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Solar-Wasserstoff-Bayern - Einstieg in die H2-Technologie
Autor: Dr. Klaus Hassmann, Cluster Energietechnik (Stand: Juli 2017) 1986 wurde die Solar-Wasserstoff-Bayern GmbH (SWB) gegründet ¹. Als Gesellschafter fungierten das damalige Bayernwerk mit 60% sowie die Unternehmen BMW, Linde, Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) und Siemens mit jeweils 10%. Ziel war für eine spätere Wasserstoffwirtschaft die großtechnische Erprobung wichtiger Systemkomponenten und deren technologischen Verknüpfung. Umgesetzt wurde das Vorhaben am Standort Neunburg vorm Wald in der Oberpfalz. Das Projekt wurde 1987 gestartet und 1999 beendet. Im Jahr 2000 wurde der Standort an die Stadt Neunburg übergeben. Über zwei Projektphasen wurden insgesamt 145 Mio DM aufgewendet. Das Projekt wurde mit 35% vom Bund und mit 15% vom Land Bayern bezuschusst. Der Autor war für einen der Minderheitsgesellschafter Mitglied der Gesellschafterversammlung; in dieser Funktion konnte er Einfluss auf die Projektinhalte nehmen.
Aufbau der Anlage/Ergebnisse (siehe Funktionsschema am Berichtsende)
1. Stromerzeugung
Aufbau: Installiert wurden 372 kW Photovoltaik (PV) in konventioneller und fortschrittlicher Technik, die von deutschen Herstellern geliefert wurden; zum Einsatz kamen die mono- und polykristalline Dickschichttechnik, sowie auch einige Module in amorpher Dünnschicht. Die Module waren auf der Sonne nachführbaren Gestellen montiert. Von den damals etablierten deutschen Lieferanten/Entwicklern ist heute keiner mehr im Geschäft.
Ergebnis: Soweit dem Autor noch in Erinnerung, traten bei der PV vereinzelt Delaminierung wie auch Verfärbung, bei einem PV-Typ Defekte in den Stromsammlern des PV-Moduls auf. Die Ursachen wurden in Zusammenarbeit mit den Lieferanten identifiziert und beseitigt; die fehlerhaften Module wurden ausgetauscht. Für einige Typen wurden Empfehlungen für eine verbesserte Montage erarbeitet. Nach den Modifikationen arbeiteten die betroffenen Solarzellen/Module zuverlässig.
2. H2-Erzeugung
Aufbau: Für die H2-Erzeugung wurden 3 Elektrolyseure mit je ca. 100 kWel erprobt, zwei mit 1,5 bar und einer unter Druck (32 bar).
Ergebnis: Pro Stunde wurden mit jeden der 3 Elektrolyseure etwa 25 Nm3 H2 erzeugt. Die Druckanlage lief anfangs nicht zufriedenstellend; nach Modifikation jedoch gut. Auch bei den beiden Niederdrucksystemen waren einigen Modifikationen nötig; danach, lief der Langzeitbetrieb problemlos.
3. Speicherung
Aufbau: Die Produktgase H2 und O2 aus den Elektrolyseuren wurden gereinigt und mit Kompressoren auf bis zu 30 bar verdichtet; H2 wurde in zwei Druckspeichern (30 bar) mit in Summe 5000 Nm3 Fassungsvermögen, O2 in einem 50 Nm3 Speicher (ebenfalls 30 bar) gesammelt. Darüber hinaus wurde jeweils ein Speicher für Flüssiggas sowie ein Metall-Hydridspeicher getestet.
Ergebnis: Bei den Aufbereitungs- und Gasspeichersystemen traten sporadisch einige Probleme bei den Verdichtern und bei Komponenten des dezentralen Prozessleitsystems auf, die beseitigt werden konnten.
4. H2-Nutzung
Rückverstromung
Aufbau: Für den Betrieb mit H2 oder Erdgas wurde von einem japanischen Lieferanten eine 80 kW Brennstoffzellenanlage (PAFC: Phosphoric Acid Fuel Cell) beschafft und betrieben; eine Wärmeauskopplung bei 160°C war möglich.
Ergebnis: Die Betriebsergebnisse der PAFC entsprachen nach einigen Nachbesserungen den Erwartungen.
