Was kann man mit einem Quantencomputer machen?

Nur wer heute im Bereich Quantentechnologie erste Gehversuche unternimmt, kann morgen mit der internationalen Konkurrenz mitlaufen. Die Hintergründe dazu erklären Ihnen Prof. Dr. Claudia Linnhoff-Popien – Leiterin des QAR-Labs und des Lehrstuhls für Mobile und Verteilte Systeme am Institut für Informatik der Ludwig-Maximilians-Universität, München – und Dr. Andreas Böhm – Leiter des Thinknets Quantentechnologie bei Bayern Innovativ.

Was kann man mit einem Quantencomputer machen
Unternehmen müssen heute den Einstieg in die Quantentechnologie wagen, damit sie morgen mit der internationalen Konkurrenz mithalten können.


Prof. Linnhoff, warum spielt Quantencomputing gerade jetzt eine so große Rolle?

Prof. Dr. Claudia Linnhoff-Popien: Quantencomputer können Aufgaben lösen, die bei herkömmlichen Rechnern völlig unmöglich sind. Zudem können sie dies immens schneller und für eine größere Komplexität tun. Das nennt man Quantenvorteil. Und um diesen Quantenvorteil zu realisieren, haben wir 2016 das Quantum Applications and Research Laboratory (QAR-Lab Bayern) gegründet. Hier können wir auf verschiedene Quantenrechner weltweit zugreifen und prüfen, welche Lösungen diese Rechner für Use Cases aus der Wirtschaft heute schon bieten.

Welche Relevanz hat der Quantencomputer für Ihre Aktivitäten und die bayerische Wirtschaft?

Prof. Dr. Claudia Linnhoff-Popien: Wir unterstützen Firmen dabei, schnellstmöglich einen Quantenvorteil zu erzielen. Um den Einstieg zu erleichtern, teilen wir die Migration in sechs Level ein. Zu Level 0 und 1 zählen wir Firmen, die über die Nutzung von Quantencomputern nachdenken. Bei Level 2 sprechen wir von einer “Longlist”. Hier prüfen wir gemeinsam mit Unternehmen, welche Use Cases für sie geeignet sind, um einen schnellen Einstieg in das Thema Quantencomputing zu ermöglichen. In Level 3 bewerten und selektieren wir gut geeignete Use Cases, um einen Spitzenreiter zu identifizieren. Level 4 steht für die Erprobung eines Use Case, indem wir über das QAR-Lab auf echte Quantencomputer zugreifen und in Level 5 eine Hochrechnung starten. Das Ergebnis: Eine Jahreszahl, die aussagt, wann die Hardware der Quantenrechner so groß sein wird, dass die Firma dort etwas erreichen kann, was heute noch mit Einschränkungen oder gar unmöglich ist.

Und warum beschäftigen wir uns bei Bayern Innovativ mit der Quantentechnologie, Andreas?

Dr. Andreas Böhm: Wir greifen das Thema eine Flugebene höher auf und adressieren diese Technologie an unsere bayerische klassische Industrie und versuchen sie dort anzudocken. Das heißt, wir verstehen uns als Botschafter des Themas - nicht nur in dem Bereich des Quantencomputing, sondern auch in den Bereichen der Quantenkommunikation, der Quantensensorik und der Quantensoftware. Wir möchten bei Anwendern aus den unterschiedlichen Branchen ein Bewusstsein für das Potenzial der Quantentechnologien schaffen. Dies ist im Prinzip der klassische Vorgang eines Technologietransfers, wie wir ihn bei Bayern Innovativ mit unseren Spezialisierungsfeldern ( Mobilität , Energie , Material & Produktion , Gesundheit , Digitalisierung ) schon immer branchenübergreifend leben.


Wir erproben derzeit mit großen Firmen wie BMW, BASF, Siemens und SAP auf verschiedenen Quantencomputern Use Cases. Lassen Sie uns daran anknüpfend prüfen, wie Ihr Unternehmen den Einstieg in die Quantentechnologie schaffen kann.

Prof. Dr. Claudia Linnhoff-Popien Leiterin des QAR-Labs und des Lehrstuhls für Mobile und Verteilte Systeme am Institut für Informatik der Ludwig-Maximilians-Universität, München


Prof. Linnhoff, in welchen Branchen kann Quantencomputing zeitnah einen Mehrwert bieten?

Prof. Dr. Claudia Linnhoff-Popien: Dazu müssen wir erst über zeitnahe Anwendungsgebiete sprechen. Ich zähle hierzu Simulationen, Optimierungen und Künstliche Intelligenz. Bleiben wir bei der Optimierung. Hier kann man quasi jede Aufgabenstellung, die mit kombinatorischer Optimierung zu tun hat, zu einem schnellen Quantenvorteil führen. Ich betrachte also eine große Menge von diskreten Elementen, wähle daraus eine Teilmenge aus, die Nebenbedingungen entspricht und bezüglich einer Kostenfunktion optimiert werden soll.

Können Sie dies anhand eines praktischen Beispiels veranschaulichen?

