Papier im Wandel

Ob faserbasierte Dämmstoffe in der Baubranche, Leichtbauweisen in der Luftfahrt oder verrottbares Substrat für Pflanzen in der Agrarwirtschaft – die Funktionalitäten und Einsatzmöglichkeiten von Papier sind nahezu grenzenlos. Sie gilt es technologisch weiterzuentwickeln, um der papier- und folienverarbeitenden Industrie neue Perspektiven und Wachstumsmärkte aufzuzeigen.

Papier im Wandel
Funktionalitäten und Einsatzmöglichkeiten von Papier sind nahezu grenzenlos.

Papier im Verbund

Als starke Partner für die Papierbranche arbeiten die bayerischen Papierverbände und Bayern Innovativ seit 2017 intensiv zusammen. Ziel ist es, besonders mittelständische, aber auch große Unternehmen dabei zu unterstützen, in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Bayern Innovativ handelt im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und ist Wissensmanager, Impulsgeber und Beschleuniger von Innovationen. Damit ist Bayern Innovativ der perfekte Partner für die Bayerischen Papierverbände. Unter dem Dachnamen BayPapier bündeln sich die Kompetenzen dreier Verbände: des Verbands der bayerischen Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie e.V., des Verbands Bayerischer Papierfabriken e.V. und des Arbeitgeberverbands Bayerischer Papierfabriken. Gemeinsam setzen sie sich für die Belange der Branche sowie der Mitgliedsunternehmen ein. Diese gestalten mit, profitieren vom einzigartigen Netzwerk und erhalten Zugang zu exklusiven Leistungen. [1]

Wir wollen gemeinsam mit den Bayerischen Papierverbänden Unternehmen gezielt beim Zugang zu neuen Technologien und bei der Erschließung neuer Anwendungsfelder unterstützen. Auf diese Weise ist es möglich, den Unternehmen neue Wertschöpfungsketten zu eröffnen und das Entstehen neuer Produkte und Dienstleistungen zu beschleunigen.

Dr. Rainer Seßner Geschäftsführer, Bayern Innovativ GmbH


Die Rolle von Bayern Innovativ und BayPapier

Bayern Innovativ will in Zusammenarbeit mit den Bayerischen Papierverbänden die Papier- und folienverarbeitende Industrie auch in ihren Zielen hinsichtlich Markteinführung, Qualität, Sicherheit, Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit unterstützen. Bei der Einführung neuer Technologien soll auch immer der Nutzen für die zentralen Punkte aufgezeigt werden. Dazu veranstalten Bayern Innovativ und der Industrieverband BayPapier unter anderem eine Reihe von regionalen Netzwerktreffen mit dem Ziel der interdisziplinären Vernetzung von Branchen und Technologien rund um neue Hightech-Produkte aus den Bestandteilen Papier und Folie. Das bekräftigt auch Dr. Thorsten Arl, Hauptgeschäftsführer BayPapier [2]: „Papier und die Papierwirtschaft insgesamt haben die Chance, Maßstäbe für die Industrieproduktion der Zukunft zu setzen.“ Mit den Netzwerktreffen wolle man neuen Lösungen und Vernetzungen zum Thema Papier eine Plattform bieten. Mit dem gesellschaftlichen Wandel im Bereich der Digitalisierung , Nachhaltigkeit, Logistik oder auch dem Konsumverhalten ergeben sich Potenziale für ganz neue Anwendungen in Branchen wie dem Bauwesen , der Medizintechnik , der Mobilität bis hin zur Landwirtschaft . [3]

Aktuelle Entwicklungen und Trends

Dass eine branchenübergreifende Zusammenarbeit dringend notwendig ist, zeigt sich an den aktuellen Entwicklungen. [4] So sind die Märkte für grafische und druckbare Papiere seit einiger Zeit rückläufig. Wesentlich dafür ist der Trend zur Digitalisierung . Er wird als der Trend mit den durchgreifendsten Auswirkungen auf das Business der Branche gesehen. Hinzu kommt die Corona-Pandemie. Sie hat diesen Rückgang weiter verstärkt und faktisch zu einem vorübergehenden Marktzusammenbruch geführt.

