Zusammenfassung des Projektes „Digitalisierung der Materialentwicklung entlang der Wertschöpfungsketten (DiMaWert)“

18.03.2025 

Prozesswärme macht den weitaus größten Teil des Energieverbrauchs in der verarbeitenden Industrie aus. In Deutschland liegt dieser Anteil bei 68 %. Heutzutage werden drei Viertel der Prozesswärme aus fossilen Brennstoffen erzeugt, was zu einem sehr hohen CO₂-Fußabdruck führt. Andererseits erfordert der Klimawandel effiziente Strategien zur Reduzierung des Gesamtenergiebedarfs und der CO₂-Emissionen – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.

Digitale Methoden, die von der zunehmenden Rechenleistung, der breiten Verfügbarkeit von Algorithmen der künstlichen Intelligenz und großen Mengen an Materialdaten profitieren, bieten zahlreiche leistungsfähige Werkzeuge für die Entwicklung von Wärmeprozessen mit reduziertem CO₂-Fußabdruck. Der vorliegende Bericht beschreibt solche digitalen Methoden. Sie sind eingebettet in einen umfassenderen Ansatz, der experimentelle und rechnerische Werkzeuge kombiniert und auf dem Integrated Computational Materials Engineering (ICME) basiert. Die Methoden wurden im Rahmen des Projekts DiMaWert entwickelt, das von Mai 2020 bis April 2024 am Fraunhofer-Zentrum für Hochtemperatur-Leichtbau HTL in Bayreuth durchgeführt wurde.

Abbildung 1.1 zeigt einen Überblick über die Methoden, die am HTL zur Optimierung von industriellen Wärmeprozessen eingesetzt werden. Von entscheidender Bedeutung für diese Aufgabe ist der sogenannte digitale Ofenzwilling. Er wird meist für eine systematische Optimierung von Besatzplänen und Temperaturzyklen eingesetzt. Bei Bedarf kann auch die Zusammensetzung und Strömung der Ofenatmosphäre optimiert werden. Es konnten deutliche Verbesserungen bestehender Erwärmungsprozesse erzielt werden. Aufgrund der starken Wechselwirkung der Parameter sind herkömmliche Optimierungswerkzeuge bei industriellen Erwärmungsprozessen oft wenig effizient. Mit der in Abb. 1.1 gezeigten Methodik lassen sich Energieverbrauch und CO₂-Emissionen drastisch reduzieren. Zudem kann der Durchsatz erhöht oder flexibel an die Produktionsbedürfnisse angepasst werden. Eine Besonderheit unseres digitalen Ofenzwillings ist die Interaktion des Wärmemanagements innerhalb des Nutzvolumens mit dem jeweiligen Verhalten der Charge (siehe Abb. 1.1). Die Reaktionskinetik und Thermodynamik der Charge ist mit dem lokalen Wärme- und Gastransport im Ofen gekoppelt, so dass Gradienten berücksichtigt werden können. Diese Kopplung verbessert die Aussagekraft der Simulation erheblich. Sie ermöglicht eine Vorhersage der Produktqualität und eine deutliche Reduzierung der Ausschussraten.

Um die geforderte Genauigkeit zu erreichen, verwendet der digitale Ofenzwilling zahlreiche Eingabedaten aus dem Industrieofen, von den Feuerfestmaterialien und der Charge. Ergänzt werden können die Ofendaten durch mobile Ofenprüfgeräte einschließlich eines autonomen Sensormoduls (ASM) (siehe Abb. 1.1). Im Rahmen des Projekts DiMaWert wurden spezielle Sensoren für harsche Betriebsumgebungen entwickelt, die zur Überwachung des Strukturzustands, zur Schlüssellochdiagnostik und zur Temperatur- oder Gasanalyse eingesetzt werden. Die Materialdaten werden entweder aus Datenbanken oder aus Hochtemperaturmessungen an den betreffenden Materialien gewonnen. Letztere sind in der Regel genauer und kostenintensiver. Da für eine realistische Simulation viele Daten erforderlich sind, muss die Anzahl der Hochtemperaturmessungen begrenzt werden. Dies wird durch Sensitivitätsanalysen mit dem digitalen Ofenzwilling erreicht. Sensitivitätsanalysen ermöglichen es, diejenigen Materialeigenschaften zu identifizieren, die einen signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse haben und die es wert sind, gemessen zu werden. Eine weitere Reduzierung des Messaufwands wird durch eine adäquate – bevorzugt physikalische – Parametrisierung der Materialdaten erreicht. Diese Parametrisierung ermöglicht eine genaue Interpolation und kompensiert zufällige Fehler zwischen einzelnen Datenpunkten (siehe Abb. 1.1).

