Zehn Thesen für die mittelfristige Entwicklung
1. Cross-Industry – alle für Innovation.
Cross-Industry-Innovation wird genau dann wichtig, wenn das eigene Wissen nicht mehr ausreicht. Es geht darum, Wissen aus anderen Bereichen mit dem eigenen Wissen zu kombinieren, um zu branchenübergreifenden Innovationen zu kommen. Gerade wenn die eigenen Geschäftsmodelle wegfallen bzw. stillstehen, lohnt sich ein schneller Blick nach „draußen“. Netzwerke haben Unternehmen dabei bereits in der Vergangenheit unabdingbare Unterstützung geleistet. In Zukunft werden Netzwerke noch wichtiger, um branchenübergreifend Synergien zu nutzen und Verknüpfungsansätze zu den eigenen Kompetenzen zu finden.
2. Think outside the box – jetzt erst recht!
Automobiler produzieren Beatmungsgeräte und Lebensmittelproduzenten stellen auf Desinfektionsmittel um. Während der Corona-Pandemie konnten zahlreiche Unternehmen durch Flexibilität und Anpassungsfähigkeit gegen die Krise ankämpfen und schnelle Lösungen liefern. Dieses Denken außerhalb der eigenen Komfortzone wird seit Jahren propagiert, doch Krisen zeigen, welches Potenzial dahintersteckt. In Zukunft wird das Querdenken immer wichtiger, um die gewonnenen Verflechtungen zwischen den Branchen beizubehalten und auf externe Schocks reagieren zu können. Hier sind kreative Lösungsansätze gefragt. Eine Corona-Best-Practice-Sammlung finden Sie hier!
3. Vom Outsourcing zum Backsourcing – ist regional das neue global?
Die aktuelle Krise zeigt deutlich bestehende Problematiken der Globalisierung auf: Aufgrund von Lieferengpässen fehlen im Ausland produzierte Güter und Zulieferteile, die dringend im Inland gebraucht werden. Notgedrungen stellt sich die Frage, ob gewisse Güter und Produkte eher im Inland oder in benachbarten Ländern produziert werden sollten, um zukünftig besser aufgestellt zu sein. Viele Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass Unternehmen, die lokal produzieren, stärker aus der Krise hervorgehen werden – sowohl in der gesellschaftlichen Wahrnehmung als auch in der politischen Meinung. Das stellt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen eine Chance dar.
4. Sharing is caring – mehr denn je.
Gerade in den ersten Wochen der Pandemie mit der größten Unsicherheit und Komplexität konnten Geschäftsmodelle und Organisationen, die Verantwortung und Kundenbindung fest in ihrem Modell verankert haben, ihre Proaktivität beibehalten und ihr Wachstum so nachhaltig sichern. Beispielsweise konnten einige Unternehmen, die Umsatzeinbußen im Eventbereich zu verzeichnen hatten, durch ihre Kundenbindung Pricing-Modelle schaffen, die fair und nachhaltig sind. Einige Unternehmen konnten sich aktiv und schnell um ihre Mitarbeiter und um ihre Stakeholder kümmern und so Reputationsgewinne verzeichnen. Unternehmen, die nicht mehr in Silos arbeiten, sondern sich in Netzwerken bewegen und Lösungsfindungen öffentlich teilen, disruptieren Branchen. Solidarität und Kundenbindung haben einen enormen Wert erhalten, der in Zukunft wichtiger für neue Geschäftsmodelle sein wird.
5. Crisis-driven-innovation - Innovationsprozesse werden kürzer.
Crisis-driven-innovation zeichnet sich durch kurze Innovationsprozesse und -zyklen aus, damit Produkte in immer kürzeren Produktionsentwicklungszeiten auf den Markt gebracht werden. Zudem werden Kräfte in F&E gebündelt und gemeinschaftlich entwickelt. Gerade kleine Firmen disruptieren ihr Geschäftsmodell schneller als zuvor. Dieses Entrepreneurship ist ansteckend. Zukünftig werden Innovationsprozesse noch agiler und der Innovationsgedanke in den Vordergrund rücken.
