Wärmewende in Gebäuden - Warum ist das so schwierig?

Autor: Prof. Dr. Jochen Fricke, Cluster Energietechnik (Stand: August 2016) Energetische Gebäude-Sanierung viel zu langsam, Heizen mit PV- und Wind-Strom nicht ergiebig genug. Billiges Öl führt zu einer Renaissance der Ölheizung.

Für die Beheizung der Wohnungen in Deutschland werden erhebliche Mengen an Energie benötigt. Da spielt auch ein „Luxusproblem“ eine wichtige Rolle: Die personen-bezogene Wohnfläche ist nämlich von ca. 7 m²/Kopf (meist nur teilbeheizt) nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute recht kontinuierlich auf 44 m²/Kopf (meist voll beheizt)  angestiegen. Durch die energetische Sanierung eines Teils der alten Gebäude, und Neubau wurde der flächen-bezogene Wärmebedarf von etwa 250 kWh/(m²∙a) in den 1970er Jahren  heute auf etwa 160 kWh/(m²∙a) reduziert. Die beiden gegenläufigen Entwicklungen führten zu einem flachen Maximum im personen-bezogenen jährlichen Heizenergieverbrauch um die Jahrtausendwende von ca. 7500 kWh/(Kopf∙a), der heute erst auf ca. 7100 kWh/(Kopf∙a) zurückgegangen ist.

Der Gesamtheizbedarf in Deutschland lässt sich hieraus bei einer Bevölkerung von 80 Mio. Personen zu etwa 560 TWh (1 Terawattstunde = 1 Mrd. kWh) abschätzen. Gedeckt wird dieser Bedarf aus ca. 20 Mio. Heizanlagen. Mehr als 70% davon sind alt. Die Deckungsanteile sind 150 TWh aus den etwa 5 Mio. Öl-Brennern, 300 TWh aus den ca. 13 Mio. Gas-Brennern, 50 TWh aus Fernwärme und 70 TWh aus Regenerativen. Wärmeenergie aus Öl verursacht im Gebäude-Bestand Emissionen von etwa 550 g CO2/kWh, Erdgas von etwa 450 g CO2/kWh und Fernwärme von etwa 130 g CO2/kWh. Wenn wir die (durchaus merklichen) CO2 Emissionen beim  Einsatz von Regenerativen vernachlässigen, erhalten wir somit eine heizungsbedingte Emission von etwa 220 Mio. t CO2 im Jahr. Dies entspricht einem fast 30 %igen Anteil an den energiebedingten CO2 Emissionen in Deutschland. (Es sei angemerkt, dass bei neuen Heizsystemen die Emissionen deutlich niedriger liegen, etwa bei 300 g CO2/kWh für Öl und bei 240 g CO2/kWh für Gas.)

Ziel der Bundesrepublik ist es, auch im Verbrauchs-Sektor Gebäude zu einer wesentlichen Reduktion der CO2 Emissionen zu kommen. Während zu hoffen ist, dass die stringenten Vorgaben für die Wärme-Dämmung und die Wärmeversorgung  aus Umwelt-Quellen bei Neubau-Vorhaben weitgehend eingehalten werden, kommt die energetische Sanierung des Bestandes nur zögerlich voran.

Einmal gibt es  grundsätzliche Diskussionen, nämlich um die Nachhaltigkeit von Dämm-Maßnahmen. Gewünscht wären preisgünstige, unbrennbare, ungiftige,  rezyklierbare, leichte und einfach zu installierende  Dämmsysteme mit geringer Wärmeleitfähigkeit und geringem CO2-Footprint. Verfügbar sind u.a. Polystyrol, Polyurethan, Glas/Steinwolle, Mineral-Schäume, Papierschnipsel,  organische Naturprodukte und die hocheffizienten Vakuum-Isolations-Paneele (VIPs).  Die Auswahl wird wohl oft rational getroffen, aber sicher auch stark durch Gerüchte beeinflusst (z.B. „die Fassade muss atmen können“, obwohl Fassaden natürlich luftdicht sind). Die Entscheidung, ob überhaupt gedämmt wird, hängt sehr von den Förderbedingungen ab. Dabei sind Zuschüsse und Steuervergünstigungen heute bei quasi Null-Zins-Bedingungen wesentlich attraktiver als Kredite.  

Hoher Sanierungsbedarf

Fakt ist, dass von den ca. 20 Mio. deutschen Altbau-Wohneinheiten jährlich höchstens ein Anteil von ca. 1% energetisch saniert wird - man spricht daher von einem Jahrhundert-Problem. Vor allem wegen eines begrenzten Handwerker-Potentials, insbesondere des Handwerker-Nachwuchses, wird wohl auch zukünftig keine wesentlich höhere Sanierungs-Rate erreicht werden können. Auch die Erneuerung der fast 20 Mio. Heizungssysteme kommt nur schleppend voran, mit ca. 500 000 Heizungserneuerungen pro Jahr.  

