Atommüll in Deutschland

Die aufwändige Suche nach einem Endlager

Autor: Dr. Klaus Hassmann, Sprecher Cluster Energietechnik (Stand: Februar 2018) Der Artikel informiert über den aktuellen Stand der Endlagerdiskussion. Dazu wurden Einschätzungen der Politik, Expertenmeinungen, Journalistenrecherchen dem Internet entnommen.

Der sogenannte „heiße“ Atommüll fällt in Kernkraftwerken in Form der abgebrannten Brennelemente an; bei großen Druckwasserreaktoren, die in Deutschland noch in Betrieb sind, geht es dabei pro Kraftwerk um jährlich ca. 30 Tonnen Material aus dem Reaktorkern; es enthält rund 95 Prozent der zu entsorgenden Radioaktivität. Die abgebrannten Brennelemente müssen einige Jahre lang in einem Abklingbecken aufbewahrt werden, bevor die Aktivität der kürzerlebigen Spaltprodukte soweit abgefallen ist, dass keine ständige Wasserkühlung mehr erforderlich und ein Abtransport möglich ist. Plutonium (Pu) ist ein giftiges und radioaktives Schwermetall; es wird in der Natur nur in kleinsten Spuren in sehr alten Gesteinen gefunden. Beim Betrieb von Kernreaktoren entsteht aus Uran238 in den Brennelementen in größeren Mengen spaltbares Pu239, ein schwerflüchtiges Nuklid, das nur bei sehr hohen Temperaturen aus dem Brennstoff bzw. aus einem Gebinde, z. B. mit anderen radioaktiven Spaltprodukten, freigesetzt wird. In Wasser ist Pu239, wie alle anderen Nuklide auch, lösbar; es wird nach Wiederaufbereitung als Spaltmaterial in frischen „MOX“- Brennelementen, aber auch in Kernwaffen verwendet. Die Halbwertszeit von Pu239, das ist die Zeitspanne, in der die Strahlung auf die Hälfte des Ursprungwertes abgebaut ist, liegt bei ca. 24.000 Jahren; auf ein Viertel hat sich die Ausgangs-Strahlung nach 2 Halbwertszeitperioden, also nach 48000 Jahren, reduziert und so fort. Die Aktivität wird nie Null; sie verringert sich nach x-Halbwertszeiten auf einen vermutlich noch messbaren, jedoch gemessen am Strahlungspegel auf der Erdoberfläche unbedeutenden Wert. Der Müll muss für die Endlagerung vorbereitet, in der Fachsprache "konditioniert" werden. Das Gemisch mit den überwiegend nicht spaltbaren Isotopen wird verglast und in ein Zwischenlager gebracht, wo es einige Jahrzehnte lang weiter abklingen muss, bevor die Wärmeentwicklung soweit zurückgegangen ist, dass eine Endlagerung möglich ist.

Zur Erinnerung

Das „heiße“ Thema beschäftigt die Kraftwerksbetreiber, die Wissenschaft und die Politik; schon im zweiten Atomprogramm der Bundesregierung (1963 bis 1967) wurde mit der Planung möglicher Schritte zur Realisierung einer Abfallendlagerung begonnen. So wurden insbesondere in den Kernforschungszentren Arbeitsgruppen etabliert, die sich mit den wissenschaftlichen Grundlagen der Endlagerung und ihrer experimentellen Absicherung beschäftigen. Im bayerischen Wackersdorf wurde 1985 mit dem Bau einer Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte Brennelementen zur Gewinnung von spaltbarem Uran/Plutonium als Brennstoff für neue Kernkraftwerke begonnen. Die Bautätigkeit wurde vier Jahre später eingestellt. Der Widerspruch der Aufbereitungsgegner war so groß, dass der Bau in Deutschland „für alle Zeit“ untersagt wurde. Aus dieser Beschlusslage heraus war klar, dass der aufgrund der Wärmeentwicklung im Zuge des radioaktiven Zerfalls langlebiger Spaltprodukte besonders belastete Atommüll für alle Zeiten in Deutschland endgelagert werden muss.

