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Importstrom aus solarthermischen Kraftwerken kann langfristig in Deutschland an Bedeutung gewinnen
Autor: Dr. Klaus Hassmann, Cluster Energietechnik (Stand: Oktober 2017)
Ausgangslage:
Kraftwerke, in denen die Sonneneinstrahlung zur solarthermischen Stromerzeugung genutzt wird, gibt es seit Jahrzehnten. Der Autor gehörte in den 1980er Jahren einer Arbeitsgruppe an, die im Auftrag des Forschungsministeriums beurteilen sollte, ob die Bundesrepublik ihr Engagement an den Entwicklungsarbeiten im Solarthermie-Testfeld im südspanischen Almeria fortsetzen soll oder nicht – das „ja“ fiel einstimmig aus. Es ist immer wieder bereichernd, sich ausgehend von den damaligen Erkenntnissen auf den neuesten Stand zu googeln.
Es war immer schon klar, in Deutschland selbst macht mangels auskömmlicher Sonneneinstrahlung die solarthermische Stromerzeugung keinen Sinn – dazu muss man in den Sonnengürtel der Erde ausweichen. Für Deutschland war Nordafrika mit seinen solaren Bedingungen ein bevorzugtes Ziel. Dort die Kraftwerke zu bauen und den Strom mit Hochspannungs-Gleichstrom-Technik nach Deutschland zu transportieren erschien erfolgversprechend. In Studien wurde dieses Konzept als technisch und wirtschaftlich attraktiv beurteilt. Das galt in einer Zeit, als es in den nordafrikanischen Ländern noch keine politisch/religiösen Turbulenzen gab.
Es lohnt sich, die Technik im Auge zu behalten; selbst wenn die nordafrikanischen Wüstenflächen langfristig als Standorte ausfallen: Auch im Süden Europas reicht die solare Einstrahlung zur thermischen Stromernte aus, z B in Spanien. Bis in ergiebiger Menge Strom aus dieser Technik im Europäischen Verbundnetz und damit auch in Deutschland zur Verfügung stehen kann, wird die Energie-/Stromwende in Europa nennenswerte Fortschritte gemacht haben. Sollte es hier im Lande dann noch Engpässe in der Stromversorgung geben, könnte diese Stromquelle zur Bedarfsdeckung beitragen. Erste Stimmen werden laut, die durch die Sektorenkopplung Strom, Wärme, Mobilität eine deutliche Erhöhung des Stromverbrauchs prognostizieren. Belastbarere Hinweise erwartet man sich von den Ergebnissen gekoppelter Rechenmodelle für die drei Verbrauchssektoren.
Technische Konzepte
Prinzipiell unterscheidet man zwei Typen von Solarkraftwerken, die Farm und den Turm.
Solarfarm:
Bei der Farm konzentrieren parallel geschaltete Parabolrinnenkollektoren die Sonneneinstrahlung auf ein in der Brennlinie geführtes Absorberrohr; dabei handelt es sich um rinnenförmig gewölbte Spiegel. Das Rohr enthält ein Wärmeträgermedium, in der Regel ein Thermoöl. Auch Wasserdampf kann verwendet werden. Der direkte Wasser-Dampfkreislauf hat wirtschaftlich, aber auch thermodynamisch Vorteile, da mit maximal 500 °C im Vergleich zum Thermoöl um ca 100 °C höhere Prozesstemperaturen erreicht werden. Der Wärmeträger wird in den Rinnenkollektoren aufgeheizt. Thermoöl als Wärmeträger gibt seine Wärme in einem Wärmetauscher an einen Wasser-Dampfkreislauf ab und wird danach wieder dem Spiegelsystem zugeführt. Bei Wasserdampf als Wärmeträger entfällt der Wärmetauscher. Mit dem erzeugten Dampf wird über die Komponenten Dampfturbine/Generator Strom erzeugt. Die Abwärme wird in einem Kondensator abgegeben und als Speisewasser wieder dem Wärmetauscher zugeführt. Für so ein „Wüstenkraftwerk“ muss Infrastruktur, ähnlich wie bei einem fossilen Kraftwerk vorhanden sein; vor allem die Kondensator-Kühlung ist essenziell; Wasser ist nötig, bei Wassermangel alternativ Trockenkühlung. Nicht zu unterschätzen ist dabei auch der Wasserbedarf für die Reinigung der Spiegel – Sand, luftgetragen ist in solchen Regionen häufig eine Plage. Zur besseren Solarernte sind die Spiegel einachsig drehbar konstruiert und folgen dem Sonnengang.
