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Sitzerlebnis 2.0
3D-Druck ermöglicht optimalen Sitzkomfort im Auto
04.04.2022
Autor: Andreas Knöchel, Head of Program Management, OECHSLER AG, Ansbach
Die OECHSLER Unternehmensgruppe gehört heute zu den weltweit größten Herstellern additiv gefertigter Komponenten.
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Beschreibung des Bauteils: Als erfahrener Automotive-Supplier hat OECHSLER mittels additiv gefertigte Sitzelemente den Komfort sowie die Funktionalität herkömmlicher Autositze stark verändert. Entstanden sind Polstermöbel für spezielle Einsatzzwecke mit höchstem Anspruch. Diese können sowohl in Serie als auch in kleinen Mengen gefertigt werden. Die neuen Bauteile wurden mit dem Industriedrucker HP Jet Fusion 5200 Series hergestellt, verwendet wurde das Material Ultrasint® TPU01 von BASF Forward AM.
Herausforderung: Der Entwicklungsprozess begann mit der Analyse der bisherigen Autositzkomponenten. Mittels Software-Design-Tools wurden die 3D-Konstruktionen (feste Geometrie) in Gitterstrukturen umgewandelt. Um die verschiedenen Druckpunkte während des Sitzens zu identifizieren, halfen Heatmaps bei der Visualisierung der Daten. Die Dämpfungseigenschaften sind in Abhängigkeit von der Geometrie, Dicke und Größe des Gitters programmierbar. Durch die Zusammenführung der aus dem Sitzgefühl gewonnenen Daten und der Ausnutzung der Gestaltungsfreiheit wurde die Dämpfungscharakteristik für den jeweiligen Anwendungsfall optimiert. Die Verfeinerung der Gitterstruktur ermöglichte eine neue, besonders luftdurchlässige Komfortschicht und sorgt somit für höhere Atmungsaktivität und damit passiven Klimakomfort. Je nach Fahrzeugtyp können härtere und weichere Bereiche programmiert werden, die für das gewünschte Sitzerlebnis sorgen.
Im Gegensatz zu konventionellen Fertigungsverfahren bietet das Additive Manufacturing eine hohe Designfreiheit bei der Herstellung von bionischen Strukturen, die mehrere Härtezonen in einem Kissen ermöglichen. In Anbetracht der Herausforderungen, die Autositze in Bezug auf Belüftung, Gewicht und Platz bieten, ist der Entwurfsprozess hin zu Gitterstrukturen ein hervorragender Ansatz, um die unterschiedlichen Anforderungen der Automobilindustrie zu erfüllen. Die abschließende Druckprüfung gibt Aufschluss über die Mechanik und die Eigenschaften des Bauteils. Anhand einer Be- und Entlastungskurve wird die Leistungsfähigkeit ermittelt und verglichen. Die Tests haben gezeigt, dass die Anwendung von Gitterstrukturen im Vergleich zu konventionellen Fertigungsmethoden deutlich bessere Ergebnisse liefert.
Lösung: Bei diesem Projekt waren die Erfahrungen von OECHSLER in der Automobilindustrie und in der Produktentwicklung von entscheidender Bedeutung. Innovative Ansätze im Produktdesign führen zu deutlich effizienteren nachgelagerten Montageprozessen, zum Beispiel durch die Integration von weiteren Funktionen wie Nahtkanälen und Falzmechanismen. So entsteht ein deutliches Einsparpotenzial bei der Endfertigung. Das intelligente Produktdesign hat ein Scharnier vorgesehen, welches erlaubt, große Bauteile in einem einzigen Druckvorgang zu produzieren. Die zusätzliche Integration von Befestigungspunkten macht auch das Kleben bei der Montage überflüssig.
Neben dem Produktdesign bestimmen auch die 3D-Drucktechnologie, das Material und die mehrstufige Nachbearbeitung das Sitzerlebnis. OECHSLER setzt die HP-Multi-Jet-Fusion- Technologie von HP Inc. ein, welche die Herstellung von flexiblen und funktionalen Teilen ermöglicht. Das Material Ultrasint® TPU01 von BASF Forward AM ist für den Hautkontakt zugelassen (ISO 10993/ OECD Nr. 439) und auf Dauerhaftigkeit (Ermüdungsbiegung ASTM D1052), Flammfestigkeit (FMVSS 302), chemische Beständigkeit und UV-Beständigkeit (ISO 4892-2A Cycle 1) geprüft. Bei der Entwicklung wurden strenge Qualitätsnormen berücksichtigt und die weiteren für den Automobilbereich notwendigen Spezifikationen in Bezug auf Armaturen, Geruch und Emissionen erfüllt. Das Kopfelement ist mit dem von BASF Forward AM entwickelten Ultracur3D Coat F beschichtet, um eine perfekte Übereinstimmung zwischen flexiblem Substrat und aufgetragenem Lack zu gewährleisten. Die Gurtführung ist ein fest gedrucktes Bauteil. Das Rückenelement kann in verschiedenen Härtegraden gedruckt werden, um den Komfort zu erhöhen. Das gesamte Sitzelement kann durch die Gitterstruktur an die Bedürfnisse des Fahrers angepasst werden. Die farbigen Elemente ermöglichen ein unverwechselbares Design.
Das Produkt wurde speziell für den Einsatz in Fahrzeugen entwickelt, wobei sich die Technologie sowie das Produktdesign auch auf viele weitere Anwendungen umsetzen lassen. So sind bereits Entwicklungen zu weiteren Bauteilen im Gange, die den herkömmlich verwendeten Schaumstoff ersetzen. Ob Sitzmobiliar oder Rucksäcke – Polsterungen werden vielfach verwendet und können so neu gedacht werden.
Fazit: Die additiv gefertigten Autositze von OECHSLER überzeugen durch einen hohen Sitzkomfort bei gleichzeitiger Individualisierungsmöglichkeit je nach Fahrzeuginsassen. Neue Materialeigenschaften sowie Effizienzgewinne in Montage und Qualität ermöglichen die Produktion der Autositze von morgen: Höherer Komfort durch die Auswahl verschiedener Härtezonen; besondere Luftdurchlässigkeit für passiven Klimakomfort; geringeres Gewicht; Individualisierung durch sichtbare, einfärbbare und programmierbare Gitterstrukturen sowie ein Ein-Komponenten-System aus recycelbarem Material.
Allgemeine Informationen zum Bauteil: |
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Material: Polymer Verfahren: Material Jetting Wertschöpfungskette: In-Processing Branche: Automotive Hersteller: OECHSLER AG |