Digitalisierung bayerischer Bauernhöfe – Landwirtschaft 4.0

Die Zukunft der Landwirtschaft ist digital und das Angebot der digitalen Möglichkeiten in der Landwirtschaft wird immer breiter. Knapp ein Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe Deutschlands sind in Bayern und gerade die bayerischen Landwirt:innen gelten als Vorreiter der digitalen Transformation. Das sind gute Voraussetzungen für eine lebendige Landtechnikbranche!

Im nachfolgenden Interview skizzieren Philipp Horsch – Geschäftsführer der Horsch Maschinenbau GmbH – und Heribert Reiter - Vice President und Geschäftsführer Forschung und Entwicklung, Einkauf und Kundendienst bei AGCO/Fendt - die vielen spannenden digitalen Möglichkeiten in der Landwirtschaft.

Transkription Digitalisierung Bauernhöfe
Die bayerischen Landwirt:innen gelten als Vorreiter der digitalen Transformation.

Herr Horsch, wie kann man sich die digitale Landwirtschaft vorstellen?

Philipp Horsch: Unsere Branche hat bereits vor ca. 30 Jahren begonnen, Geräte zu automatisieren und elektronische Steuerungen in Geräte einzubauen. In den 90er Jahren kam dieser technologische Fortschritt auch bei Traktoren zum Einsatz. Übrigens - das Thema der Datenschnittstellen, die auch über Herstellergrenzen hinweggehen, ist in Bayern entstanden. Und aus diesen bayerischen Bemühungen Anfang der 90er Jahre ist letztendlich der ISOBUS entstanden – eine weltweite Schnittstelle für Landtechnik. Vor ca. 20 Jahren kam außerdem das GPS-Leitsystem hinzu - also automatische Lenksysteme für Traktoren, Mähdrescher, selbstfahrende Arbeitsmaschinen usw. Heute ist das der Standard in der Landtechnik und immer mehr Automatisierungsprozesse etablieren sich in der Landwirtschaft.

Können Sie Beispiele für solche Automatisierungen nennen?

Philipp Horsch: Gerne. Wir setzen heute in der praktischen Landwirtschaft Ackerschlagkarteisysteme ein. Wir sind teilflächenspezifisch unterwegs - das heißt, wir werden selbst den heterogenen Situationen in der Landwirtschaft gerecht. Und damit einhergehend haben seit vielen Jahren natürlich Dokumentationsbestrebungen Einzug gehalten. Hier geht es darum, die landwirtschaftliche Produktion sowohl am Feld als auch im Stall lückenlos und nachvollziehbar zu dokumentieren. Diese Entwicklung muss man natürlich vor dem Hintergrund sehen, dass wir in der Landwirtschaft durchaus sehr schwierige Rahmenbedingungen haben.

Welche Herausforderungen müssen denn die bayerischen Landwirt:innen meistern?

Philipp Horsch: Wir sind grundsätzlich auf dem Land, also in der Fläche unterwegs. Demnach haben Landwirt:innen oft mit widrigen Umweltbedingungen zu “kämpfen” und stehen vor großen Herausforderungen im Umgang mit digitalen Themen. Denn sie haben keine IT-Abteilungen im Hintergrund, um die technischen Probleme zu lösen. Sie müssen die Fehler selbst beheben. Wir sind in dieser Branche heute wirklich auf höchstem Niveau unterwegs.

Und welche Trends bestimmen die Landwirtschaft?

Philipp Horsch: Ich würde sagen, die Megatrends in unserer Gesellschaft: Umweltschutz, Klimaschutz, Tierschutz und natürlich Digitalisierung. Da geht es um Effizienzsteigerungen im Pflanzenschutz und in der Düngung durch vielfältige digitale Lösungen. Wir sehen sehr viel Sensorik und Diagnostik in den Geräten. Wir sind auch schon so weit, dass wir online in Echtzeit Regelsysteme einsetzen. Auch werden teilflächenspezifische Systeme (section control) verwendet um einzelne Sektionen der Maschinen unabhängig voneinander einzusetzen und zu regulieren, sowie der Einsatz von biologische Pflanzenschutzmitteln. Auch die brauchen immer mehr Digitalisierung in der Technik, denn sie müssen präziser ausgebracht werden. Der Zukunftstrend bzw. das Ziel ist natürlich die fortschreitende Autonomisierung in der Landwirtschaft – analog anderer Industriezweige. Und ich glaube, dass uns diese Entwicklung insgesamt helfen wird, Landwirtschaft wieder attraktiver für die nachfolgenden Bauerngenerationen und Menschen, die im landwirtschaftlichen Umfeld Arbeit suchen, zu gestalten. Ich bin außerdem davon überzeugt, dass diese Entwicklung helfen wird, die Akzeptanz der Landwirtschaft in der Gesellschaft zu erhöhen. Und ich hoffe, dass es gelingt, dadurch die Einkommenssituation in der Landwirtschaft wieder mehr ins Lot zu bringen, um mit einer gewissen Sicherheit in die Zukunft zu starten.