Solarturm:
Beim Solarturm wird die Solarstrahlung über zahlreiche am Boden montierte, der Sonne nachgeführte Einzelspiegel (im Fachjargon Heliostate) auf einen auf der Turmspitze montierten zentralen Absorber (Receiver) konzentriert. Dort entstehen aufgrund der Bündelung der Sonneneinstrahlung hohe Temperaturen, die aus Materialgründen für eine technisch sinnvolle Nutzung auf ein Niveau von um die 1300 °C begrenzt werden müssen. Als Wärmeträgermedien kommen flüssiges Nitratsalz, Wasserdampf oder Heißluft infrage. Mit dem Turm kann, wie schon bei der Farm beschrieben, Strom entweder über die klassischen Kraftwerks-Komponenten Dampfturbine/Generator, bei Luft als Speichermedium aber auch mit einer Gasturbine erzeugt werden. Bei letzterer ist die Brennkammer der am Turm installierte Absorber; die heiße, im Gasturbinenverdichter aufgeladene Luft wird in den Receiver geführt, dort solar aufgeheizt und in der Gasturbine entspannt. Die bei der Rinne beschriebene Wasserproblematik am kalten Prozessende sowie das Reinigungsthema gelten auch beim Turm. Mit der Turmtechnologie kann auch Prozesswärme auf einem sehr hohen Temperaturniveau gewonnen werden.
Entwicklungsarbeiten in Deutschland
Turm- und Farmtechnologie werden für den Export in Länder mit hoher Solarstrahlung entwickelt; dafür stellt der Bund auch Fördermittel zur Verfügung. Ziele sind marktreife Komponenten und Systeme zu möglichst geringen Kosten.
In Deutschland betreibt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ein solarthermisches Versuchskraftwerk als Pilotanlage und Referenz für kommerzielle Anlagen an geeigneten Standorten. Auch das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) beteilgt sich an der Entwicklung dieser Technik, wie auch noch andere Firmen und Institute. Die Vielfalt der Beteiligten und der fachlichen Inhalte überrascht bei einer Technologie, deren großtechnische Anwendung in Deutschland nicht möglich ist.
Solarkraftwerke weltweit in Betrieb (Quelle: Wikipedia „Sonnenwärmekraftwerk“)
Tab.1 zeigt eine detaillierte Aufstellung der weltweit in Betrieb befindlichen Anlagen; deren Inbetriebnahme erfolgte in bzw nach 2007. Die Liste bezieht sich auf Standorte größer 10 MW, an denen sich durchaus mehr als nur eine Anlage in Betrieb befinden kann. Bisher verfügen vor allem die USA und Spanien über mehrere Standorte; vermutlich mehr als die gelisteten 3 Länder betreiben/erproben die Technologie an jeweils einem Standort. Die Solarfarm dominiert deutlich vor dem Solarturm. In Spanien wird zusätzlich die sogenannte Fresneltechnologie (der Name leitet sich von der Fresnellinse ab, die keine Krümmung aufweist und die in Streifen angeordnet die Sonneneinstrahlung in diesem Fall auf den Wärmeträger Dampf bündelt) im großtechnischen Maßstab erprobt. Die Tabelle zeigt auch, dass, wie nicht anders zu erwarten, die USA in der solarthermischen Stromerzeugung bezogen auf die weltweit installierte Leistung mit 61% und auch in der mittleren Leistung pro Standort mit 280 MW deutlich vor Spanien (30% bzw 68 MW) liegt. Die Volllast-Betriebsstunden pro Jahr streuen stark – je nach Lage des Landes im Sonnengürtel der Erde und Verfügbarkeit der Anlagen liegt dieser Wert zwischen 2000 und 3000 Stunden und damit deutlich (um den Faktor 2 bis 3) über der Photovoltaik in Deutschland.
