Über 200 Mio. Tonnen Bauabfälle entstehen jedes Jahr in Deutschland. Auch in Augsburg wird mittlerweile der Deponieplatz knapp und neue Deponiekapazitäten für Bauschutt müssen geschaffen werden. Wenn es nach der regionalen Bau- und Immobilienwirtschaft geht, soll sich daran etwas ändern und mehr Baumaterialien wiederverwendet werden. Auf Initiative von A³ hatte ein ganzes Netzwerk an Organisationen alle Branchenbeteiligten Mitte Oktober zu einem gemeinsamen Dialog zum zirkulären Bauen eingeladen, darunter auch die Themenplattform Innovatives Bauen.
Das Thema stieß bei Unternehmen der Region auf überragendes Interesse, der Teilnehmeransturm zwang die Veranstalter sogar zum Ortswechsel. Der Wille ist also da, doch in der Umsetzung gibt es noch einige Herausforderungen zu lösen.
Wer Baustoffe recyceln will, hat es nicht leicht: „Wir haben in der Halle an einem Modell versucht, moderne Polystyrol-Dämmungen von einer Wand zu trennen. Der Versuch endete in einer Schneelandschaft aus weißen Kügelchen - stellen Sie sich das auf einer Baustelle bei Wind vor“, erläuterte Prof. Andrea Kustermann von der Hochschule München den rund 150 Veranstaltungsbesuchern die Herausforderung.
Recycling sollte eigentlich im 21. Jahrhundert der Standard und nicht die Ausnahme sein. Aber was für viele Materialien längst üblich ist, ist bei Gebäuden doch eine kompliziertere Herausforderung. Die große Abrissbirne gehört auf der Abbruchbaustelle bereits überwiegend der Vergangenheit an. Abbruchunternehmen versuchen schon auf der Baustelle so viele Materialien wie möglich säuberlich zu trennen. Das wird ihnen allerdings angesichts von Schadstoffen, unklaren Inhaltsstoffen von Baumaterialien, Verbundmaterialien und schwer trennbaren Materialverbindungen nicht immer leicht gemacht. Unter dem Schlagwort „Zirkuläres Bauen“ versucht sich die Branche nun an neuen Ideen von der Planung bis zum Abbruch.
Wer kreislauffähig bauen will, muss sich vor allem an zwei wesentliche Grundsätze halten: „Erstens: Demontierbarkeit und Trennbarkeit, also keine vollflächigen Verklebungen, sondern besser schrauben; zweitens Schadstofffreiheit, also keine Holzschutzmittel, Biozide, Flammschutzmittel“, forderten die Experten für nachhaltiges Bauen Prof. Susanne Runkel von der Hochschule Augsburg und Jens Glögger von atp sustain.
Wer baut gebrauchte Bauteile ein?
Wenn diese Grundsätze beachtet sind, stünde einer Wiederverwendung eigentlich nichts im Wege – vorausgesetzt es findet sich überhaupt ein Abnehmer. Wer möchte schon ein altes Gebäudeteil in seinen Neubau einbauen? Das fragten sich auch Kathrin Fändrich vom Staatlichen Bauamt und Prof. Mikala Holme Samsoe von der Hochschule Augsburg, und wagten kurzerhand einen Versuch: Vor dem Abriss der Alten Stadtbücherei in Augsburg vermaßen und fotografierten Studierende alles, was nicht niet- und nagelfest war und stellten es auf der Online-Plattform Concular zur Vermarktung gebrauchter Bauteile ein. 400 verwertbare Teile wurden zum Verkauf angeboten, 70 % davon konnten verkauft werden. Vor allem private Häuslebauer (70 % der Nachfrager) und Architekturbüros (20 %) griffen gern auf die gebrauchten Bauteile zurück: Da war zum Beispiel die Familie, die die Fluchttreppe für ihr Bauvorhaben selbst abmontierte. Begehrt waren zudem Leuchten, Türen, Gitterroste, Heizkörper, Betonplatten und Sanitärobjekte -sogar die Toiletten und Waschbecken fanden Abnehmer. „Recycling lohnt sich auch für den Bauherren“, betonte Kathrin Fändrich vom Staatlichen Bauamt Augsburg. „Nicht weil wir hohe Einnahmen mit den Bauteilen erzielen, sondern weil wir die Entsorgungs- und Deponiekosten gespart haben.“
Wann ist Bauschutt Abfall?
Die gewichtigste Substanz der meisten Bauwerke – Beton – sollte sich eigentlich gut recyceln lassen, sollte man meinen. Schließlich gibt es Recyclingbeton. Auch hier sind einige Herausforderungen zu lösen, wie das Beispiel der Bayernkaserne in München zeigte. Hier sollte aus den 1,2 Mio Tonnen Abbruchmaterial direkt neuer Recyclingbeton generiert und wieder verbaut werden. 50 % waren schadstoffbelastet und mussten entsorgt werden, aber immerhin 50 % der Materialien konnten aufbereitet und wieder eingesetzt werden. Aber auch hier braucht es Bauherren, die bereit sind, Recycling-Beton einzusetzen. Dass man sich auf Recycling-Beton qualitativ verlassen kann, zeigten die Versuche von Prof. Andrea Kustermann der Hochschule München. Wichtig ist allerdings: „Wer den Beton eines Gebäudes recyclen will, muss das frühzeitig vor dem Abriss planen“, appellierte Andrea Kustermann an die Bauherren. „Es geht mehr als man denkt, wenn die Baustoffe vorschriftsmäßig analysiert, beprobt und aufbereitet werden“, betonte auch Rechts- und Kreislaufwirtschaftsexperte Holger Seit vom Landesverband Bayerischer Bauinnungen: „Entsprechend geprüfte gütegesicherte mineralische Recycling-Baustoffe sind kein Abfall mehr, sondern Bauprodukte.“
Die präsentierten Beispiele begeisterten auch die anwesende Immobilien- und Baubranche. Ein Viertel der Teilnehmer gaben an, gern ein Projekt im Bereich zirkuläres Bauen verwirklichen zu wollen, 20 % hatten hier auch schon konkrete Planungen. Am Thema interessierte Bauherren, Planer und Bauunternehmen können sich gerne hier an das Veranstalternetzwerk wenden, die Partner unterstützen gern bei der Vermittlung an passende Experten oder Kooperationspartner.
- Martina Medrano, Regio Augsburg Wirtschaft GmbH -