Da drängt sich die Frage auf, ob und gegebenenfalls wie sich die heizungsbedingte Emission von etwa 220  Mio. t CO2 im Jahr anderweitig spürbar reduzieren lässt? Der mehrfach geäußerte Vorschlag heißt: Power-To-Heat (P2H). 

Der Ausbau der Photovoltaik (PV) in Deutschland hat Ende 2015 zu einer installierten Leistung von etwa 40 GW geführt. Die installierte Leistung von Windenergieanlagen zu Lande und auf dem Meer lag bei etwa 45 GW.  Die diesbezügliche Strom-Einspeisung hat zu erheblichen Fluktuationen in der Strombereitstellung, ja sogar zu negativen Preisen an den Strom-Börsen geführt. Da thermische Speicher viel preisgünstiger als elektrochemische Speicher zu realisieren sind, hat der Vorschlag,  vor allem regenerativen „Überschuss“-Strom für Heizzwecke einzusetzen, zum Konzept  P2H geführt.  

Ein ähnliches P2H Konzept gab es bereits in der Vergangenheit, als in „Nachtstrom-Speicherheizungen“ vor allem preisgünstiger Kernenergie-Strom nachts zur Erhitzung von Hochtemperatur-Wärmespeichern eingesetzt wurde. Tagsüber wurde die gespeicherte Wärme dann  über freie Konvektion oder durch ein Gebläse in der Wohnung verteilt. Die vor allem nuklear-gespeiste Nachtstrom-Speicherheizung ist wohl passé.

Ist Power to Heat die Lösung?

Könnte also regenerativ (also auch CO2-arm) erzeugter  Strom zukünftig für die Gebäudeheizung einen wesentlichen Beitrag leisten? Besonders einfach und preiswert ist die Installation eines Heizstabes im Warmwasser-Speicher.  Thermodynamisch zu bevorzugen ist allerdings der Einsatz von Kompressions-Wärmepumpen zur Wärmeerzeugung. Bei einer Güteziffer oder Leistungszahl beispielsweise von 3.5 wird aus einer Strommenge von X Joule eine Wärmemenge von 3.5∙X Joule bereitgestellt. Auch thermisch gedämmte Hochtemperatur-Keramik-Speicheröfen mit Standzeiten von einigen Tagen kommen für P2H infrage.

Die jährlich eingespeisten PV-Strombeiträge liegen derzeit bei 38 TWhel, davon entfallen auf die Heizperiode Oktober bis März ca. 25%, also ca. 10 TWhel. Da es in Deutschland nur ca. 600 000 Wärmepumpen gibt, die vor allem in Niedrigenergie-Häusern mit einem Heizungsbedarf von ca. 3000 kWhel installiert sind, lassen sich davon nur ca. 1.8 TWhel nützen und in ca. 6 TWh thermische Energie umsetzen. Der Rest von ca. 8 TWhel kann nur in Heizstäben verwertet werden. Insgesamt würden also ca. 14 TWh thermisch erzeugt werden können, was etwa 2.5% der benötigten Heizenergie decken würde. Falls allerdings nur der PV-„Überschuss“-Strom hierfür eingesetzt werden soll oder kann, liefert die Photovoltaik praktisch keinen Beitrag zur CO2-Reduzierung bei der Hausheizung.

Der jährliche Strom-Ertrag aus den Windenergie-Anlagen von 80 TWhel ist im Norden wesentlich höher als im Süden und im Winter höher als im Sommer. In der Heizperiode stehen ca. 50% oder etwa 40 TWhel zur Verfügung. Diese können mittels Heizstäben in die entsprechende Menge an Wärmeenergie umgesetzt werden, was ca. 7% des deutschen Heizenergie-Bedarfs entspricht. Voraussetzung ist allerdings, dass der vor allem im Norden erzeugte Windenergiestrom in ganz Deutschland verteilt werden kann. Dies setzt die Realisierung entsprechend leistungsfähiger  Nord-Süd-Höchstspannungsleitungen voraus.

Die ernüchternde Erkenntnis ist, dass P2H zwar hilft, Stromspitzen zu kappen. P2H führt aber - bei der derzeit installierten PV- und Windenergie-Leistung sowie den fehlenden Höchstspannungsleitungen - zu keiner merklichen Reduzierung der CO2-Emissionen bei der Hausheizung. Die diesbezügliche „Wärmewende“ findet also  erstmal nicht statt, zumal ja Erdgas und Heizöl mit mehr als 75% die dominierenden Heiz-Energieträger sind und wegen der niedrigen Erdöl-Preise wohl auch noch bleiben werden.