Insgesamt werden pro Jahr solarthermisch mit einer installierten Leistung von 3700 MW 7,2 TWh Strom erzeugt. Bei der Sonnennutzung liegt die Solarthermie mit der Photovoltaik (PV) im Wettbewerb. Die elektrischen Wirkungsgrade von Farm und Turm liegen je nach Betriebstemperatur/Wärmeträger und Systemtechnik beim Turm bei Werten zwischen 14 und 30, bei der Farm zwischen 10 und 23%; die PV liegt im Mittel zwischen 14 und 19%. Das Fraunhofer ISE hat unter „aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland“ u. a. zum Flächenverbrauch Daten veröffentlicht; dieser ist für eine Bewertung ebenfalls eine wichtige Größe. Die PV-Modulfläche für bereits in Deutschland installierte 40 GW liegt bei 300 km2. Für Solarfarmen und –türme wurden nur Werte für ein einzelne kleinere Farmanlage gefunden; der spezifische Flächenbedarf in GW/km2 unterscheidet sich nicht wesentlich vom PV-Wert. Der Verfasser hätte für die Solarthermie einen deutlich höheren Wert erwartet.
Tab 1: Solarthermische Kraftwerke weltweit an Standorten größer 10 MW
USA | Standorte | Leistung | Stromerzeugung | Betrieb | Wärmeträger |
MW | TWh/a | h/a | |||
Solarfarm | 6 | 1740 | 2,7 | 2000 | Thermoöl |
Solarfarm | 2 | 517 | k. A. | k. A. | Dampf bzw Salz |
Gesamt | 8 | 2257 | 2,7 | 2000 |
Mittlere Leistung Standorte USA: 282 MW; Anteil Leistung weltweit: 61%
Spanien | |||||
Solarfarm | 12 | 1000 | 2,4 | 2500 | Thermoöl |
Solarturm | 3 | 51 | 0,2 | 2800 | Dampf bzw Salz |
Fresnel | 1 | 30 | 0,05 | 1600 | Dampf |
Gesamt | 16 | 1081 | 2,6 |
Mittlere Leistung Standorte Spanien: 68 MW; Anteil an Leistung weltweit: 30%
Marokko | |||||
Solarfarm | 1 | 160 | Thermoöl |
Anteil an Leistung weltweit: 4%
Südafrika | |||||
Solarfarm | 1 | 100 | 0,3 | 3000 | Thermoöl |
Anteil an Leistung weltweit: 2,5%
Vereinigte Arabische Emirate
| |||||
Solarfarm | 1 | 100 | 0,2 | 2100 | Thermoöl |
Anteil an Leistung weltweit: 2,5%
Welt | Standorte | Leistung | Stromerzeugung | Betrieb |
MW | TWh/a | h/a | ||
Solarfarm | 21 | 3100 | 5,6 | |
Solarturm | 5 | 570 | 1,6 | |
Frensel | 1 | 30 | 0,05 | |
Gesamt | 27 | 3700 | 7,2 | mittlere Leistung Standorte: 140 MW |
Ausblick
Solarthermische Kraftwerke sind eine erprobte Technologie mit technischem und wirtschaftlichem Entwicklungspotenzial; der Bund wäre gut beraten die Entwicklung weiterhin zu fördern, um die Kompetenz zu Hause weiter auszubauen. In Südeuropa (irgendwann einmal auch in einem friedlichen und demokratischen Nordafrika?) könnte dann unter Mitwirkung Deutschlands Strom zu marktgängigen Kosten erzeugt werden. Aus dem europäíschen Verbundnetz würde Deutschland auch von dieser Technik profitieren können.