Thermoelektrik - Strom aus Wärme

Autor: Prof. Dr. Jens Pflaum und Prof. Dr. Jochen Fricke, Physikalisches Institut, Universität Würzburg (Stand: Mai 2016) Energieeffizienz wird als entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende genannt. Energieeffizienz bedeutet die Realisierung einer bestimmten Aufgabe mit möglichst geringem Energieaufwand. So sollen Kraftwerke, elektrische Antriebe und Verbrennungs-Motoren, Heizanlagen aber auch Verfahrensprozesse in der chemischen Industrie mit möglichst hohem Wirkungsgrad operieren und durchgeführt werden. Alle diese Anlagen und die stattfindenden Prozesse produzieren jedoch in großem Maße ungenutzte „Abwärmen“; in Deutschland sind dies jährlich mehrere tausend TWh, und Schätzungen zufolge gehen mindestens 20% des jährlichen Energieverbrauchs von weltweit mehr als 50.000 TWh in Form von Niedertemperaturwärme (< 200 °C) verloren. Könnte man diese Menge nutzbar machen, ließe sich der Bedarf an elektrischer Energie in der gesamten Europäischen Gemeinschaft decken [1]. Allerdings fallen die Abwärmen bei sehr unterschiedlichen Temperaturen an. Je höher die Temperaturen sind, d.h. je höher die Unterschiede (s.u.) gegenüber der Umgebungstemperatur sind, desto besser sind die Chancen, Abwärmen zu nutzen, anstatt sie in die Umgebung abzugeben. Viele Prozesse und Geräte zur Abwärme-Nutzung werden bereits heute technisch angewendet. Da begegnen uns Namen wie Steam Rankine Cycle, Organic Rankine Cycle, Kalina, Kraft Wärme Kopplung, Rekuperator, Turbolader und Brennwert-Kessel.

Thermoelement
Thermoelement (Bildnachweis: Bayern Innovativ)
Thermobrücke
Thermobrücke (Bildnachweis: Bayern Innovativ)

Thermoelektrik - ein Überblick

Zunehmend wird aber auch an thermoelektrischen Wandlern (TEWs) zur direkten Konversion von Abwärme in elektrische Leistung geforscht.  Der Zugrunde liegende Seebeck-Effekt wurde 1821 von Thomas Johann Seebeck entdeckt: Bringt man die Kontakte zweier Metalle (in Abb.1 Metalle a und b) auf unterschiedliche Temperaturen Th und Tk, so kann man zwischen ihnen eine (Thermo-)Spannung US messen. Diese ist proportional zur Temperatur-Differenz ΔT = Th –Tk und beträgt  für ΔT =100K bei einer Metall-Kombination Kupfer-Konstantan-Kupfer etwa 4 mV. Ein derartiges Thermoelement ist – miniaturisiert -  ideal zur Temperaturmessung. 

Wesentlich höhere Thermospannungen von typischerweise 20 mV/100 K lassen sich mit n- und p-dotierten Halbleitern (HL) erzeugen (Abb.2). Die Elektronen im n-dotierten HL sowie die Löcher im p-dotierten HL werden aufgrund ihrer thermisch bedingten Geschwindigkeitsverteilung von der heißen zur kalten Seite des TEWs, also in der schematischen Darstellung von oben nach unten getrieben, sodass ein Strom I durch den Verbraucher R fließt (gezeigt ist die technische Stromrichtung). 

Um die Spannung und damit die elektrische Leistung thermoelektrischer Wandler zu erhöhen ist es  notwendig, die einzelnen HL-Thermoelemente  elektrisch in Serie und thermisch parallel zu verschalten. Eine entsprechende Anordnung ist in Abb. 3 gezeigt.

Elektrische Serienschaltung
Elektrische Serienschaltung (Bildnachweis: Bayern Innovativ)
Optimierung von Z-T
Optimierung von Z - T (Bildnachweis: Bayern Innovativ)

Generell stehen zur Realisierung einer effizienten thermoelektrischen Konversion unterschiedliche Materialkonzepte zur Verfügung, die von granularen bis zu lithographisch hergestellten Schichten reichen. Infolge der Optimierung von Materialien, deren Herstellungsverfahren sowie der Bauteilarchitektur ist die Effizienz thermoelektrischer Wandler stetig erhöht worden. Ein quantitatives Maß für die Effizienz eines TEWs stellt der sogenannte ZT-Wert dar. Dieser Gütefaktor hängt linear von der elektrischen Leitfähigkeit σ und dem Quadrat des Seebeck-Koeffizienten α ab, sowie invers proportional von der thermischen Leitfähigkeit λ:                           ZT=(α^2 σ)/λ T . 