Anforderungen an ein Endlager für hochradioaktiven Müll

Grundlage für die Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Müll ist eine Langzeitsicherheit der Lagerung von einer Million Jahren. Der Atommüll soll 500 Jahre lang rückholbar sein. Gesucht wird in Tiefen zwischen 300 und 1.500 Metern, in denen unter anderem Seismik, Störungspotenziale im Deckengebirge oder Isolierungsvermögen des Gesteins stimmen. Die neu gegründete Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat offiziell mit der Suche nach einem Standort begonnen; die Suche nach dem Atommüll-Endlager soll ergebnisoffen, transparent und streng wissenschaftlich ablaufen. Keine Region soll von vornherein ausgeschlossen werden. Die Experten sortieren allerdings zunächst mit Hilfe schon vorliegender Daten Regionen aus, die nicht in Frage kommen - etwa, weil Erdbebengefahr besteht oder viele Menschen dort wohnen. Anhand weiterer Kriterien werden dann theoretisch geeignete Standorte bestimmt. Es folgt eine Erkundung über, dann unter Tage. Bis 2031 soll ein Standort gefunden sein. Für die Lagerung des Mülls sind nur bestimmte Wirtsgesteine geeignet. Konkret untersucht werden Salz-, Ton- und kristalline Formationen. Zu letzteren gehören auch die Granitvorkommen in Mitteldeutschland. Dieses Gestein ist leicht durchlässig für Wasser, weshalb der Müll mit zusätzlichen Barrieren gesichert werden müsste. Als besser geeignet beurteilen die Experten Ton- oder Salzgesteine, von denen Sachsen-Anhalt unter den mitteldeutschen Ländern die meisten möglichen Standorte ausweist.