Trends lösen oftmals einen blinden Aktionismus aus, ohne dass sich vorher eine zielführende Strategie überlegt wird. Wie digital müssen unsere Landwirt:innen wirklich sein? Und worauf kann noch verzichtet werden?

Philipp Horsch: Landwirt:innen sind heute schon stark digitalisiert aufgestellt. Aus meiner Sicht ging es hierbei bisher überwiegend um das Thema Arbeitserleichterung – also erleichternde Lenksysteme für Geräte, Schlagkarteien für ein besseres Management am Acker usw. Ich denke, zukünftig werden mehr die Produkte und die Bedürfnisse der Verbrauchenden in den Fokus rücken. Also, digitale Lösungen, die einen Mehrwert für den Verbrauchenden erzeugen – zum Beispiel lückenlose Dokumentation, wie z.B. der Nachweis von bestimmten Produktionsverfahren oder einer rückstandsfreien Produktion. So bleiben Landwirt:innen wettbewerbsfähig.

Blinden Aktionismus sehe ich durchaus, wenn herstellende Unternehmen den Landwirt:innen suggerieren “Lass den Computer für Dich entscheiden und Du wirst mehr Erträge haben”. Solche Versprechen sind meiner Meinung nach ein Trugschluss, denn Landwirt:innen arbeiten in der Natur, also in einem heterogenen Umfeld. Und hier wird man immer Menschen mit einem guten Gefühl für ihre Arbeit benötigen. Nur durch die Kombination von Fachkenntnis, einem gewissen Geschick und technischer Arbeitserleichterung kann man das Optimum erreichen. Von einer Art “Rezept Landwirtschaft”, die ausschließlich auf Künstlicher Intelligenz (KI) basiert, rate ich ab.

Herr Reiter, wie gut werden die “empfohlenen” Trends bereits von den Landwirt:innen in Bayern umgesetzt?

Heribert Reiter: Herr Horsch hat schon ein sehr umfassendes Bild gezeichnet, wie digitale Lösungen von den Landwirt:innen in Deutschland, die sehr offen für solche Anwendungen sind, genutzt werden. Es spielt aber nicht nur die Automatisierung von Maschinen eine wichtige Rolle. Ebenso sind in der kompletten, landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette die Themen Datenverarbeitung, Ertragskartierungen und -erfassungen zum Beispiel für Abrechnungen auch im ganzen Management-Bereich wichtig. Vor allem junge affine Anwender:innen sind sehr offen und nutzen solche Anwendungen via Smartphone oder iPad bereits. Trotzdem gibt es noch viele Insellösungen und die Kompatibilität der Daten und Systeme ist noch ein Problem. Es gibt – gerade in Bayern – viele Test-Betriebe, die uns wertvolle Hinweise und Wünsche zur Handhabung der digitalen Anwendungen geben.

Aber auch in den der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Bereichen, den Geschäftspartnern der Landwirt:innen, sind vor allem Datenintegrität und Datenschnittstellen ein großes Thema. Es ist eine reibungslose und barrierefreie Übertragung der Daten notwendig, um Auswertungen zum Beispiel über Dünger- oder Pestizidverbrauch zu erstellen. Wie überall gibt es hier First-Mover, die vieles ausprobieren, aber die meisten Landwirte:innen wollen gerne einfache, fertige Lösungen haben, quasi Plug and Play.

Herr Reiter, Sie arbeiten für AGCO/Fendt, ein bayerisches Traditionsunternehmen, das nun mit einem amerikanischen Konzern fusioniert. Welche Innovationen entwickeln Sie aktuell?

Heribert Reiter: Wie ich gerade erwähnt habe, spielt für Landwirt:innen insbesondere die Datenverarbeitung und -sicherheit eine Rolle aber auch die ökologischen Aspekte rund um die Nachhaltigkeit, Umwelt und Klima rücken in den Vordergrund . Wir sprechen hier einerseits von Maschinen-Daten und andererseits von “Büro-Daten”. Und wir möchten durch digitale Lösungen dabei unterstützen, dass diese beiden Bereiche künftig “automatisch” zusammenwachsen, so dass letztendlich der landwirtschaftliche Prozess ganzheitlich digitalisiert wird.

