Erdwärme

Wie und wo sie entsteht und wie sie genutzt werden kann

Autor: Florian Schwinghammer, tewag Technologie - Erdwärmeanlagen - Umweltschutz GmbH (Stand: Februar 2016)

Wie und wo Erdwärme entsteht

Die Erde besteht aus einem flüssigen, mehrere tausend Grad heißen Kern mit einer über die Jahrmillionen seit ihrer Entstehung gewachsenen festen Erdkruste. Das langsame Abkühlen der Erde von Außen nach Innen bewirkt einen Wärmetransport in umgekehrter Richtung bis an die Oberfläche. Neben dieser Wärmeleitung gibt es noch sog. "Hot-Spots", an denen Konvektion im oberen Mantel wesentlich zum Wärmetransport an die Erdoberfläche beiträgt. Je nach Standort sind verschiedene geologische Faktoren bzw. Parameter für das nutzbare Wärmegewinnungspotenzial ausschlaggebend. Grundsätzlich gilt jedoch, je tiefer, desto höhere Temperaturen sind zu erwarten. So sind an geothermisch günstig gelegenen Standorten an tektonischen Plattengrenzen wie beispielsweise in Island bereits in wenigen 100 m Tiefe bereits Temperaturen größer 100 °C zu erreichen. An ungünstig gelegenen Standorten muss im Gegensatz dazu mehrere tausend Meter gebohrt werden, um Temperaturen um 100 °C zu erschließen.

Nutzung von Erdwärme

Aufgrund der unterschiedlichen Temperaturen in den verschiedenen Tiefenbereichen der Erdkruste sind entsprechend vielfältige Nutzungsformen dieser gespeicherten Wärme möglich. Eine generelle Unterscheidung erfolgt über die Einteilung in oberflächennahe und tiefe Geothermie. Eine strikte Grenze gibt es hierbei zwar nicht, eine übliche Grenze zwischen oberflächennaher und tiefer Geothermie wird jedoch bei 400 m angegeben. Dies macht insofern Sinn, da aufgrund der Bohrtiefe unterschiedliche Techniken angewendet werden müssen, sowie andere geologische und hydrogeologische Parameter zur Nutzbarmachung der Wärmeenergie ausschlaggebend sind.

Oberflächennahe Geothermie

Im oberflächennahen Bereich wird zwischen geschlossenen und offenen Systemen unterschieden. Bei geschlossenen Systemen wird ein Wärmeträgermedium innerhalb eines geschlossenen Kreislaufs zirkuliert, nimmt dabei Umgebungswärme auf und übergibt diese an der Oberfläche über einen Wärmetauscher dem Nutzer. Bei "flachen" Anwendungen bis 400 m werden i.d.R. keine Untergrundtemperaturen erreicht, die für eine direkte Nutzung zur Heizung und Warmwasserbereitung von Wohn-, Industrie oder Bürogebäuden ausreichend sind. Um ein ausreichendes Temperaturniveau zur Gebäudeheizung zu erreichen, muss deshalb eine Wärmepumpe installiert werden, die auch mit niedrigen Quelltemperaturen des Untergrunds von 8 bis 20 °C effizient betrieben werden kann. Die Erschließung der im oberflächennahen Bereich gespeicherten Wärmeenergie kann über verschiedene Systeme erfolgen. Die am häufigsten eingesetzte Methode ist der Einbau einer Erdwärmesonde, die bis zum Bohrlochtiefsten in ein Bohrloch eingeführt wird. Der bestehende Ringraum zwischen Erdwärmesonde und Bohrlochwand wird anschließend mit einer Zement-Suspension abgedichtet, um ggf. vorhandene verschiedene Grundwasserstockwerke wieder voneinander zu trennen und um eine gute thermische Anbindung an das umgebende Gestein zu erreichen. Die Einbautiefe von Erdwärmesonden reicht von ca. 20 bis 400 m.

Weiterhin gibt es die Möglichkeit Wärme über Erdwärmekollektoren oder Erdwärmekörbe, die nur wenige Meter unterhalb der Oberfläche eingebaut werden zu gewinnen. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass die Bodentemperatur und damit die nutzbare Wärmeenergie stark vom jahreszeitlichen Verlauf der Außenlufttemperatur abhängt. Tatsächlich nutzt man damit zum Großteil die im oberflächigen Boden gespeicherte Sonnenenergie. Die Flächenbeanspruchung dieser Systeme ist im Gegensatz zu einer Erdwärmesondenanlage deutlich größer, da pro m² bzw. pro Meter Rohrlänge eine geringere Entzugsleistung möglich ist. Eine weitere Möglichkeit sind thermisch aktivierte Gründungspfähle (sog. Energiepfähle). Dies sind thermisch aktivierte Gründungspfähle, die z.B. im Rahmen eines Neubaus, der ohnehin einer Pfahlgründung bedarf, kosteneffektiv installiert werden können.

