritte Abschnitt der industriellen Entwicklung zeichnet sich durch den Einsatz von Industrierobotern und dem zunehmenden Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik (KIT) aus. Gleichzeitig ist der dritte Abschnitt der industriellen Entwicklung von einer zunehmenden Individualisierung der Massenfertigung geprägt. Als vierte industrielle Revolution gilt unter der Bezeichnung Industrie 4.0 die intelligente Fabrik mit ihren cyberphysischen Systemen.