Demgegenüber wachsen die Märkte für Verpackungen und Hygienepapier – auch pandemiebedingt – zurzeit. Doch auch hier muss man sich neuen Herausforderungen stellen. Neben Themen wie Nachhaltigkeit und Reduktion des Energieverbrauchs geht es darum, die eigene Wertschöpfung zu steigern. Der Weg dahin heißt: Aus weniger mehr machen! Die Schritte dahin führen über kontinuierliche Fortschritte beim effizienten Ressourceneinsatz über hohe Recyclingraten bis hin zur Entwicklung neuer Materialeigenschaften.

Neue Funktionen und Technologien mit Papier

Ob niedrigeres Gewicht, bessere Leitfähigkeit, schwerere Entflammbarkeit oder höhere Formbarkeit – wenn es gelingt, das Eigenschaftsprofil von Bauteilen und Systemen mit neuen innovativen Papieren und Folien zu erweitern, steht die Tür für neue Wachstumsmärkte offen.

Durch den Einsatz neuer Technologien können Papier und Folie mit innovativen Eigenschaften so ausgestattet werden, dass beispielsweise die Leitfähigkeit oder Barrierefunktion optimiert werden kann und sich entsprechende neuartige Anwendungsmöglichkeiten realisieren lassen. So ermöglichen neue Funktionalitäten es auch neue Anwendungen zu erschließen. Das Spektrum reicht vom Leichtbau , z. B. Leichtbauverpackungen für die Logistik, den Ersatz von Folien durch Papiere mit ähnlichen Eigenschaften, leitfähige Papiere bis hin zu integrierten Sensoren sowie Barrierewirkung z. B. mittels neuer und nachhaltiger Folien- und Papierstrukturen.

Wichtig dabei ist die Quervernetzung der papier- und folienverarbeitenden Industrie zu Branchen wie der Bauindustrie, der Medizintechnik sowie Elektronik, der Sport- und Textilindustrie bis hin zur Biotechnologie . So kann die Arbeit im Netzwerk zu einem Beschleuniger von Innovationen werden. [5]

Leichtgewichte sind schwer im Kommen

Verkehrsflugzeuge aus Bauteilen und Systemen mit neuen innovativen Papieren und Folien oder Häuser mit Stäben und Platten aus Papier – das geringe Gewicht dieser Werkstoffe eröffnet ganz neue Technologien. Dazu gehören Leichtbauwerkstoffe oder -bauweisen sowie Formgebungstechnologien. Ein schönes Beispiel sind die Freiformen aus leichten Spantenkonstruktionen der Firma Georg Ackermann GmbH aus Wiesenbronn. Das kreative Unternehmen liefert Elemente für Messebau, Ladenbau, Innenausbau, Trockenbau bestehend aus Papier und Holzwerkstoffen. Auch im Flugzeugbau rückt die Verwendung von Papier als Leichtbaustoff immer mehr ins Zentrum der Entwicklungsarbeit. Ziel ist es, Gewicht einzusparen und damit Energie und CO2.

Leistungsfähig durch elektrische Leitfähigkeit

In der Papierindustrie sucht man nach günstigen Möglichkeiten, Anwendungen flexibler Elektronik zu realisieren. Die leitfähigen Papiere eignen sich zum Beispiel in der intelligenten Gebäudetechnik oder der Sicherheitstechnik.

Ein mögliches Verfahren zur Erhöhung der elektrischen Fähigkeit von Papier ist die Beschichtung mit ionischen Gelen. [6] Wissenschaftler haben mittels eines konventionellen Druckverfahrens erneuerbares und biologisch abbaubares Papier mit einem weichen ionischen Gel überzogen. Mit einem Herstellungspreis von rund 1,20 Euro pro Quadratmeter ist eine industrielle Serienproduktion wirtschaftlich machbar. Den Forschern zufolge könnte das leitfähige Papier zum Basisbestandteil flexibler Elektronik, wie aufrollbarer Displays, werden. Auch mit der Verwendung von Carbonfaserpapieren wird experimentiert. Die Einsatzmöglichkeiten reichen vom Einsatz als Flächenheizung über den Caravan-Leichtbau, bis hin zur Abschirmung elektromagnetischer Strahlung.