Letztere besteht aus einem phononischen Beitrag λph infolge der thermisch angeregten Gitterschwingungen und einem elektronischen Beitrag λe durch den Fluss freier Ladungsträger. Berücksichtigt man im Fall metallischer Festkörper nur den elektrischen Beitrag zur Wärmeleitfähigkeit, folgt aus dem Wiedemann-Franz-Gesetz λe = LT  ZT = α^2/L mit der Lorenz-Zahl L = 2.4·10-8 V2 K-2, so dass ein ZT-Wert von 1 einen Seebeck-Koeffizienten von mindestens 155 µV/K erfordert.     

Die Optimierung der individuellen materialspezifischen Parameter stellt eine große Herausforderung dar, da diese nicht unabhängig voneinander variiert werden können. Durch die Zunahme der Dotierkonzentration lassen sich beispielsweise die Ladungsträgerdichte in Halbleitern und damit deren elektrische Leitfähigkeit σ erhöhen. Allerdings wird bei steigender Dotierung auch der Seebeck-Koeffizient α reduziert, aufgrund der abnehmenden potentiellen Energie der freien Ladungsträger. Zudem steigt der elektronische Beitrag λe zur Wärmeleitfähigkeit mit der Ladungsträgerdichte an und wirkt infolge der reziproken Beziehung einer Steigerung des ZT-Wertes entgegen. Die komplexen Abhängigkeiten der thermoelektrischen Größen von der Ladungsträgerkonzentration sind in Abbildung 4 für den Übergang von dielektrischen zu metallischen Festkörpern illustriert, wobei sich für „konventionelle“ TEWs ein Optimum von ZT ≈ 1 im Halbleiter-Bereich für Dichten von etwa n ≈ 1019 cm-3 ergibt. 

Z-T für konventionelle Materialien
Z T für konventionelle Materialien (Bildnachweis: Bayern Innovativ)
ZT für nanostrukturierte Materialien
Z T für nanostrukturierte Materialien (Bildnachweis: Bayern Innovativ)

Abbildung 5 zeigt, dass die realisierten ZT-Maxima intermetallischer Legierungen bei sehr unterschiedlichen Temperaturen auftreten und Anwendungen in einem weiten Temperaturbereich erlauben. Hierbei ist zu beachten, dass der Ladungstransport von Elektronen und Löchern und somit die ZT-Werte einer p- und n-dotierten Legierung stark voneinander abweichen können. Deshalb werden für Anwendungen häufig Mischkristallsysteme eingesetzt, wie etwa (Sb0,8Bi0,2)2Te3 für die n-leitende und Bi2(Te0,8Se0,2)3 für die p-leitende TEW Komponente. Betrachtet man TEWs als Wärmekraftmaschinen kann deren thermodynamischer Wirkungsgrad wie folgt ausgedrückt werden: η=⏟((T_h-T_k)/T_h )┬(η_Carnot )  (√(1+ZT ̅ )-1)/(√(1+ZT ̅ )+T_k/T_h ) wobei T ̅=(T_h-T_k)/2 der gemittelten Temperatur des heißen und kalten Wärmereservoirs entspricht. Die ZT-Werte lassen sich damit in thermodynamische Wirkungsgrade umrechnen, und ein ZT ≈ 1 entspricht grob einem Wirkungsgrad von η ≈ 0.2∙ηCarnot, d.h. die TEWs arbeiten weit unter dem Carnot-Wirkungsgrad. Sie wandeln demnach Abwärme nur zu einem sehr kleinen Anteil in elektrische Energie um. 

