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Ammoniak – ein idealer Wasserstoff-Speicher
Eine interessante Alternative zum Elektroantrieb?
Autor: Prof. Dr. Jochen Fricke, Cluster Energietechnik (Stand: Oktober 2018)
Seit vielen Jahrzehnten wird die Etablierung einer weltweiten Wasserstoff-Wirtschaft angestrebt. Jedoch konnte bisher die Wasserstoff-Speicherung nicht zufriedenstellend gelöst werden. Neue Entwicklungen zeigen, dass Ammoniak als kohlenstofffreier synthetischer Wasserstoff-Speicher sich bestens als grüner Energieträger eignet. Könnte der CO2-freie Verbrennungsmotor mit Ammoniak als Treibstoff nicht eine interessante Alternative zum Elektroantrieb werden?
Wasserstoff hat von allen Brennstoffen mit 33,3 kWh/kg die höchste massenspezifische Energiedichte (Heizwert). Allerdings ist die volumenspezifische Energiedichte mit etwa drei Wh/Liter sehr gering. Etwa 700 Mrd. m³ Wasserstoff werden heute weltweit jährlich hergestellt. Beim Dampfreforming dient als Wasserstoff-Quelle meist Methan, das bei einem Druck von 25 bar und einer Temperatur von 900 °C zusammen mit Wasserdampf in H 2 und CO 2 umgesetzt wird.
Konventionelle Wasserstoff-Speicherung
Die konventionelle Speicherung von Wasserstoff erfolgt im flüssigen Zustand bei 20 K mit einer Dichte von 71 kg/m³ und einer volumenspezifischen Energiedichte von 2,4 kWh/l. Die Verflüssigung kostet etwa 30 % des Heizwertes. Gasförmig lässt sich Wasserstoff auch bei hohen Drucken speichern, etwa bei 700 bar in CFK-Druckflaschen, dort bei Dichten von 40 kg/m³ und volumenspezifischen Energiedichten von etwa 1,35 kWh/Liter. Der Energieaufwand für die Komprimierung auf 700 bar beträgt ca. 12 % des Wasserstoff-Heizwertes.
Fortschritte bei der Wasserstoff-Speicherung
Mit Fortschreiten der Energiewende und dem Ausbau der fluktuierenden regenerativen Stromquellen wie der Windenergie und der Photovoltaik wird die Wasserstoffproduktion zu Speicherzwecken drastisch zunehmen. Power-to-Gas, kurz P2G, ist hier die in den GW-Leistungsbereich auszubauende Technologie. Dabei kommt meist die Elektrolyse von Wasser zum Einsatz. Zur Herstellung von 1 m³ Wasserstoff bei Normaldruck wird dabei eine elektrische Energie von 4,3–4,9 kWh benötigt – diese ist zu vergleichen mit dem Wasserstoff-Heizwert von 3 kWh/m³, d.h. etwa ein Drittel der elektrischen Energie geht bei diesem Prozess verloren. In die Wasserstoff-Speicherung mit Metallhydriden ist über Jahrzehnte viel Entwicklungsarbeit gesteckt worden. Nachteile des Hydridspeichers sind das geringe Wasserstoff/Metall-Verhältnis und die relativ langsame Aufnahme und Abgabe des Wasserstoffs. Vorteilhaft ist die Sicherheit des gebundenen Wasserstoffs. Weite Verbreitung hat bisher nur der Nickel-Metallhydrid-Akku gefunden.
Favoriten für die Wasserstoff-Speicherung sind heute LOHCs (Liquid Organic Hydrogen Carriers), vorrangig Dibenzyltoluol (DBT), ein preiswertes, nicht toxisches, schwer entzündliches Wärmeträger-Öl, bekannt als Marlotherm. Es besteht aus drei Benzolringen und nimmt beim Hydrieren unter Einsatz eines Ruthenium-Katalysators bei Temperaturen von etwa 200 °C und Drucken von > 5 bar gasförmigen Wasserstoff auf. Dabei werden die Doppelbindungen in den Benzolringen aufgebrochen und ermöglichen die Anlagerung von bis zu 18 Wasserstoff-Atomen pro DBT-Molekül. Man spricht dann von PerOxyDBT. In einem Liter DBT lassen sich etwa 600 Liter gasförmigen Wasserstoffs speichern; dies entspricht einer Speicherdichte von etwa 2 kWh/kg oder 2 kWh/Liter DBT. Durch die H-Anlagerung wird Wärme in Höhe von 0,6 kWh/kg DBT frei gesetzt. Dehydrierung, also Wasserstoff-Abgabe, geschieht durch Wärmezufuhr bei Temperaturen von etwa 300 °C und reduziertem Druck. Mehrere Forschungsinstitute und Industriefirmen forschen an DBT-Speichern und deren Anwendung. Das Unternehmen Hydrogenious Technologies GmbH hat im Januar 2016 in Erlangen die erste DBT-Speicheranlage in Betrieb genommen.