Eine weitere Möglichkeit, geothermische Energie zu nutzen sind offene Systeme. Bei diesen wird über einen Entnahmebrunnen einem Grundwasserleiter Wasser mit einer durchschnittlichen Temperatur von 8 bis 13 °C entnommen und Wärme über einen Wärmetauscher entzogen (oder zugeführt). Anschließend wird über einen Schluckbrunnen das abgekühlte (oder erwärmte) und ansonsten unveränderte Wasser wieder dem Grundwasserleiter zugeführt. Ein Vorteil von Erdwärmesondenbohrungen und Brunnenanlagen ist, dass während des Sommers im Kühlfall auch Gebäudekühlung möglich ist, d.h. dass Wärme aus dem Gebäude in den Untergrund bzw. in den Grundwasserleiter abgeführt wird. Bei Erdwärmesonden kann in gewisser Weise diese Wärme im Gestein gespeichert und im Winter wieder genutzt werden. Weiterhin ist praktisch kein Fündigkeitsrisiko (bei geschlossenen Systemen) vorhanden, da der Untergrund immer Niedertemperaturenergie gespeichert hat.

Tiefe Geothermie

Mit zunehmender Bohrtiefe steigen die Untergrundtemperaturen an, sodass bei Bohrtiefen von bis zu mehreren tausend Metern höhere Untergrundtemperaturen angetroffen werden. Je nach geologischen Rahmenbedingungen (z.B. geothermische Anomalien wie vulkanisch aktive Gebiete), kann Warm- bzw. Heißwasser, Dampf/Wasser-Gemische oder trockener, überhitzter Dampf gewonnen werden.

Entscheidend bei solchen hydrothermalen Systemen ist die förderbare Wassermenge sowie die Temperatur des geförderten Wassers. Liegt die Temperatur des geförderten Grundwassers unterhalb von ca. 80 °C, so kann es lediglich für balneologische Zwecke oder zur Wärmegewinnung genutzt werden. Werden höhere Grundwassertemperaturen erreicht, kann neben der thermischen Nutzung auch Strom über eine Dampfturbinen-Anlage gewonnen werden. Geothermisch erzeugter Dampf kann ab 150°C direkt in eine Dampfturbine gespeist werden. Das geförderte Wasser wird nach dem Wärmeentzug über eine zweite Bohrung wieder in den Quellhorizont zurückgepumpt. Zwischen 80°C und 150°C werden geothermische Brunnen zur Stromerzeugung über einen Zwischenkreislauf mit einer niedrig siedenden organischen Flüssigkeit genutzt, wofür eine speziell angepasste Turbine verwendet wird. Diese Flüssigkeiten sind sicherheitstechnisch nicht unproblematisch. Dieser Prozess wird im internationalen Sprachgebrauch Organic Rankine Cycle (ORC) genannt. Alternativ dazu wird nach demselben Grundprinzip der sogenannte Kalinaprozess eingesetzt, der mit einem Zweistoffgemisch bestehend aus Amoniak und Wasser arbeitet. Geothermiekraftwerke liefern planbare Leistung, ihr Teillastverhalten entspricht dem von Dampfkraftwerken.

In großen Tiefen kann Erdwärme auch aus (trockenem) dichtem Gestein gewonnen werden. Für dieses Verfahren ist international der Begriff „Hot Dry Rock“ definiert worden. Durch geeignete Maßnahmen wie durch Wasserinjektionen mit hohem Druck (bis zu mehreren hundert bar) werden im Gebirgsuntergrund vorhandene Klüfte hydraulisch aufgeweitet bzw. neue geschaffen. Dadurch soll die reaktive Gesteinsoberfläche bzw. die thermische Austauschfläche erweitert und damit ein effizienter Austausch zwischen Wärmeträgermedium und heißer Gesteinsoberfläche ermöglicht werden. In das entstandene Risssystem wird Wasser oder ein anderes Wärmeträgermedium über eine Bohrung gepresst, erhitzt und über eine zweite Bohrung an die Erdoberfläche gefördert. Nach Wärmetransfer über einen Wärmetauscher in den Kraftwerksprozess wird das Wärmeträgermittel wieder über die Fallleitung in das Risssystem befördert. Die Bohrungen müssen so weit auseinander liegen, dass sie sich thermisch nicht beeinflussen können. Dieser Typ ist sehr aufwendig zu erschließen, weshalb er nur großtechnisch mit hoher Kraftwerksleistung zum Einsatz kommt. Aufgrund der künstlichen Aufweitung von Klüften im Untergrund bei hohen Drücken, kann es zur Lösungen von Spannungen im Untergrund kommen. Diese können sich bis zur Erdoberfläche fortsetzen und zu kleineren (induzierten) Erdbeben führen. In der Regel liegt die Intensität dieser Beben unterhalb der Fühlbarkeitsgrenze, an verschiedenen Standorten wurden jedoch auch Erdstöße der Stärke 2 bis 3 gemessen. So ist bspw. das Tiefengeothermiekraftwerk in Landau in der Pfalz wegen leichter Beben mittlerweile vorübergehend stillgelegt worden. Hingegen gibt es auch Projekte wie im Münchner Raum (Unterhaching, Sauerlach, Dürnhaar) die ohne größere Störungen bereits seit mehreren Jahren im Vollbetrieb laufen.

