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Elektrische Netze – Halten sie die Elektromobilität aus?
Autor: Philipp Nobis, Sebastian Fischhaber, Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. (Stand: Februar 2015) Die zukünftig zu erwartende Durchdringung von Elektrofahrzeugen (BEV) sowie die verstärkte Nutzung von dezentralen Erzeugungsanlagen stellen das Verteilnetz vor neue Herausforderungen. Das ungesteuerte Laden einer großen Anzahl an Elektrofahrzeugen kann nicht nur zusätzliche Lastspitzen erzeugen, sondern auch zu einer Erhöhung bestehender Spitzen führen, wodurch es in Niederspannungsnetzen zu Problemen bei der Spannungshaltung oder zu überhöhten Betriebsmittelbelastung kommen kann.
Belastung der Verteilnetze durch Elektromobilität
Im Projekt „Smart Grid – Basis einer elektromobilen Zukunft“ wurden die Netzrückwirkungen infolge von Elektrofahrzeugen und dem Ausbau erneuerbarer Energien auf das Niederspannungsnetz untersucht. In Abb. 1 ist die mittlere Ladeleistung je Fahrzeug eines simulierten Netzgebietes mit 30 % BEV‐Durchdringung in Abhängigkeit der Ladeleistung dargestellt. Es zeigt sich, dass die Lastspitze der Elektrofahrzeugflotte zwischen 17 und 20 Uhr auftritt und sich damit mit der bereits bestehenden Lastspitze überschneidet. Mit steigender Ladeleistung erhöht sich die Spitzenlast um 39 % im Vergleich zu einer Ladeleistung von 3,5 kW [2]. Höhere Ladeleistungen als 10 kW bewirken eine geringere Änderung der Spitzenlast als im Bereich zwischen 3,5 kW und 6 kW. Dies ist auf eine geringere Gleichzeitigkeit der Ladevorgänge bei höheren Ladeleistungen, infolge kürzerer Ladezeiten zurückzuführen. Weiterhin ist zu erkennen, dass das Lastprofil mit steigender Ladeleistung nach vorne um etwa 2 h verschoben wird.
In Abb.2 sind die Auswirkungen einer erhöhten BEV‐Durchdringung auf den simulierten Ortsnetztransformator in Form von Jahresdauerlinien dargestellt. Es zeigt sich, dass die BEV‐Durchdringung einen hohen Einfluss auf die Jahresspitzenleistung hat. Auch die Ladeleistung der Fahrzeuge hat einen hohen Einfluss. Im Vergleich zum Fall ohne BEV bewirkt bei gleicher BEV‐Durchdringung von 10 % eine höhere Ladeleistung von 14 kW eine dreimal höhere Änderung der Spitzenlast – im Vergleich zu 3,5 kW. Ein positiver Effekt der Elektrofahrzeuge ist die Erhöhung des Eigenverbrauchs im Netzgebiet, was durch die Verschiebung der negativen Leistungen in der Dauerlinie ersichtlich wird.
Deutschlandweiter Energiebedarf der Elektromobilität
Im Rahmen des Projekts „Merit Order der Energiespeicherung 2030“ wurde u.a. betrachtet, wie hoch die gesamte Ladeleistung und ‐energie aller Elektrofahrzeuge in Deutschland im Jahr 2030 sein wird.
Im Folgenden (Abb. 3) ist der Jahreslastgang aller Elektroautos für das Jahr 2030 mit 3,3 Mio. Fahrzeugen dargestellt. Der Lastgang zeigt einen volatilen Verlauf mit einem Maximum bei etwa 1,5 GW. Die Elektrofahrzeuge haben einen Jahresenergiebedarf von etwa 3,6 TWh. Im Vergleich zum deutschen Gesamtverbrauch von 550 TWh/a mit einer mittleren Leistung von etwa 70 GW ist der Bedarf der Elektrofahrzeuge als gering einzuschätzen. Der Verbrauch der Fahrzeuge und somit auch die geladene Energiemenge hängen stark von der Temperatur ab und unterliegen somit saisonalen Einflüssen.
Es ist zu erkennen, dass die Lastspitzen im Sommer deutlich geringer ausfallen als im Herbst und Winter.
In Abb. 4 ist exemplarisch der Ladelastverlauf von zwei Tagen einer durchschnittlichen Woche in 2030 farblich dargestellt (KW 40). Die Balken zeigen den stündlichen Energieverbrauch der Flotte. Die farbliche Markierung der Balken gibt an um welche Zeit die Energie der jeweiligen Stunde mindestens verschoben werden könnte, ohne dabei die Ladeenergiemenge zu beeinträchtigen. Der dunkel blaue Anteil des Lastgangs zeigt beispielsweise den Anteil der Ladeenergie, der um mindestens 12 h verschoben werden könnte, der hell blaue den Anteil, der um mindestens 6 h verschoben werden könnte usw.
Es zeigt sich, dass ein Großteil der geladenen Energie ein hohes Flexibilisierungspotenzial aufweist. Grund dafür ist das Ladeverhalten der Nutzer, die meistens nach der letzten Fahrt des Tages die Fahrzeugbatterie laden und erst wieder am nächsten Morgen nutzen. Im Mittel ergibt sich dadurch eine Verschiebbarkeit der Ladevorgänge um etwa 11 h. Durch eine intelligente Ladesteuerung, etwa durch Verschiebung der Lastspitzen in Schwachlastzeiten, könnten folglich negative Netzrückwirkungen deutlich reduziert werden.
Zusammenfassung
Zurzeit führen Elektrofahrzeuge zu keinen Betriebsmittelüberlastungen oder Spannungsbandverletzungen in deutschen Niederspannungsnetzen. Bei einer hohen Verbreitung der Elektromobilität können jedoch Überlastungen in schwach ausgebauten NS‐Netzen bevorstehen. Ladesteuerungen können die Ladevorgänge in Schwachlastzeiten oder Zeiten mit hohem PV‐Ertrag verschieben. Beim Verschieben der Ladevorgänge ist jedoch zu beachten, dass es durch weit verbreitete Ladesteuerungen auch zu hohen Gleichzeitigkeiten kommen kann, welche wiederum Rückkopplungseffekte auf etwaige Lastspitzen haben können.
Im gesamtdeutschen Kontext ist die notwendige Leistung für Elektrofahrzeuge in 2030 nicht besonders hoch. Sie beträgt mit ca. 1 GW (Jahresmaximum 1,5 GW) lediglich 1,4 % der gesamtdeutschen Last in Höhe von 60‐80 GW. Sie ist jedoch hoch genug, um Sekundärdienstleistungen – wie z.B. Regelleistungsbereitstellung – im Jahr 2030 anbieten zu können.