Prof. Dr. Claudia Linnhoff-Popien: Betrachten wir die Optimierung von Transportwegen. Nehmen wir einen LKW mit fünf großen Paletten, die in fünf Städte ausgeliefert werden sollen. Für fünf verschiedenen Städte ist die Menge der diskreten Elemente die Menge aller nur denkbaren möglichen Routen fünf Fakultät. Das ist also fünf mal vier mal drei mal zwei mögliche Routen. Ich habe also 120 verschiedene Routen, wie der LKW die verschiedenen Städte abfahren kann. Daraus wähle ich eine Teilmenge aus. Die einfachste Teilmenge ist eine Einermenge, denn ich will ja genau eine empfohlene Route ermitteln.
Außerdem soll diese Route Nebenbedingungen entsprechen. Das ist der Abstand zwischen je zwei Städten, welche aufaddiert die Gesamtlänge der zu fahrenden Strecke ergibt. Um die kürzeste Strecke zu ermitteln, muss diese Route bzgl. einer Kostenfunktion (Benzin, Zeit, Verschleiß) minimal sein – das ist ein klassisches Beispiel der kombinatorischen Optimierung.

Und hier kommt der Quantenrechner ins Spiel?

Prof. Dr. Claudia Linnhoff-Popien: Richtig! Denn der klassische Rechner würde jetzt die Länge aller 120 Routen nacheinander berechnen, um die kürzeste Entfernung zu ermitteln. Das klingt jetzt noch einfach. Allerdings wird diese Berechnung sehr komplex, sobald wir die Zahl der Städte auf z.B. 50 Städte erhöhen. Bei gut 50 Städten haben wir mehr Routen (50 Fakultät) als es Atome im gesamten Weltall gibt. Kein klassischer Rechner wird je 50 verschiedene Städte mit allen nur denkbaren möglichen Routen berechnen können. Ein Quantencomputer jedoch benötigt dafür nur eine Rechenoperation – ein unfassbarer Vorteil für diese Art Problemstellungen.

Und nun ist die Frage: “Wie kann dieser Nutzen auf eine praktische Anwendung übertragen werden?” Sehen wir uns die Fabrik der Zukunft an, wo Roboterarme zum Einsatz kommen. Dort stellt sich beispielsweise die Frage: “Was ist die kürzeste Route, die der Roboterarm, der hintereinander fünf Punkte schweißen muss, auf einem Werkstück wählt?”
Ein anderes Beispiel wäre die Portfoliooptimierung in der Finanzwirtschaft. Auf welche Positionen (Fonds, Aktien, Sachanlagen, etc.) teile ich mein Geld auf, um möglichst große Rendite oder möglichst große Sicherheit zu erhalten?
Oder ein Beispiel aus der Arzneimittelforschung: Welche verschiedenen Wirkstoffe muss ich miteinander kombinieren, um einen gewünschten Effekt (Medikament, Impfstoff, etc.) zu bekommen und Nebenwirkungen zu minimieren? Wo liegt das Optimum?

Sie sehen, die Einsatzmöglichkeiten beschränken sich nicht nur auf eine Branche – die Einsatzgebiete für das Quantencomputing sind branchenübergreifend und bieten enormes Potenzial für die Wirtschaft.

Es ist an der Zeit, dass das Thema Quantentechnologie neben den bestehenden Forschungsaktivitäten nun auch auf die Straße gebracht und ein wirtschaftlicher Turnover erzeugt wird.

Dr. Andreas Böhm Projektmanager Technologie | Leiter Quantentechnologie, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg


Welche Botschaft möchten Sie beide interessierten Unternehmen mit auf den Weg geben?

Prof. Dr. Claudia Linnhoff-Popien: Meine Botschaft ist: “Packen wir es an!” Wir sind derzeit mit großen Firmen wie BMW, BASF, Siemens und SAP dabei, auf verschiedenen Quantencomputern Use Cases zu erproben. Lassen Sie uns daran anknüpfend prüfen, wie Ihr Unternehmen den Einstieg in die Quantentechnologie schaffen kann.

Dr. Andreas Böhm: Das knüpft hervorragend an die Intention von Bayern Innovativ an: Das Thema Quantentechnologie oder Quantencomputing muss neben den Forschungsaktivitäten jetzt auf die Straße gebracht und ein wirtschaftlicher Turnover erzeugt werden. Wir unterstützen interessierte Unternehmen mit Angeboten, in denen wir gemeinsam eruieren, welche Anwendunsgfelder für eine Firma überhaupt geeignet wären. Im zweiten Schritt vermitteln wir bei Bedarf passende Partner aus unserem Netzwerk, die bei der Umsetzung mit ihrer Expertise unterstützen können. Hierbei lohnt sich auch immer ein Blick auf unsere Kompetenz-Landkarte . Also, lassen Sie uns gemeinsam den Quantensprung wagen!




Das Interview führte Christina Beinlich, Projektmanagerin Marketing bei der Bayern Innovativ GmbH.

Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an:

Quantencomputing verständlich erklärt

Warum beschäftigt viele Menschen aktuell vor allem der Aufbruch in das Zeitalter der Quantentechnologie? Die Antwort verraten Ihnen Prof. Dr. Claudia Linnhoff-Popien – Leiterin des QAR-Labs und Leiterin des Lehrstuhls für Mobile und Verteilte Systeme am Institut für Informatik der Ludwig-Maximilians-Universität, München – und Dr. Andreas Böhm – Leiter unseres Quantentechnologie ThinkNets.

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Dr. Andreas Böhm

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