Stromnetzausbau - Aktueller Stand, Netzkosten und -eingriffe

Was ist bis heute passiert?

2012 wurde der Ausstieg aus der Kernkraftnutzung beschlossen, 2022 wird das letzte Kernkraftwerk vom Netz gehen. Der Leistungsverlust muss durch einen schnellen Ausbau von erneuerbaren Energieträgern ausgeglichen werden, die zum überwiegenden Teil Strom zeitlich diskontinuierlich sowie sehr ungleichmäßig über die Bundesländer verteilt erzeugen. Zusätzlich sollen die Transportnetze die Stromversorgung über die Fläche Deutschlands sicherstellen. Lesen Sie im Fachartikel von Dr. Klaus Hassmann, Sprecher des Cluster Energietechnik, mehr über den aktuellen Stand im Stromnetzausbau.

Hochspannungstransportnetze - Stand, Kosten, Eingriffe
Transportnetze sollen den Windenergie-Strom aus dem Norden und bei Flauten zu Zeiten hoher Stromnachfrage auch Kohlestrom aus dem Osten und Westen in den Süden der Republik transportieren. (Bildnachweis: Fotolia@L_Solartstrom_C_Panton)

Wie funktioniert die Netzplanung?

Der Ausbau der Stromtransportnetze wird vom Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) und vom Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) geregelt. Die Planung erfolgt in verschiedenen Schritten. Zunächst erstellen die vier Transportnetzbetreiber einen Szenario-Rahmen. Auf dieser Datenbasis bestimmt die Bundesnetzagentur BNA den Netzentwicklungsplan, dessen regionale Verteilung wiederum die Netzbetreiber festlegen. Der Netzentwicklungsplan wird anschließend veröffentlicht und durch einen Umweltbericht sowie durch Ergebnisse aus Diskussionsrunden zu einem Bundesbedarfsplan ergänzt. Die Technik zur Umsetzung des Plans (Freileitungen, Erdverkabelung etc.) wird nach mehreren öffentlichen Anhörungen festgelegt. Lesen Sie hier mehr über den Leistungsausbau im chronologischen Rückblick.

2013

Der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz stellt die Nordleitung zwischen Schwerin und Hamburg fertig und auch mit der Südwestkuppelleitung zwischen Thüringen und Bayern ist man gut vorangekommen. Der Bundestag und -rat beschließt die Süd-Link-Trasse von Schleswig-Holstein nach Grafenrheinfeld und die Süd-Ost-Trasse von Ostdeutschland nach Augsburg. Die Dauer der Planungsverfahren beträgt bisher zehn Jahre und mehr, die Gerichtsverfahren fünf bis sieben Jahre. Die Planung länderübergreifender Projekte ist bei der Bundesnetzagentur in einer Hand. Mit dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) und einem zusätzlichen Bundesbedarfsplangesetz will man die Verfahren beschleunigen.

2014

Zwei Seekabel, das Nord-Link-Gleichstromkabel mit Norwegen sowie die Hansa-Power-Bridge zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Südschweden sollen helfen, Speicherpotenziale für Importe in Skandinavien zu erschließen. Der Nord-Link wird von einem Projektkonsortium Statnett und TenneT/KfW entwickelt. Die Entscheidung soll noch 2014 fallen, eine Umsetzung ist bis 2018 möglich. Für die Power-Bridge wurde ein Memorandum of Unterstanding zwischen den Unternehmen 50Hertz und Svenska Kraftnät unterschrieben. Für die Realisierung sind 10 Jahre angesetzt.

2015

TenneT beantragt für den Süd-Link die Bundesfachplanung bei der BNA. Eine Bedarfsberechnung mit neuen Daten kann Verhandlungsspielraum geben, denn es wird weniger Offshore-Wind-Strom erwartet. Zusätzliche Nachbesserungen sind nötig und es gibt Verzögerungen. Von 112 Trassenkorridor-Alternativen sollen 98 vertieft untersucht werden. Die Gleichstromverbindung von Schleswig-Holstein nach Baden Württemberg ist nicht vordringlich. Das EnLAG umfasst Vorhaben mit 1876 Kilometern Länge. Davon sind bis Juni 2015 nur 487 Kilometer realisiert. Sie wurden fast vollständig in Betrieb (380 kV) bzw. Probebetrieb (220 kV) genommen. Nach Schätzungen der Übertragungsnetzbetreiber können bis Ende 2016 40% der EnLAG-Leitungskilometer fertiggestellt werden.

2016

50Hertz hat mit der Thüringer Strombrücke und der Süd-West-Kuppelleitung eine wichtige Nord-Süd-Transportverbindung vorzeitig fertiggestellt. Quer durch  Berlin wurde in einem Tunnel ein Kabel mit Anbindung der Windparks in der Ostsee verlegt. Das EnLAG sieht 24 Neubauprojekte mit 1800 Kilometern Höchstspannungsleitungen vor. Ende 2015 waren nur 614 Kilometer umgesetzt.