Die Materialdaten der Beladung werden durch spezielle in-situ-Messmethoden gewonnen. Diese sogenannten thermooptischen Methoden (TOM) wurden entwickelt, um die Reaktionskinetik und andere wichtige Eigenschaften während der Wärmebehandlung zu messen (siehe Abb. 1.1). Es wurden spezielle Laboröfen gebaut, um die Atmosphären der Industrieöfen genau zu reproduzieren. Für Entbinderungs-, Sinter- und Schmelzinfiltrationsprozesse wurden ausgefeilte in-situ-Messmethoden und Reaktionsmodelle entwickelt. Andere Wärmebehandlungen wie Trocknung und Graphitierung werden in Folgeprojekten von DiMaWert bearbeitet.

Der Nutzen des digitalen Ofenzwillings ist eng an die Zuverlässigkeit der Simulationen gekoppelt. Daher haben wir großen Wert auf die Validierung der Modelle gelegt. Die Reaktions- und thermodynamischen Modelle wurden an den TOM-Öfen validiert. Im Rahmen des Projekts DiMaWert wurden neue Prüfstände gebaut, die Validierungen für die drei Mechanismen der Wärmeübertragung ermöglichen: Wärmeleitung, Strahlung und Konvektion (siehe Abb. 1.1). Der digitale Ofenzwilling wurde mit verschiedenen Batch- und Durchlauföfen validiert.

Dank der großzügigen Förderung des Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (7 Mio. € ), dem engagierten Einsatz zahlreicher Kolleginnen und Kollegen und dem bereits zuvor erreichten hohen Niveau der Optimierungsmethoden für industrielle Wärmeprozesse ist das HTL für die Verbesserung vieler thermischer Prozesse bestens gerüstet. Zahlreiche Folgeprojekte wurden bereits gemeinsam mit Industriepartnern gestartet. Ein großer Vorteil unserer Methoden zur Effizienzoptimierung ist, dass sie den wahrscheinlich schnellsten Weg zur Senkung der Produktionskosten und des CO₂-Fußabdrucks der energieintensiven Industrie bieten, ohne dass zuvor in die Ofenanlage investiert werden muss. Daher freuen wir uns darauf, die energieintensive Industrie bei der Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt durch weitere Anwendungen unserer Methoden zu unterstützen. Der digitale Ofenzwilling wird in zukünftigen Projekten auch für eine präzisere Steuerung der Heizleistung beim Betrieb der Öfen und für die Konstruktion neuartiger Öfen mit minimalem CO₂-Fußabdruck eingesetzt. Im Hinblick auf die schwankende Energieversorgung durch erneuerbare Energien ermöglicht er die Implementierung von Demand Side Management (DSM) in industriellen Wärmeprozessen, ohne die Qualität der Produkte zu verschlechtern.

Neben dem Ofen haben auch die feuerfesten Materialien einen großen Einfluss auf den CO₂-Fußabdruck von Wärmeprozessen. Einerseits ist ihre Herstellung sehr energieaufwändig. Daher sollte ihre Lebensdauer verlängert werden. Andererseits beeinflussen ihre Eigenschaften den Energieverbrauch während ihrer Nutzung – insbesondere die Wärmekapazität, die Wärmeleitfähigkeit und der Emissionsgrad. Im Rahmen des Projekts DiMaWert wurden auch Methoden entwickelt, um bestehende und neue feuerfeste Materialien im Hinblick auf Lebensdauer und thermische Materialeigenschaften zu bewerten. Anwendungen sind u.a. effizientere Wärmedämmungen, leichte Brennhilfsmittel und flexible Widerstandsheizungen.

Der technische Inhalt dieses Berichts gliedert sich wie folgt: Die Simulations- und Validierungsmethoden für den digitalen Ofenzwilling werden in Kapitel 2 beschrieben. Die Reaktions- und thermodynamischen Modelle für die Charge werden in Kapitel 3 vorgestellt. In Kapitel 4 werden zahlreiche Methoden zur Bereitstellung von Hochtemperatur-Materialdaten erörtert. Methoden für die Auslegung von Feuerfestmaterialien werden in Kapitel 5 beschrieben.

Weitere Informationen

Bayern Innovativ Newsservice

Sie möchten regelmäßige Updates zu den Branchen, Technologie- und Themenfeldern von Bayern Innovativ erhalten? Bei unserem Newsservice sind Sie genau richtig!

Jetzt kostenlos anmelden