Und wie sieht das bei der Firma Horsch Maschinenbau aus? Was ist der nächste Geniestreich in Ihrem Haus?

Philipp Horsch: Die Firma Horsch Maschinenbau fokussiert sich aktuell auf die beiden Themenbereiche Connectivity und Autonomisierung. Wir sind dabei, Connectivity für alle Geräte anzubieten, so dass diese in die Cloud verbindbar sind. Daraus ergibt sich für Landwirt:innen ein ganzer Blumenstrauß an Möglichkeiten und es liegt an ihnen, wie sie die Chancen in den Bereichen Service, Support, Dokumentation, Telemetrie u. v. .m. nutzen.

Der größte Zukunftsbereich ist für mich ist jedoch die Autonomisierung, so dass die Geräte eines Tages mann-/fraulos auf dem Acker unterwegs sind. Vermutlich werden wir viele verschiedene Lösungen entwickeln, weil wir eine heterogene Branche mit individuellen Kundenbedürfnissen sind. Konkret arbeiten wir jedoch an präzisen, effizienten und ressourcenschonenden Konzepten in den Bereichen der Bodenbearbeitung, Saat und Pflege. Ziel unserer Innovationen ist es immer, die Produktionskosten zu senken und die Produktivität zu steigern, so dass die Landwirt:innen sich voll und ganz den Wünschen der Verbrauchenden wie Umweltbewusstsein und Produktqualitäten widmen können.

Herr Horsch, Sie sind seit diesem Jahr Sprecher unseres Kompetenz-Netzwerks Digitale Landwirtschaft Bayern (KNeDL) – können Sie abschließend die drei größten Herausforderungen für die digitale Transformation der Landwirtschaft zusammenfassen?

Philipp Horsch: Mir fällt sofort das Thema Funknetzabdeckung und stabile Internetverbindung am Land ein. In diesem Bereich haben wir wirklich einen großen Nachholbedarf. Auch hier in Bayern. Eine weitere Herausforderung wird die Nutzerfreundlichkeit und Sicherheit digitaler Anwendungen sein, die wir als Hersteller in den Vordergrund stellen müssen. Last but not least: Wir dürfen die Wirtschaftlichkeit nicht aus den Augen verlieren. Es muss sich am Ende auch für die Landwirt:innen rechnen. Hier wird sich sicherlich die Spreu vom Weizen trennen und unsinnige digitale Anwendungen werden am Markt nicht überleben.

Herr Reiter, möchten Sie noch etwas ergänzen?

Heribert Reiter: Das mit der Funknetzabdeckung kann ich nur bestätigen, da haben wir sehr großen Nachholbedarf. Wir brauchen nicht unbedingt 5G, aber 4G in der Fläche würde für uns ja schon in vielen Dingen reichen.

Landwirtschaft ist die Basis für die Ernährung der Menschen und das wird sich so schnell auch nicht ändern. Neben der Wirtschaftlichkeit, die wir in den letzten Jahrzehnten stark optimiert haben, rücken die ökologischen Aspekte zunehmend mehr in den Vordergrund. Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Akzeptanz werden meiner Meinung nach eine große Rolle spielen. Wir sehen, dass die Gesellschaft nicht mehr bedingungslos akzeptiert, wie Landwirtschaft betrieben wird. Die Digitalisierung hilft bei der Bewältigung dieser Herausforderungen unwahrscheinlich.

Aber bei allem was man tut, denke ich muss man immer im Fokus haben, dass es einen Nutzen für die Kunden und auch für die Gesellschaft bringt und dass man nicht nur irgendetwas macht, weil es machbar ist. Und zum Schluss sage ich immer die Technik soll dem Menschen dienen und nicht umgekehrt.

Das Interview führte Christian Metz, Leiter des Kompetenz-Netzwerks Digitale Landwirtschaft Bayern bei der Bayern Innovativ GmbH.

Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an:

Landtechnik aus Bayern: Digitaler Vorreiter weltweit?!

Knapp ein Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe Deutschlands sind in Bayern. Das sind doch gute Voraussetzungen für eine lebendige Landtechnikbranche?!
Christian Metz - Leiter des Kompetenz-Netzwerks Digitale Landwirtschaft Bayern - spricht mit Philipp Horsch, CEO Horsch Maschinen GmbH - und Heribert Reiter, Vice President und Geschäftsführer Forschung und Entwicklung, Einkauf und Kundendienst bei AGCO/Fendt.

Ihr Kontakt

Christian Metz