Gesundheitsdaten als wichtiger Standortfaktor

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Für ein Unternehmen, das vorteilhaft wirtschaften möchte, spielen Standortfaktoren eine große Rolle. Neben beispielsweise Infrastruktur, Arbeitskräften, Steuern und Fördermitteln sind Gesundheitsdaten für die Wertschöpfung in der industriellen Gesundheitswirtschaft auch ein wichtiger Faktor. Erfahren Sie im Interview mit Sebastian Hilke, Leiter der ZD.B-Themenplattform Digitale Gesundheit/Medizin bei Bayern Innovativ, was man sich genau unter dem Standortfaktor Gesundheitsdaten vorstellen kann, wie wertvoll Gesundheitsdaten für die industrielle Gesundheitswirtschaft wirklich sind und was das für Auswirkungen hat.

Sebastian, du warst Teil einer Studie, die sich mit dem Thema Standortfaktor Gesundheitsdaten beschäftigt hat. Was wurde da genau gemacht?

Sebastian Hilke: Die Studie „Zugang zu Gesundheitsdaten als Standortfaktor für Unternehmen in der Medizintechnologie und Biotechnologie”, kurz „Standortfaktor Gesundheitsdaten“, ist das Ergebnis eines Cross-Clusterprojektes zwischen den Clustern Biotechnologie und Medizintechnik sowie der Themenplattform Digitale Gesundheit/Medizin, die 2022 durchgeführt wurde. Im Rahmen des Projekts und einer begleitenden Masterarbeit haben wir die Studie entworfen, qualitative Interviews mit Experten geführt und eine quantitative Umfrage durchgeführt und alles entsprechend ausgewertet.


Was sind Gesundheitsdaten und wo kommen diese her?

Grundsätzlich zählen alle Daten, die im Rahmen einer medizinischen, pflegerischen oder anderen Versorgung entstehen, zu Gesundheitsdaten. Diese werden beispielsweise bei einer Operation im Krankenhaus, bei der Behandlung beim Hausarzt oder im Pflegeheim erhoben. Dazu zählen Labordaten wie Blutwerte, Diagnosen oder die zu den Diagnosen durchgeführten Therapien wie verabreichte Medikamente. Aber auch Abrechnungsdaten von Krankenhäusern oder Arztpraxen, die bei den Krankenkassen liegen, kann man zu Gesundheitsdaten zählen. Wichtig beim Umgang mit Gesundheitsdaten ist auch das Thema Datenschutz und Datensicherheit, weil es sich hierbei um sehr sensible Daten handelt.


Welche Fragestellungen wurden in der Studie konkret behandelt?

Wir wollten rausfinden, welche Bedeutung medizinische bzw. Gesundheitsdaten für die Produktdefinition, Entwicklung und im Rahmen der Zulassung und Marktnachbeobachtung von Medizinprodukten haben. Befragt wurden dabei Unternehmen aus den Bereichen Biotechnologie, Medizintechnik und Digital Health. Dabei stand die übergeordnete Frage im Vordergrund: Kommen Unternehmen in Bayern für eben die oben genannten Zwecke an die von ihnen benötigten Daten oder nicht? Wir haben auch nachgefragt, was sie machen, wenn sie nicht an diese Daten in Bayern oder am Standort Deutschland kommen und ob sie dann in andere Länder gehen, um dort diese Daten zu erhalten.


Was kam explizit bei der Studie heraus?

Als erstes wurden die Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben, gefragt, ob sie externe Gesundheitsdaten nutzen. In allen drei Branchen wurde diese Frage von mehr als der Hälfte der Unternehmen mit „Ja” beantwortet. Diese Unternehmen wurden dann weiter befragt. Neben Fragen wie, welche Datenquellen oder Datentypen nutzen Sie, war die spannendste Frage: Können Sie alle Daten, die sie benötigen, in Deutschland erhalten? Die Antwort darauf war über alle drei Branchen hinweg eindeutig. Der Großteil der Unternehmen, dreiviertel bis zweidrittel je nach Branche, hatten keinen Zugang zu solchen Daten. Das heißt, diese Daten müssen sich die Unternehmen woanders zum Beispiel in anderen Ländern besorgen.


Es braucht aber grundsätzlich, und das nicht nur für die industrielle Gesundheitswirtschaft verlässliche, sichere Rahmenbedingungen, was den Zugang zu Gesundheitsdaten angeht. Hier sprechen wir von entsprechenden Strukturen, die aufgebaut werden müssen, die einen niederschwelligen und mit überschaubaren Aufwand verbundenen Zugang zu den benötigten Daten ermöglichen.

Sebastian Hilke Leiter der ZD.B-Themenplattform Digitale Gesundheit/Medizin, Bayern Innovativ GmbH


Was sind die Hinderungsgründe in Deutschland, dass die Unternehmen oder ein Großteil der Unternehmen keinen Zugang zu solchen Daten hat?