Wärme- und Kälteerzeugung
Aufbau: Installiert wurde zwei je 20 kWth Gasheizkessel, einer mit Luft, der andere mit Sauerstoff betrieben. Bei einem handelt es sich um einen modifizierten Standardkessel, der um eine Vormischung von Brenngas und Luft sowie um einen katalytischen Brenner mit 10 kW thermischer Leistung erweitert wurde. Bei der katalytischen Technik wird aufgrund der relativ niedrigen Verbrennungstemperatur von unter 900°C nur eine geringe Menge an Stickoxiden erzeugt und in die Umgebung abgegeben. Für die Erzeugung von Kälte wurde eine 17 kWth katalytisch beheizte Absorptions-Kälteanlage installiert.
Ergebnis: Die gewonnenen Erfahrungen aus dem Betrieb der Systeme erwiesen sich als vielversprechend.
Mobilität Antrieb
Aufbau: Die mobile Anwendung mit Brennstoffzellen wurde mit einem Gabelstapler erprobt, der mit einer prototypischen Polymer-Elektrolyt-Membran (PEM) Zelle mit einer elektrischen Nennleistung von 10 kW angetrieben wurde. Dazu wurde eine von Wasserstoff/Sauerstoff auf Wasserstoff/Luft umgebaute UBoot-Zelle eingesetzt. Für etwa 8 Betriebsstunden wurde der PEM Wasserstoff über einen 26 Nm3 Hydridspeicher zugeführt, bevor der Speicher wieder geladen werden musste.
Ergebnis: Der Gabelstapler mit der PEM-Brennstoffzelle wurde als Versuchsträger, aber auch als Arbeitsgerät mit Erfolg eingesetzt.
Mobilität Betankung
Aufbau: Mit einer automatischen 3000 Liter Flüssig-H2 Betankungsanlage wurde an einem PKW der Tankvorgang geübt und optimiert.
Ergebnis: Die Betankung von Fahrzeugen erforderte höchste Präzision in der Verfahrenstechnik; sie muss mit den großen Temperaturunterschieden von innen (Flüssigwasserstoff) nach außen (Umgebungstemperatur) fertig werden. Der Betankungsvorgang dauerte anfangs viel zu lange und die Verluste waren viel zu hoch. Nach einigen Verbesserungen in der Verfahrenstechnik und in der Handhabung dauerte ein Betankungsvorgang letztendlich nur mehr 6 Minuten bei Gasverlusten im einstelligen Prozentbereich.
5. Sicherheit:
Unter gewissen Voraussetzungen ist H2 leicht entzündbar, weswegen zur Vermeidung von Zündquellen technische (Mess- und Regeltechnik) und bauliche (Aufstellung im Freien bzw Belüftung der betroffenen Gebäudeteile, Vorrichtungen für Brandschutz und Brandbekämpfung) Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden mussten. Vor Reparatur- und Wartungsarbeiten wurden gasführende Systeme mit Stickstoff gespült. Während der Projektlaufzeit traten keine schwerwiegenden Schadensfälle ein.
Ausblick
Die detaillierten Versuchsberichte „schlummern“ vermutlich in einem Archiv von EON, dem Rechtsnachfolger des Bayernwerks. Im Rahmen der Energiewende in Deutschland steht als eine Stromspeicheroption die Markteinführung von „Power to Gas“ vor der Tür. Zu prüfen wäre, ob die Erkenntnisse aus dem Solar-Wasserstoff-Bayern-Projekt auch heute noch dem Aufbau der Infrastruktur für eine Wasserstoffwirtschaft zugute kommen können; um das festzustellen, müsste das SWB-Datenmaterial gesichtet, die Erfahrungen neu bewertet und das Übertragbare identifiziert werden. Anhand der Ergebnisse könnte letztendlich feststellt werden, ob es sich gelohnt hat, das viele Geld für das SWB Projekt auszugeben.
Literatur ¹Solar-Wasserstoff – ein Schritt in die Zukunft; das Solar-Wasserstoff-Projekt Neunburg vorm Wald. SWB ein Unternehmen der Bayernwerk-Gruppe; Informationsbroschüre