Ammoniak als Wasserstoff-Speicher
Etwa 200 Mio. t Ammoniak (NH 3 ) werden heute jährlich weltweit hergestellt und zu etwa 3/4 für die Düngemittelproduktion verwendet. Der Energieaufwand für die Ammoniak-Produktion entspricht etwa 2 % der Welt-Energieproduktion. Beim am häufigsten verwendeten Herstellungsverfahren, dem Haber-Bosch-Prozess, reagieren die Gase Stickstoff und Wasserstoff bei etwa 200 bar und 450 °C an einem Eisenkatalysator miteinander gemäß: N 2 +3H 2 → 2NH 3 Der Stickstoff wird über die Luftverflüssigung und der Wasserstoff über Dampf-Reforming von Erdgas oder Kohle gewonnen. Das gasförmige Reaktionsprodukt NH3 wird entweder durch Kühlung oder Absorption in Wasser verflüssigt. Auch in einer Brennstoffzelle lässt sich Ammoniak herstellen: Dabei wird an der mit einem Katalysator beschichteten Anode Wasser in Sauerstoff, H+-Ionen und Elektronen gespalten. Die Protonen diffundieren durch einen Elektrolyten und eine Membran zur Kathode. Die Elektronen erreichen diese durch einen Draht. An der Kathode werden Stickstoff-Moleküle mittels Katalysator in N-Atome aufgespalten, die dann mit den Protonen und Elektronen zu NH 3 reagieren können. Ammoniak ist unter Normalbedingungen gasförmig und hat eine Dichte von 0.73 kg/m³. Bei - 33°C ist es flüssig und hat eine Dichte von 0,68 kg/l. Unter 9 bar Druck lässt es sich schon bei 20 °C verflüssigen. Ammoniak ist giftig, aber Menschen riechen Ammoniak bereits in geringsten, ungefährlichen Konzentrationen. Bei seiner Verbrennung entstehen nur Stickstoff und Wasser. Für die Herstellung von 1 kg Ammoniak werden etwa 0,6 kg Methan oder rund 30 MJ ≈ 8,3 kWh benötigt. Der Heizwert von Ammoniak beträgt 5,2 kWh/kg. Dies entspricht einer Effizienz für die Herstellung von 63%. Fest zu halten ist: Der Heizwert von NH3 ist also 2,6 Mal höher als jener von PerOxyDBT – allerdings nur etwa halb so hoch wie der von Benzin oder Diesel und etwa ein sechstel so groß wie jener von flüssigem Wasserstoff.
(Anmerkung der Redaktion: Für die Wandlung in Ammoniak wird Energie benötigt bzw. sind entsprechende Herstellungsverluste zu berücksichtigen.)
Lange Geschichte
Ammoniak wurde schon 1872 als Energiespeicher und Treibstoff verwendet. Damals fuhren die Straßenbahnen in New Orleans mit diesem Energieträger. Im 2. Weltkrieg fuhren belgische Busse mit Ammoniak. 1981 wurde in den USA ein Chevrolet Impala mit Ammoniak betrieben. Heute gibt es weltweit Aktivitäten, Ammoniak als grünen Treibstoff zu etablieren. So leitet Siemens das 300 kW NH 3 -Verbund-Projekt am Rutherford Appleton Laboratory in Oxfordshire/England. Dabei werden die praktischen Aspekte beim Betrieb eines Demo-NH 3 -Energiesystems untersucht, aber auch die ökonomischen Bedingungen für eine grüne Ammoniak-Wirtschaft ermittelt. In Australien gibt es mehrere NH 3 -Projekte: So soll innerhalb des internationalen 10 Mrd. US-Dollar 9 GW Wind+PV-Projektes „Asian Renewable Energy Hub“ auch Ammoniak erzeugt werden. Yara, der weltweit größte Ammoniak-Erzeuger, plant seine CO 2 -lastige Ammoniak-Produktion auf regenerative Energien umzustellen und damit seine CO 2 -Emission um 50 % zu reduzieren. Der Staat South Australia baut eine Ammoniak-Fabrik, die mit Hilfe von Strom aus Wind- und PV-Systemen ab 2020 Dünger und flüssigen Ammoniak herstellen soll. Der flüssige Ammoniak kann in einer Turbine verbrannt oder in einer NH 3 -Brennstoffzelle zur Netzstabilisierung in elektrische Energie umgewandelt werden. Viele weitere F&E-Projekte zur Erzeugung („Beyond Haber-Bosch“), zur Verbrennung und Umwandlung in elektrische Energie werden auf der Pittsburgh Ammoniak-Konferenz vorgestellt.
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Quellen
[1] https://www.the-linde-group.com/de/images/HydrogenBrochure_DE_tcm16-10196.pdf [2] G. Do et al. React. Chem. Eng. 2016(1)313, Hydrogenation of …. Dibenzyltoluene Ammonia, Wang_et_al-2017-AIChE_Journal.pdf [3] https://royalsociety.org/~/media/events/2017/10/decarbonising-uk-energy/Rene%20Benares-Alcantara%20presentation.pdf [4] https://ammoniaindustry.com/ammonia-for-energy-storage-economic-and-technical-analysis/ [5] Haber Bosch-Verfahren BASF Video: https://www.solarify.eu/2017/09/10/ammoniak-als-energiespeicher/ [6] https://www.solarify.eu/2017/09/10/ammoniak-als-energiespeicher/ [7] https://nh3fuelassociation.org/