Pilotversuche, Anlagen und Erkenntnisse

Im niedersächsischen Salzbergwerk Asse sollte Atommüll für die Ewigkeit aufbewahrt werden. Asse II entpuppte sich jedoch als Debakel. Schon nach 40 Jahren Betrieb ist die Ewigkeit vorbei. Von 1967 bis 1978 wurden rund 126.000 Fässer mit leicht und mittelschwer radioaktiv belastetem Material eingelagert – zu Forschungszwecken. Tatsächlich nutzten die Kernkraftwerksbetreiber die Asse jedoch, um ihren "normalen" radioaktiven Abfall dort günstig zu entsorgen. Seit 1978 dringen in über 600 Meter Tiefe täglich rund zwölf Kubikmeter Wasser ein; ohne Konsequenzen, über 30 Jahre lang fast unbeachtet. Erst als dies 2009 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, wurde gehandelt. Die Bundesregierung ersetzte 2008 das Helmholtz-Zentrum als Betreiber der Asse durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Seitdem steht die Asse unter Atomrecht und unter Aufsicht des Bundesumweltministeriums. Neue Gutachten machten die Untauglichkeit der Asse als Endlager wurde immer deutlicher. Das BfS plädierte Anfang 2011 dafür, den Atommüll wieder aus der Asse herauszuholen. Dies sei nach jetzigem Kenntnisstand die beste Variante für den weiteren Umgang mit den dort eingelagerten radioaktiven Abfällen. Die Kosten für die Rückholaktion werden auf etwa vier bis sechs Milliarden Euro geschätzt, die Dauer nach derzeitiger Einschätzung des BfS etwa zehn Jahre. Der Salzstock Gorleben wurde von 1979 bis 2000 auf seine Eignung als Endlager für alle Arten von radioaktiven Abfällen untersucht. Der Standort wurde nicht nur aufgrund seiner Geologie, sondern vor allem aus politischen und regionalwirtschaftlichen Erwägungen festgelegt. Die Erkundung des Salzstockes wurde 2000 auf Veranlassung der Bundesregierung unterbrochen. Die Folgejahre sollten zur Klärung konzeptioneller und sicherheitsrelevanter Fragen zur Endlagerung genutzt werden. Das Moratorium endete im März 2010. Ende 2010 ordnete das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie den Sofortvollzug zur Wiederaufnahme der Erkundungsarbeiten an. Die geplante Endlagerung von Atommüll im Gorlebener Salzstock und die damit verbundenen Castor-Transporte sind regelmäßig Anlass für heftige Proteste, Demonstrationen und Blockadeaktionen zehntausender Atomkraftgegner. Gorleben ist bei der Endlagersuche trotzdem nicht aus dem Rennen. Der Schacht Konrad in einem ehemaligen Eisenerzbergwerk bei Salzgitter ist seit Jahrzehnten als Endlager für schwach- oder mittelaktiven Müll im Gespräch. 2006 wurde der Schacht Konrad zur Nutzung freigegeben. Die Vorbereitungen für den Ausbau des Schachts als Endlager machen Fortschritte. Das BfS rechnet damit, dass die ersten radioaktiven Abfälle 2022 eingelagert werden können. Der Salzstock Morsleben in Sachsen-Anhalt wurde Anfang der 1970er Jahre als Lager von der DDR in Betrieb genommen. Er galt als stark einsturzgefährdet und konnte nur mit Aufwand gesichert werden. Zwischen 1970 und 2000 wurde ein großes Volumen (37.000 m3) an sogenanntem schwach- und mittelstrahlendem Müll aus ostdeutschen Kernkraftwerken, aber auch aus Forschung und Medizin eingelagert - ein umstrittenes Vorgehen, weil nachweislich Grundwasser in die Lagerstollen eindringt. 2001 beschloss das BfS, auf weitere Einlagerungen in Morsleben zu verzichten. Aktuell laufen Versuche, die Kammern mit dem Atommüll abzudichten. Erst wenn die entsprechenden Genehmigungen erteilt sind, soll mit der Verfüllung der Kammern begonnen werden. Danach wäre dieser Müll nicht mehr rückholbar. Als bundesweites Endlager bei der jetzt gestarteten Suche kommt Morsleben nicht in Betracht. 2017 gab es noch in keinem der 30 Staaten, die Kernenergie nutzen, ein geeignetes Endlager für hochaktiven Atommüll; entsprechende Planungen und Vorarbeiten laufen in vielen Ländern seit etwa vier Jahrzehnten. Bis heute wird der hochaktive Müll wiederaufbereitet oder direkt zwischengelagert.

500 Jahre rückholbar

In Deutschland stehen insgesamt ca 600.000 mAtommüll zur Endlagerung an, darunter etwas mehr als die Hälfte aus der Stilllegung der Kernkraftwerke (KKW). Dem Bericht der Endlagerkommission zufolge wird sich die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle in Deutschland bis weit ins 22. Jahrhundert hinziehen. Die Kommission erwartet das Ende der Einlagerung zwischen den Jahren 2075 und 2130. Der eingelagerte Müll soll, wie oben erwähnt, 500 Jahre lang "rückholbar" sein, falls es Probleme gibt. Ein verschlossenes Endlagerbergwerk ist zwischen 2095 und 2170 oder noch später zu erwarten. Demnach müsste hochradioaktiver Abfall bis nach 2100 in Zwischenlagern untergebracht werden. Endlagerungskosten von ca. 50 bis 170 Mrd Euro werden prognostiziert. Die Endlagerung ist offiziell Angelegenheit des Staates und nicht mehr im Verantwortungsbereich der Kraftwerksbetreiber. Wie bereits erwähnt soll bis 2031 ein Endlager gefunden, um es anschließend auszubauen. Damit würden die ursprünglich gesetzten Fristen für Zwischenlager und Castoren, die für 40 Jahre ausgelegt sind, deutlich überschritten.