Um dies zu verbessern, werden heutzutage nicht-konventionelle, nanostrukturierte TEWs entwickelt. Man zielt dabei auf die Verringerung der Wärmeleitfähigkeit ab, ohne die elektrische Leitfähigkeit signifikant zu reduzieren. Dies wird erreicht, indem die thermoelektrischen Materialien aus sehr dünnen Schichtstapeln (s. Einfügung in Abb. 6) oder Quanten-Punkten aufgebaut werden. Die räumliche Einschränkung der aktiven Transportbereiche führt zu einer starken Streuung der Phononen, als den Trägern der Festkörper-Wärmeleitung. Die Elektronen dagegen können die eingebauten strukturellen Barrieren „durchtunneln“, d.h. die elektrische Leitfähigkeit bleibt generell hoch. Mit diesem Ansatz konnten ZT-Werte von bis zu 3 realisiert werden (Abb.6), jedoch bei einem entsprechend hohen präparativen Aufwand.

Einen alternativen Zugang stellen TEWs dar, die auf polymeren oder molekularen Halbleitern basieren. Die Forschung an organischen thermoelektrischen Wandlern wird nicht nur durch die Aussicht auf eine kostengünstige Herstellung motiviert, z.B. mittels Offset-Druckverfahren, sondern es gibt eine Vielzahl anderer Gründe, die von der enormen Bandbreite nicht-toxischer organischer Verbindungen über den Einsatz flexibler Substrate bis hin zu einem sehr guten Leistung-Gewicht-Verhältnis reichen. Zudem besitzen organische Festkörper in Hinblick auf thermoelektrische Anwendungen einige materialinhärente Vorteile gegenüber anorganischen Halbleitern. Die Bestandteile polymerer und molekularer Festkörper wechselwirken überwiegend durch schwache van der Waals Kräfte miteinander, wodurch sich bereits eine sehr geringe thermische Leitfähigkeit von ca. 1 W m-1 K-1 oder kleiner ergibt. Dotiert man die Halbleiter zusätzlich mit geeigneten organischen oder anorganischen Dotanden, lassen sich in kristallinen Molekülanordnungen elektrische Leitfähigkeitswerte von bis zu 2000 S cm-1 erzielen; man spricht dann auch von organischen Metallen. Zudem bieten organische Halbleiter aufgrund ihrer großen Bandlücken von 1 - 3 eV ein vielfältiges Spektrum an Dotiermöglichkeiten. Z.B. kann für Tetracen-Verbindungen, die im wesentlichen aus vier linear konjugierten Benzolringen bestehen, je nach elektronischer Struktur des Dotanden ein p- oder n-halbleitendes organischen Material realisiert und für TEWs eingesetzten werden. Die wohl bekannteste Anwendung von TEWs zur Stromerzeugung  war die  Strom-Versorgung der Cassini-Raumsonde auf ihrem 7 Jahre dauernden Weg zu Saturn,  seinen Monden und darüber hinaus. Die Wärmequelle war in diesem Fall nicht „Abwärme“ sondern die von 22 kg radioaktivem Plutonium238 erzeugte Hitze (730°C).

Ausblick

Heute konzentrieren sich Entwicklungsaktivitäten nicht nur auf die Verbesserung des ZT-Wertes sondern auch auf die thermisch optimierte Ankopplung der TEWs an die Abwärme-Quellen. Die Nutzung von Abwärmen im Abgasstrang von Kraftfahrzeugen sollen bis zu 1 kW an elektrischer Leistung erbringen und mehrere Prozent Kraftstoff einsparen. Große Potentiale für „Abwärme zu Strom“ gibt es auch bei Blockheizkraftwerken, wo durch die Nutzung der Abwärme bis zu 5% mehr Strom generiert werden soll. Auch in vielen Industriebetrieben bestehen erhebliche Potentiale zur Abwärme-Nutzung mit TEWs. Abbildungen 1 bis 6: J. Fricke u. W. Borst, „Essentials of Energy Technology“, Wiley-VCH, Weinheim 2013, und „Energie“, Oldenbourg Verlag, München 1984. [1] Diese Abschätzungen basieren auf einer US Studie aus dem Jahre 2006. The Energy Information Administration, Existing Capacity by Energy Source, 2006". http://www.eia.doe.gv/cneaf/electricity/epa/epat2p2.html. Deutlich höherer Werte zwischen 29 bis 50 % werden in Berichten der Commission’s Euroheat and Power Initiative (www.managenergy.net/actors/2287) genannt.