Über alle drei Branchen hinweg war die Meinung einstimmig. Die drei Hauptgründe waren die eingeschränkte generelle Verfügbarkeit und der eingeschränkte Zugang zu solchen vorhandenen Daten. Das heißt, dass es keine einheitlichen Strukturen oder Prozesse gibt, um auf solche Daten zuzugreifen. Als dritter Punkt wurde der Datenschutz beziehungsweise die Datenschutzregularien wie die DSGVO oder andere Gesetze und deren Auslegungen genannt. Die aufgeführten Punkte sind Dinge, die in Gesprächen in den letzten Jahren immer wieder als Hürden beim Zugang zu Gesundheitsdaten oder in der Digitalisierung im Gesundheitswesen generell erwähnt wurden.

Gibt es Länder, in denen es besser als in Deutschland funktioniert?

Hier wurden als Quellen für den Zugang zu Gesundheitsdaten außerhalb Deutschlands die USA und andere europäische Länder benannt. Das heißt, es ist in europäischen Ländern wie zum Beispiel Finnland oder Dänemark, die ja der gleichen EU-Datenschutzverordnung wie Deutschland unterliegen, viel leichter an die benötigten Daten zu kommen und auf diese zuzugreifen. Aber nicht nur bei der Auslegung des Datenschutzes wird in diesen Ländern viel mehr gemacht, sondern dort wurden auch teilweise schon frühzeitig entsprechende Datenbanken und Infrastrukturen aufgebaut, um den Zugang zu solchen Gesundheitsdaten zu erleichtern und zu ermöglichen. Das ist auch der Grund, warum es Unternehmen gibt, die ihren Forschungs- und Entwicklungsstandort oder ihre Einrichtungen dorthin verlagern oder dort aufbauen.


Was bedeutet das in diesem Bereich für Deutschland oder auch für Bayern?

Das heißt, dass Bayern oder Deutschland nicht ganz vorne mitspielt, was die Attraktivität des Standorts für Unternehmen aus Biotechnologie, Medizintechnik oder Digital Health, die mit Gesundheitsdaten arbeiten, angeht. Im Gegenteil, das kann bedeuten, das Unternehmen an einen Standort abwandern, an dem diese Rahmenbedingungen besser sind. Wir müssen also schauen, dass wir den Standort wieder attraktiver machen, um mehr Unternehmen bzw. Forschung & Entwicklung hierherzubringen beziehungsweise hier zu halten.


Wurde untersucht, was man tun kann, um die Situation zu verbessern?

Ja. Dazu wird es noch ein Folgeprojekt geben, in dem wir detaillierter nachfragen.
Es braucht aber grundsätzlich, und das nicht nur für die industrielle Gesundheitswirtschaft verlässliche, sichere Rahmenbedingungen, was den Zugang zu Gesundheitsdaten angeht. Hier sprechen wir von entsprechenden Strukturen, die aufgebaut werden müssen, die einen niederschwelligen und mit überschaubaren Aufwand verbundenen Zugang zu den benötigten Daten ermöglichen. Auch die Auslegung des Datenschutzes muss überdacht werden. Der Datenschutz soll nicht aufgeweicht werden. Es braucht für die verantwortlichen Datenschützer oder Einrichtungen einfach verlässliche Vorgaben und Auslegungen, an denen sie sich orientieren können. Aktuell gibt es den European Health Data Space oder das Gesundheitsdatennutzungsgesetz als Beispiele in diesem Bereich, die zukünftig noch wichtig werden. Beide Vorhaben rücken die sogenannte Sekundärdatennutzung, also die Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung & Entwicklung, in den Fokus. Das wird sicherlich für den Standort Bayern beziehungsweise Deutschland interessant werden. Bei beiden Vorhaben gibt es allerdings Punkte, die zu diskutieren sind und hoffentlich für alle zufriedenstellend gelöst werden. Im Freistaat Bayern gibt es gerade für Forschungsprojekte eine Initiative, entsprechend eine Infrastruktur aufzubauen, um solche Daten aufzubewahren und zu teilen. Es bewegt sich also einiges im Moment, und wir können gespannt sein, was die Zukunft hier noch bringen wird.

Das Interview führte Dr. Petra Blumenroth, Projektmanagerin Technologie I Frugale Innovation bei der Bayern Innovativ GmbH.


Der Standort Deutschland braucht Gesundheitsdaten!

Für ein Unternehmen, das vorteilhaft wirtschaften möchte, spielen Standortfaktoren eine große Rolle. Neben beispielsweise Infrastruktur, Arbeitskräften und Steuern, sind Gesundheitsdaten für die Wertschöpfung in der industriellen Gesundheitswirtschaft auch ein wichtiger Faktor. Wie wertvoll diese wirklich sind und was das für Auswirkungen hat, darüber spricht Dr. Petra Blumenroth mit Sebastian Hilke, der die ZD.B-Themenplattform Digitale Gesundheit und Medizin leitet.

Sie können die vollständige Studie hier herunterladen:

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Sebastian Hilke