- Bayern Innovativ
- Synthetische Kraftstoffe der nächsten Generation
Synthetische Kraftstoffe der nächsten Generation
Flüssige Treibstoffe aus Abfall-Biomasse ergänzen die Mobilität von morgen
Autor: Fraunhofer UMSICHT (Stand: Januar 2020)
Das Fraunhofer Institut UMSICHT in Sulzbach-Rosenberg entwickelt technische Verfahren für die Produktion von CO2-neutralen, normgerechten Kraftstoffen (z.B. Benzin oder Diesel) aus biogenen Abfallstoffen, zum Beispiel aus Klärschlamm oder Bioabfällen.
Flüssige Energieträger aus fossilen Quellen machen in Deutschland aktuell noch ca. 98 Prozent der Antriebsenergie im Verkehr und 22 Prozent der Heizenergie aus. Etliche Mobilitätsanwendungen werden auch in Zukunft auf flüssige Treibstoffe mit hoher Energiedichte angewiesen sein, u. a. der Flugverkehr, die Schifffahrt, der schwere Straßengüterverkehr.
Grüne Kraftstoffe aus Biomasse
Kraftstoffe auf Basis von Biomasse stellen für diese Anwendungen eine wichtige Ergänzungsfunktion dar. Zusätzlich können sie im Zeitraum der Umstellung auf batterieelektrische Antriebe dazu beitragen, die Gesamt-CO2-Emissionen zu senken. Wenn die Kraftstoffe dabei aus biogenen Abfallstoffen hergestellt werden, so dass ihre Produktion nicht mit der Nahrungsmittelproduktion konkurriert, spricht man von „Advanced Synthetic Bio Fuels“, also fortschrittlichen, synthetischen Biokraftstoffen der nächsten Generation. Von Seiten des Gesetzgebers wird in der Neufassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) eine Quote von solchen flüssigen Kraftstoffen von 3,5 Prozent bis 2030 angestrebt.
Fraunhofer TCR-Verfahren verbessert Öl-Qualität
Konventionelle Verfahren, um aus Biomasse flüssige Energieträger zu erzeugen, haben oft mit Einschränkungen hinsichtlich der Bandbreite an möglichen Einsatzstoffen, der Einhaltung von Abgasnormen und der Gesamtenergieeffizienz zu kämpfen. Auch die Qualität der gewonnenen Produkte war bisher nicht zufriedenstellend. Vor diesem Hintergrund hat das Fraunhofer Institut UMSICHT in Sulzbach-Rosenberg ein neues Verfahren zur Verwertung von Biomassereststoffen entwickelt: das TCR-Verfahren, es steht für Thermo-Katalytisches Reforming (Thermo Catalytic Reforming). Beim TCR-Verfahren wird Restbiomasse in Synthesegas, Kohle und flüssiges synthetisches „Rohöl“ umgewandelt, welches den Ausgangsstoff für synthetische Kraftstoffe bildet.
Dabei wird die Biomasse in einem Schneckenreaktor unter Sauerstoffabschluss bei mittleren Temperaturen (< 500 °Celsius) schonend in Biokohle und flüchtige Bestandteile zerlegt. Die Bildung von Teer und anderen Schadstoffen wird durch optimierte Prozessbedingungen in den verschiedenen Reaktorzonen vermieden. In einem nachgelagerten Post-Reformer werden die Kohle und Dämpfe bei Temperaturen von bis zu 700 °Celsius katalytisch veredelt, um die Produktqualität zu verbessern. Anschließend werden die Dämpfe abgekühlt. Bei der Kondensation werden Öl und Prozesswasser getrennt. Das verbleibende Gas wird gereinigt.
Drei Produkte: Öl, Gas, Kohle
Im Ergebnis entstehen drei Produkte:
- Synthesegas, ein staubfreies Produktgas mit einem sehr hohen Wasserstoffgehalt, der bis zu 50 Prozent betragen kann.
- Karbonisat ("Biokohle") mit hohem Kohlenstoffanteil, das in-situ als Katalysator im TCR-Prozess selbst genutzt wird, als Bodenverbesserer dienen oder zur CO2-Sequestrierung eingelagert werden kann.
- Pyrolyseöl von erdölähnlicher Konsistenz, das einen hohen Heizwert sowie sehr niedrige Säurewerte (vergleichbar mit pflanzlichen Ölen) aufweist. Es lässt sich entweder in Raffinerien zusammen mit mineralischem Rohöl raffinieren (Co-Processing) oder selbst zu Produkten wie Benzin und Diesel weiterverarbeiten.
Klimaneutrales Rohöl möglich
Die benötigte Energie für den Prozess wird aus den eingesetzten Reststoffen erzeugt, somit entstehen im Verfahren selbst kaum CO2-Emissionen. Die Einsatzstoffe selbst haben laut Definition ebenfalls keinen „CO2-Rucksack“, da es sich im Rest- und Abfallstoffe handelt.
Die Kohle kann in Böden eingebracht werden, sofern der Einsatzstoff nicht schadstoffbelastet ist. Der in der Kohle enthaltene Kohlenstoff wird dann dauerhaft der Atmosphäre entzogen. (Die Kohle aus dem TCR-Verfahren ist durch die geringen Sauerstoff- und Wasserstoff-Gehalte stabil und wird nicht im Boden zersetzt). Wird der Kohlenstoff auf diese Weise sequestriert, bekommen die Produkte, also das Öl und das Gas, eine negative CO2-Bilanz, die Kraftstoffe werden klimaneutral.
TCR-Kraftstoffe können fossile Kraftstoffe 1:1 ersetzen
Kraftstoffe aus dem TCR-Verfahren entsprechen in ihrer chemischen Zusammensetzung laut unabhängiger Laboranalysen den Spezifikationen nach EN590 (Diesel) bzw. EN228 (Benzin). Die Qualität wurde durch präzise Emissions- und Leistungsvermessungen auf Motorentestständen geprüft und von mehreren Automobilherstellern bestätigt. Der Kraftstoff kann somit ohne weitere Motorumbauten in Fahrzeugen genutzt werden. Im Gegensatz zu Alternativen wie Ethanol oder Biodiesel können die Kraftstoffe aus dem TCR-Verfahren unbegrenzt fossilem Kraftstoff beigemischt werden, es gibt hier keine „Blend-Grenze“. Er kann darüber hinaus als Drop-In-Kraftstoff, Heizölzusatz oder Gerätebenzin in den Markt gebracht werden.
Wirtschaftlichkeit synthetischer Kraftstoffe
Nach Wirtschaftlichkeitsberechnungen von Fraunhofer könnte der TCR-Kraftstoff unter heutigen Randbedingungen wirtschaftlich hergestellt werden. Durch die Hochskalierung der Technologie wäre eine weitere Kostensenkung möglich. Der Preis für TCR-Kraftstoff würde zwar etwas oberhalb von Ethanol und Biodiesel liegen, aber dennoch deutlich unterhalb der Kosten für andere hochwertige alternative Kraftstoffe bspw. aus Power-to-X-Verfahren.
TCR-Technologie: Entwicklungsstand
Die aktuelle Anlagengeneration der TCR-Technologie am Fraunhofer Institut in Sulzbach-Rosenberg kann 300kg / Stunde an Einsatzstoff verarbeiten und damit ca. 30 Liter Kraftstoff pro Stunde erzeugen. Die nächste großtechnische Demonstrationsanlage befindet sich im Aufbau. (vgl. Projekt To-Syn-Fuel)