2018

TenneT wird mit einer Umbeseilung des 380 kV Drehstrom-Übertragungsnetzes an der Elbquerung die Stromtransportkapazitäten zwischen Schleswig-Holstein und Niedersachsen auf 9,6 GW vervierfachen. 2019 werden die Arbeiten abgeschlossen sein. Das Wirtschaftsministerium unter neuer Führung will mit einem Aktionsplan den Netzausbau beschleunigen. Bis 2015 hätten rund 1800 km zugebaut werden sollen – 2018 sind nicht einmal die Hälfte realisiert. Der Zubau ergibt sich aus dem EnLAG. Von den genehmigten 1150 Kilometern sind rund 800 fertig. 2017 rechneten die Übertragungsnetzbetreiber mit 80% Fertigstellung bis Ende 2020, seit dem 1. Quartal 2018 nur mehr mit 70%. Von den 22 EnLAG-Projekten sind sechs Erdkabel-Pilotprojekte. Bisher ist nur eine 380 kV-Wechselstromleitung im Testbetrieb. Der Netzausbau fällt auch unter das Bundesbedarfsplangesetz (BBPIG) mit 43 Projekten bei einer Gesamtlänge von 5900 Kilometern. Dazu zählen die Hochspannungsgleichstromverbindungen Süd-Ost- und Süd-Link. Im 2. Quartal 2018 waren rund 600 Kilometer genehmigt, davon 150 umgesetzt. 2200 Kilometer fallen in die Zuständigkeit der Länder. Ca. 1050 Kilometer befinden sich im Planfeststellungsverfahren. Der Aktionsplan des Wirtschaftsministeriums strebt eine Optimierung von bekannten Beschleunigungsoptionen und vereinfachte Planungsverfahren an. Sie werden durch neue, mit den Bundesländern verbindlich zu vereinbarenden Maßnahmen ergänzt.

Was kostet der Ausbau des Stromnetzes?

2013

Der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz investiert im Jahr 2012 254 Mio. € in Instandhaltung und Leitungsbau. 2013 sind Aufwendungen in Höhe von 400 Mio. € und bis 2022 rund 4 Mrd. € geplant.

2014

TenneT gibt für Netzstabilität ca. 150 Mio. pro Jahr aus. Man rechnet mit empfindlich höheren Kosten, wenn der Netzausbau nicht vorangeht.

2015

Die Mehrkosten für Erdkabel gegenüber Freileitungen werden je nach Gelände und kreuzender Infrastruktur auf den Faktor 3 bis 8 geschätzt, beim Drehstromsystem sogar auf 4 bis 8. Die Nutzungsdauer und die Verfügbarkeiten (99% für eine 500 kV-Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ)-Freileitung) sind geringer. Bei Schäden gelten längere Reparaturzeiten.

2016

Eine Variante für ländliche, dünn besiedelte Regionen ist eine Freileitung für Gleich- und Drehstrom, die auf denselben Masten montiert ist. Sie sind 15 Meter höher als vergleichbare Drehstrommasten. Ein Kilometer Hybridleitung kostet ca. 2 Mio. €, die Gleichstromleitung kostet 500.000 € . Die Kosten von einem Kilometer Erdkabel liegen bei 8 bis 10 Mio €. Erdkabel sind um den Faktor 4 bis 5 teurer als Freileitungen. Der Süd-Link und der Süd-Ost-Link kosten 15 Mrd. €. Die Netzentgelte für die Höchstspannung sollen bei TenneT um 80%, bei 50Hertz um 40% und bei Amprion um 12% steigen. Als Begründung werden die Kosten für den Redispatch, das gleichzeitige Abschalten der Erneuerbaren Energien im Norden und das Hochfahren konventioneller Leistung im Süden zur Netzstabilisierung angeführt. Die Kosten dafür fallen in unterschiedlicher Höhe regional an. Die Netzentgelte sollen bundesweit einheitlich sein. Dazu ist das letzte Wort jedoch noch nicht gesprochen.

2018

Die erste direkte Gleichstromverbindung mit Großbritannien wird geplant. Die Kosten für zwei 500 kV Hochspannungsgleichstromleitungen von 670 km Länge mit einer Kapazität von 1400 MW durch die Nordsee liegen bei 1,6 Mrd. €. Der Baubeginn ist für 2020 geplant, die Fertigstellung 2022. Damit können Engpässe im deutschen Netz aufgefangen werden und auch überschüssiger Windstrom kann von Deutschland nach Großbritannien transportiert werden.

Was kostet der Redispatch?

2013

Laut dem Übertragunsnetzbetreiber 50Hertz lagen die Kosten für Redispatch in 2012 bei ca. 120 Mio. €. An 77 Tagen musste die Einspeisung Erneuerbarer Energien gedrosselt werden. Die Forderung lautet: Synchronisation des Ausbau der Erneuerbaren Enerigen mit dem Netzausbau.

2016

Aufgrund der fehlenden Nord-Süd-Verbindungen lagen die Redispatchkosten von 50Hertz im Jahr 2015 bei 350 Mio., in Deutschland sogar bei mehr als 1 Mrd. €.

Autor: Dr. Klaus Hassmann, Sprecher Cluster Energietechnik

Referenzen des Autors

Die Informationen stammen aus dem Fachmagazin Energie & Management (e&m).