Systems Engineering – die Zukunft der Produktentwicklung?

Die Komplexität von Systemen wie bspw. Autos, Flugzeugen oder Werkzeugmaschinen nimmt stetig zu und auch die Bedeutung von Software-basierten Funktionen wird in diesen Systemen immer größer. Dies stellt Unternehmen im Engineering und den darauffolgenden Phasen des Systemlebenszyklus vor zahlreiche Herausforderungen. Ein Ansatz diese Herausforderungen zu adressieren liegt im Modellbasierten Systems Engineering (MBSE), in dessen Rahmen der gesamte Entwicklungsprozess eines Systems unter der formalisierten Anwendung von Modellen abläuft (Quelle: Fraunhofer IPK ).

Systems engineering
Durch komplexer werdende Produkte und die steigenden Anforderungen wird das Systems Engineering weiter an Bedeutung gewinnen.

Mit Expertenwissen zum erfolgreichen Systems Engineering

Im Rahmen der Webinarreihe „Eine Brücke zwischen Wissenschaft und Industrie – Aus der Forschung in die Praxis“ bot die ZD.B-Themenplattform Digital Production & Engineering im Dezember 2021 interessierten Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Industrie einen Einblick in aktuelle Forschungsaktivitäten im Themenfeld MBSE und deren Anwendung in der Praxis. Drei Experten aus Wissenschaft und Industrie gaben Einblicke in die Erforschung und Umsetzung des Systems Engineerings.

Simon Barner, Kompetenzfeldleiter Modellbasiertes Systems-Engineering der fortiss GmbH benennt drei Aspekte, die für eine Umsetzung von MBSE notwendig sind:

  • Sprachen zur Formalisierung relevanter Aspekte von Systemen
  • eine Methodik zur strukturierten Anwendung von MBSE
  • sowie Engineering-Werkzeuge.

Aussagekräftige Modelle bilden dabei die Grundlage, durch automatisierte Verfahren Entwicklungszeit und -kosten zu reduzieren, etwa durch die Vorverlagerung von Entwurfsentscheidungen und Validierungsaktivitäten in frühe Phasen der Entwicklung, sowie die Ausleitung von Entwurfs- und Implementierungsartefakten (z. B. lösungsspezifische Modelle, Code, Konfiguration).

Durch MBSE können in Unternehmen Silos aufgebrochen und somit interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht werden, ist eine Kernaussage von Prof. Dr. Claudio Zuccaro von der Hochschule für angewandte Wissenschaften München. Dabei lassen sich auch bereits im Unternehmen vorhandene Modelle (beispielsweise für Simulationen) mit MBSE-Modellen verknüpfen. Wie letztlich solche Modelle strukturiert werden, kann sehr unterschiedlich aussehen.

Eine Möglichkeit ist die Nutzung Graphbasierter Systeme, wie sie von der semantic PDM GmbH & Co. KG eingesetzt werden. Dr. Andreas Weber, Geschäftsführer der semantic PDM GmbH & Co KG: „Durch ein solches System kann eine Durchgängigkeit über den gesamten Entwicklungsprozess von der User Story bis hin zur technischen Stückliste erreicht werden“.

Wirklich die Zukunft der Produktentwicklung?

Die Experten sind sich einig, dass durch immer komplexer werdende Produkte und die steigenden Anforderungen an Unternehmen (bspw. im Bereich Rückverfolgbarkeit), das Systems Engineering in Zukunft immer weiter an Bedeutung gewinnen wird. Dies betreffe nicht nur die Hersteller großer Systeme wie Autos und Flugzeuge, sondern auch deren Zulieferer und Komponentenhersteller, die Teile solcher Systeme entwickeln und herstellen. Gleichzeitig würden die Tools und Methoden des Systems Engineering stetig weiterentwickelt, wodurch deren Usability deutlich besser wird und sie für immer weitere Anwendungen interessant werden. Zusätzlich könne Systems Engineering bei der Strukturierung und zentralen Ablage von Daten im Unternehmen helfen und somit Firmen auch bei einem professionellen Datenmanagement unterstützen, auf dessen Basis Daten bei Bedarf auch an Kunden geliefert werden können.

Wie gelingt die Einführung des Systems Engineering im Mittelstand?

Abschließend können noch folgende Empfehlungen der Experten an interessierte kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) gegeben werden:

  • Firmen sollten sich zunächst einen Überblick über bestehende Lösungen verschaffen und mehrere davon ausprobieren, um die beste Lösung für die eigenen Bedürfnisse zu identifizieren.
  • Außerdem wäre es sinnvoll, zunächst ein Verständnis für Systems Engineering im Allgemeinen zu erlangen, bevor man sich der Erweiterung zum Modellbasierten Systems Engineering widmet.
  • Bei der Einführung ist es zudem wichtig, das Change-Management nicht aus den Augen zu verlieren, um alle Mitarbeitenden, die von der Einführung einer neuen Lösung betroffen sind, mitzunehmen und zu überzeugen. Diese Einführung kann der Prämisse „Think Big, Start Small“ folgen, nach der Firmen MBSE zunächst in kleineren Pilotprojekten starten und ausprobieren, ob der Ansatz im eigenen Unternehmen einen Mehrwert schaffen kann.


Weiterführende Informationen

fortiss bietet interessierten KMU zudem ein MBSE-Reifegradmodell an und hat ein Whitepaper mit dem Titel „Praxisnahe Einführung von Model-based Systems Engineering“ veröffentlicht.

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Im Labor Experience Center Systems Engineering bietet die Hochschule für angewandte Wissenschaften München zudem ein breites Spektrum an Möglichkeiten der Zusammenarbeit, um den Transfer von Forschungsergebnissen in die Wirtschaft zu fördern.

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