Wirtschaftlichkeit, Risiken und Projektbesispiele

Tiefengeothermie:

In Deutschland genießt Erdwärme nach dem Erneuerbaren Energiegesetz (EEG) Einspeisevorrang. Der vom Stromkunden pro kWh für diese Technologie zu bezahlende Einspeisetarif, wird wie für alle anderen Erneuerbaren Energien mit jeder neuen Fassung des EEG angepasst. Diese Kosten sowie die Kosten für die Erschließung der Wärmequelle müssen bei einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung berücksichtigt werden. Bei der Tiefengeothermie besteht ein gewisses Fündigkeitsrisiko, falls im Zielhorizont kein Grundwasser angetroffen wird oder die Temperatur und/oder die Schüttrate des Grundwassers zu niedrig ist. Da die Investkosten einer z.T. mehreren tausend Meter tiefen Bohrung relativ hoch sind, ist dieses wirtschaftliche Risiko ebenfalls erhöht. Die mit dem Tiefengrundwasser in Kontakt stehenden Bauteile werden z.T. korrosiv stark angegriffen, was einen höheren Verschleiß der Anlagenteile und damit Wartungs- und Reparaturaufwand bedeutet. Die 2015 in Deutschland installierte Wärmeleistung betrug ca. 271 MW, die installierte elektrische Leistung ca. 35 MW. Eine Übersicht bestehender Anlagen ist unter www.geothermie.de oder www.tiefegeothermie.de abrufbar.

Oberflächennahe Geothermie:

Bei nicht fachgemäßer bzw. unzureichender Auslegung der Wärmequelle kann es zu einer Überbeanspruchung des Untergrundes während der Nutzungsdauer kommen, d.h. die Untergrundtemperaturen sinken ab, verringern dementsprechend die Arbeitszahl der Wärmepumpe und erhöhen damit den Stromverbrauch der Wärmepumpe. Ein Fündigkeitsrisiko besteht, außer bei einer Brunnenanlage, nicht. Insgesamt waren in Deutschland bis 2014 ca. 316.000 Wärmepumpenanlagen in Betrieb, die eine Gesamtwärmeleistung von 3.931 MW liefern. Die neu installierte Anlagenanzahl im Jahr 2015 betrug 18.500 mit einer Wärmeleistung von 196 MW. Eine Übersicht realisierter Projekte in Deutschland ist unter www.erdwaermeliga.de oder www.geothermie.de abrufbar.

Fazit

Risiken sind wie bei jedem Bauvorhaben in der oberflächennahen wie auch der tiefen Geothermie nicht auszuschließen. Bei der Tiefengeothermie werden die Anlagen in den meisten Fällen mit modernster Messtechnik ausgestattet, die kleinste, teils deutlich unter der Wahrnehmungsgrenze auftretende Ereignisse wie Beben und Geländeverschiebungen registriert und aufzeichnet. Jedoch ist nicht auszuschließen, dass unvorhergesehene leicht verstärkte und durch die Bohrungen induzierte Beben auftreten, auch wenn diese in der Regel keine Schäden bewirken. Selbst wenn ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Kraftwerk nicht feststellbar ist, schüren die Ereignisse Ängste bei der Bevölkerung. Bürgerinitiativen formieren sich und üben Druck auf die lokale Politik und die Behörden aus. Die Tiefengeothermie wird in der deutschen Stromwende, nicht zuletzt aufgrund der dichten Besiedlung und der eingeschränkten Standortkompatibilität, vermutlich weiterhin eine untergeordnete Rolle spielen. Hingegen in der Wärmewende besteht ein deutlich größeres Potential mit kalten oder warmen Nahwärmenetzen. Dementsprechend besitzt die oberflächennahe Geothermie mit Raumheizungen und Warmwasserbereitung mittels Wärmepumpen noch großes Potential im Sanierungsbau und insbesondere im Neubau. Der sich in den letzten Jahren abzeichnende Trend nach oben dürfte selbst bei den zuletzt sinkenden Preisen für Mineralölprodukte anhalten.