6. Digital und dezentral - eine Kulturveränderung.
Die Corona-Krise hat eindrucksvoll dokumentiert, wie stark digitale Lösungen die Dezentralisierung der Arbeit beschleunigen. Bei der Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Homeoffice oder andere Orte haben sie einen unabdingbaren Part geleistet. Wenn Unternehmen erkennen, dass sie mit höherer Dezentralisierung genauso gut oder besser funktionieren, wird es weniger persönliche Meetings, weniger Dienstreisen, weniger klassische Konferenzen und weniger klassische Fachmessen geben. Der Anteil der Erwerbstätigen im Homeoffice oder in Telearbeit wird langfristig höher sein als vor der Krise. Erste Unternehmen ziehen schon Konsequenzen: Der Nachrichtendienst Twitter lässt zukünftig alle MitarbeiterInnen Remote arbeiten. Dies wird auch zu kulturellen Veränderungen führen - in der Weise, wie gearbeitet wird und kommuniziert wird. Die Bedeutung von digitaler (Daten)-sicherheit wird immer wichtiger bzw. mehr wahrgenommen. Innovative Lösungen sind hier gefragt.
7. Online-Plattformen – ohne sie geht es nicht mehr.
Online-Plattformen bringen seit Jahren neue Geschäftsmodelle hervor und verändern zahlreiche Branchen. In der Krise haben sie die Kommunikation, die Zusammenarbeit und den Alltag vereinfacht und teilweise auch erst möglich gemacht. Die Bedeutung von Plattformen hat so stark zugenommen, sodass sie nicht mehr wegzudenken sind. In Zukunft wird es vermehrt Geschäftsmodell-Innovationen, Start-up-Gründungen und Initiativen geben, die auf die Plattformökonomie zurückgreifen und hier Innovationen hervorbringen.
8. Industrie 4.0 - Booster für Robotik und Co.
Wurde das Thema der Automatisierung menschlicher Arbeit durch Roboter und Maschinen bislang vor allem unter dem Aspekt der drohenden Vernichtung von Arbeitsplätzen diskutiert, traten die Vorteile von Robotik und Co. in den vergangenen Wochen in den Vordergrund. Der technologische Fortschritt der Industrie 4.0 und damit einhergehende technologische Innovation wird in Zukunft noch schneller und stärker vorangetrieben werden.
9. Umbau der Wirtschaft – Nachhaltigkeit wird nachhaltig.
Die Pandemie hat die Wirtschaft teilweise zum Stillstand gebracht. Um die Wirtschaftskrise anzukurbeln, gibt es bereits massive Staatshilfen. Zahlreiche Rufe aus Wissenschaft und Gesellschaft fordern, diese Hilfen für die Wirtschaft zum nachhaltigen Umbau zu nutzen. Ökologische Bedingungen der Staatshilfen können dabei helfen, das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 („European Green Deal“) zu erreichen. Unternehmen aus den besonders angeschlagenen Bereichen Handel, Tourismus und Verkehr sollten die aktuelle Krise dazu nutzen, um sich auf Klimaneutralität und neue Geschäftsmodelle vorzubereiten. Dann werden sie künftig einen Wettbewerbsvorteil haben.
10. Vernetzt und vorbereitet – dann gelingt Globalisierung.
Was kann die Weltgesellschaft aus der Krise lernen? Die Corona-Pandemie hat die Licht- und Schattenseiten der Globalisierung gezeigt. Es bleibt zu hoffen, dass sie sich im Sinne einer offenen Welt weiterentwickelt: Zu einer noch engeren Vernetzung mit einer globalen Absicherung von Wertschöpfungsketten, die bei einem Ausfall einzelner Netzwerkknoten oder Netzwerkregionen diese Aufgaben temporär übernehmen können. Dafür muss sich jedes Land, jedes Unternehmen, jeder Einzelne – im Sinne des Innovationsgedankens - besser auf zukünftige Risiken vorbereiten.
Die Zukunft wird zeigen, welche Veränderungen sich dauerhaft durchsetzen. Ob die neuen Erkenntnisse und Neuerungen auch eine Erneuerung im Sinne von Innovation bedeuten, bleibt eine spannende Frage.