Indoor Farming: Automatisiert. Digital. Zukunftsfähig.

Indoor-Farming – insbesondere Vertical Farming in geschlossenen, kontrollierten Umgebungen – gilt als vielversprechende Antwort auf globale Herausforderungen der Lebensmittelproduktion. 

In vertikalen „Pflanzenfabriken“ oder Containerfarmen lassen sich ganzjährig Lebensmittel nahe am Verbraucher erzeugen, mit minimalem Flächen- und Wasserbedarf. Damit dieses Konzept sein volles Potenzial entfalten kann, rücken Automatisierungslösungen, Digitalisierung und Softwareintegration zunehmend in den Mittelpunkt. Moderne Indoor-Farming-Anlagen sind hochkomplexe Systeme, die nur durch den Einsatz intelligenter Technologien effizient und wirtschaftlich betrieben werden können. Prognosen erwarten denn auch bis 2030 ein globales Marktvolumen von rund 33 Mrd. US-Dollar für Vertical Farming – ein Wachstum, das ohne den konsequenten Einsatz von Automatisierungs- und Softwarelösungen kaum zu bewältigen wäre (1).

Automatisierungsbedarf in Indoor-Farming-Anlagen

Ein großer Anteil der Betriebskosten in Indoor-Farming-Anlagen entfällt auf manuelle Tätigkeiten. Studien zufolge sind 26–40 % der Produktionskosten auf Arbeitsaufwände zurückführbar (2). Insbesondere repetitive und arbeitsintensive Prozesse wie Aussaat, Bewässerung, Beleuchtung, Nährstoffverabreichung, Ernte, Sortierung und Verpackung sind prädestiniert für Automatisierungslösungen. Diese ermöglichen neben einer deutlichen Reduktion der Lohnkosten auch eine verbesserte Prozesssicherheit und Rückverfolgbarkeit.

Ein konkretes Beispiel aus Deutschland ist das Start-up Organifarms, das mit dem Roboter "Berri" eine vollautomatisierte Lösung für die Ernte von Erdbeeren entwickelt hat. Der Roboter kombiniert 360-Grad-Kameras mit KI-basierter Bildverarbeitung, um Reifegrad und Position der Früchte zu bestimmen und diese selektiv zu ernten (2).

Auch um die Skalierung künftiger Indoor-Farming-Projekte zu ermöglichen, ist Automatisierung essenziell. Die Urbanisierung und der Wunsch nach lokaler, frischer Produktion nahe den Verbrauchern erfordern Anlagen, die auf begrenzter Fläche maximale Erträge liefern. Vollautomatisierte Vertical-Farming-Konzepte gelten hier als Schlüssel, um mit minimalem Ressourceneinsatz deutlich höhere Produktionsdichten zu erreichen.

Digitale Innovationen: Software, IoT und KI

Neben der physischen Automatisierung gewinnt die digitale Steuerung zunehmend an Bedeutung. Der Einsatz moderner Sensorik (z. B. für Temperatur, Luftfeuchtigkeit, CO₂-Gehalt, EC- und pH-Werte), IoT-Plattformen sowie datengetriebener Farm-Management-Systeme (FMS) ermöglicht eine präzise und adaptive Regelung der Umgebungsparameter. Durch die zentrale Steuerung mehrerer Anlagenteile – häufig cloudbasiert – wird eine hochgradig effiziente und skalierbare Produktionsumgebung geschaffen.

Ein herausragendes deutsches Forschungsprojekt ist „inBerry“, ein Gemeinschaftsprojekt unter anderem des Fraunhofer-Instituts UMSICHT. Es zielt darauf ab, durch den Einsatz neuartiger, KI-gestützter Sensorik und Aktorik eine automatisierte Produktion von Beerenobst unter Indoor-Bedingungen zu realisieren (3).

Künstliche Intelligenz (KI) fungiert in modernen Systemen zunehmend als übergeordnete Steuerungseinheit. Algorithmen ermöglichen nicht nur die Echtzeitoptimierung von Klimabedingungen, sondern auch die Früherkennung von Krankheiten, adaptive Ernteplanung und Qualitätssicherung auf Basis von Bild- und Umweltdaten.

Integrierte Systeme & Automatisierung in der Praxis

Modularisierung und standardisierte Schnittstellen sind essenzielle Bestandteile moderner Indoor-Farming-Infrastrukturen. Sie erlauben nicht nur eine schnellere Inbetriebnahme und Wartung, sondern fördern auch die Weiterentwicklung bestehender Anlagen durch einfache Nachrüstung neuer Komponenten. Ein Beispiel aus der industriellen Praxis ist die Kooperation von Siemens mit 80 Acres Farms. Hier werden Technologien aus der Gebäudeautomation, Energiemanagement und industriellen Steuerung kombiniert, um skalierbare, automatisierte Indoor-Farmen zu ermöglichen (4).

Internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Indoor Farming

Deutschland verfügt über ein breites Spektrum an technologischer Kompetenz, hochqualifizierten Fachkräften und führenden Forschungseinrichtungen. Dennoch wird das wirtschaftliche Potenzial des Indoor-Farmings hierzulande nur teilweise ausgeschöpft. Ein Hemmnis stellt insbesondere die hohe Kostenstruktur dar: Hohe Energiepreise, steigende Betriebskosten und ein im internationalen Vergleich hohes Lohnniveau schränken die Skalierung wirtschaftlich tragfähiger Anlagen ein. Ein prominentes Beispiel ist das Berliner Unternehmen Infarm, das sich 2023 aufgrund ökonomischer Schwierigkeiten aus dem europäischen Markt zurückzog.

Entwicklungen im Indoor Farming in Deutschland mit Fokus auf Bayern

Bayern nimmt im bundesweiten Vergleich eine Vorreiterrolle in der Erforschung und Anwendung von Indoor-Farming-Technologien ein. Zwei herausragende Persönlichkeiten prägen dabei maßgeblich die wissenschaftliche Landschaft:
Prof. Dr. Heike Susanne Mempel leitet seit 2009 die Professur für Technik im Gartenbau und Qualitätsmanagement an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT). Im Jahr 2020 gründete sie das Applied Science Centre (ASC) for Smart Indoor Farming, das als interdisziplinäre Plattform für Forschung und Entwicklung in diesem Bereich dient. Ihre Arbeit konzentriert sich auf die Entwicklung ressourceneffizienter Anbausysteme, die Optimierung von Stoff- und Energiekreisläufen sowie die Qualitätssicherung pflanzlicher Rohstoffe. Ein aktuelles Projekt unter ihrer Leitung ist „IndoorMedPlants“, das die Entwicklung einer sensorgesteuerten Indoor-Farm zur Kultivierung von Arzneipflanzen wie Kamille zum Ziel hat (8).
Prof. Dr. Senthold Asseng ist Leiter des Hans Eisenmann-Forums für Agrarwissenschaften an der Technischen Universität München (TUM). Er untersucht die Potenziale von Vertical Farming im Kontext der globalen Ernährungssicherung und analysiert mittels computergestützter Modellierungen die Effizienz, Klimawirkung und Skalierbarkeit solcher Systeme. Seine Arbeiten leisten einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Bewertung von Indoor-Farming als Bestandteil resilienter Ernährungssysteme (7).

Beide Wissenschaftler arbeiten eng mit nationalen und internationalen Partnern zusammen, etwa im Rahmen des Projekts „CUBES Circle“ des BMBF-Clusters „Agrarsysteme der Zukunft“. Ihre komplementären Forschungsansätze und die enge Zusammenarbeit stärken Bayerns Innovationskraft im Bereich Indoor-Farming und tragen dazu bei, nachhaltige und technologisch fortschrittliche Lösungen für die zukünftige Lebensmittelproduktion zu entwickeln.

Fazit

Indoor-Farming-Systeme bieten einen vielversprechenden Ansatz zur regionalen, klimaneutralen und resilienten Lebensmittelversorgung. Die technologischen Voraussetzungen für wirtschaftlich betreibbare Anlagen sind in Deutschland grundsätzlich vorhanden. Um das volle Potenzial auszuschöpfen, bedarf es jedoch integrativer Strategien: Neben technischer Innovation braucht es auch Investitionen, Förderprogramme und regulatorische Klarheit.

Automatisierung, Digitalisierung und KI sind nicht nur Effizienztreiber, sondern Voraussetzung für die Skalierung. Für Unternehmen aus dem Bereich Maschinenbau, Automatisierungstechnik und Softwareentwicklung ergeben sich daraus neue Wertschöpfungsketten und Geschäftsfelder – nicht zuletzt auch in der bayerischen Innovationslandschaft.

Quellenverzeichnis

(1) The Brainy Insights (2023). Vertical Farming Market Size to Surpass US$33 Billion by 2030. finance.yahoo.com/news/vertical-farming-market-size-surpass-091800667.html
(2) Welt (2021). Dieser deutsche Ernteroboter soll die Indoor-Landwirtschaft revolutionieren. www.welt.de/235109820
(3) Elektro Automatisierung Digital (2024). KI-gesteuerte Produktion von Beerenobst durch neuartige Sensoren. www.elektro-automatisierung-digital.de/case-studies/ki-gesteuerte-produktion-von-beerenobst-durch-neuartige-sensoren
(4) Siemens AG (2023). Turbo für Indoor-Farming: Siemens sorgt für perfektes Pflanzenwachstum. press.siemens.com/global/de/pressemitteilung/turbo-fuer-indoor-farming-siemens-sorgt-fuer-perfektes-pflanzenwachstum
(5) Grand View Research (2024). Germany Indoor Farming Market Size, Share & Trends Analysis Report. www.grandviewresearch.com/horizon/outlook/indoor-farming-market/germany
(6) Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (2024). Applied Science Centre für Smart Indoor Farming. www.hswt.de/forschung/forschungseinrichtungen/institut-fuer-gartenbau/smart-indoor-farming-asc
(7) Technische Universität München (2024). Vertical Farming – Hans Eisenmann-Zentrum. www.hef.tum.de/hef/forschung/fokusthemen/vertical-farming
(8) Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (2023). Prof. Dr. Heike Mempel – Fachgebiet Gewächshaus- und Indoor-Anbau. www.hswt.de/person/heike-susanne-mempel

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