Papier als digitaler und elektronischer Träger von Informationen

Welche Rolle spielen Papiere und Folien als Informationsträger in einer vernetzten Welt? Das diskutierten 150 Branchenexperten beim 2. Kongress „Innovation+: Papier, Textil & Folie“ , konzipiert und organisiert von der Bayern Innovativ GmbH in enger Kooperation mit BayPapier. [7] Insbesondere die Integration neuer Funktionalitäten wird als Schlüssel für die Entwicklung neuartiger Produkte für Zukunftsmärkte gesehen. Denn klar ist: Oberflächen werden intelligent. Sie erhalten neue Eigenschaften, indem in ihre Beschichtung funktionale Materialien integriert werden. [8] Das Spektrum reicht von elektrisch leitfähigen Beschichtungen, elektrischen Widerstandsheizungen, gedruckter großflächiger Sensorik bis hin zu Technologien für eine echte Interaktion zwischen Mensch und Maschine mittels gedruckter Sensorik.

Digitales Papier ist nicht neu, auch wenn es sich noch nicht flächendeckend am Markt durchsetzen konnte. Dabei ist die Realisierung einfach und hat einen großen Vorteil: die direkte Interaktion mit dem Nutzer. So wurde an der Mid Sweden University bereits 2007 ein interaktives Papier [9] präsentiert, das auf Berührung reagiert. Überzeugende Argumente für die Verwendung des Papiers liegen zum einen in der günstigen Produktion und in der Wiederverwertbarkeit des Materials. Außerdem wurde die Technik, um Schaltungen auf verschiedene Trägermaterialen zu drucken, bereits entwickelt.

Die Anwendungsmöglichkeiten der gedruckten Elektronik sind groß und besonders in der Medizin und Freizeit angesiedelt, z. B. smarte Uhren , Armbänder und sogar mobile Überwachungssysteme für die Sauerstoffsättigung im Blut oder arteriosklerotische Gefäßerkrankungen. [10] Ein bayerisches Unternehmen, das sich auf Printed Electronics spezialisiert hat, ist zum Beispiel die Firma MSWtech von Wolfgang Mildner. Er hat das Potenzial der Elektronik für Papier-, Textil- und Folienprodukte erkannt und weiß die Vorteile zu schätzen, wie zum Beispiel das leichte Gewicht, das dünne Material und die niedrigen Herstellungskosten. [11]

Papier als ökologischer Helfer in der Landwirtschaft

In der Landwirtschaft wird der Einsatz von Papier als verrottbares Substrat diskutiert. Hier liegt ein Schwerpunkt der Forschungsarbeit darauf, wie Papier modifiziert und funktionalisiert werden kann, um als biologisch abbaubares Material eingesetzt werden zu können. [12] Ob zur Lichtreflexion im Obstbau, als Verpackungsmaterial für die Nützlingsausbringung oder als Mulchpapier – bislang wird Papier eher spärlich im Agrarbereich eingesetzt. Besonders hat sich der Einsatz biologisch abbaubarer Mulchfolie [13] durchgesetzt. Die Gründe liegen auf der Hand: Mulchfolie wird auf Basis nachwachsender Rohstoffe hergestellt. Sie ist also schon bei der Herstellung sehr umweltfreundlich.

In der Papier- und Zellstoffindustrie werden Enzyme als Biokatalysatoren eingesetzt, um Holz besser mechanisch zerfasern zu können. Darüber hinaus werden sie sowohl in der Phase der Bleiche als auch beim Recycling eingesetzt und tragen dazu bei, den Energie- und Ressourcenaufwand zu senken.

Umweltfreundliche Wärmedämmung und -isolierung

Die herstellende Industrie setzt zunehmend auf umweltfreundliche Füll- und Isolierstoffe aus Pappe und Fasern. Natürliche Materialien sind ähnlich leistungsfähig wie mineralische oder synthetische Materialien, haben aber einige entscheidende Vorteile: Sie sind gesundheitlich unbedenklich bei der Installation und einfacher zu handhaben. Aus gutem Grund kommen Produkte auf Papierbasis zunehmend in den Bereichen Bau, Mobilität und Energie zum Einsatz.

Heizen mit Papier

Im Bereich der Wärmewirkung entwickelte die Firma Braun CNT mit Sitz im schwäbischen Großengstingen gemeinsam mit dem Fraunhofer IPA Stuttgart ein Papier [14], das auf Graphen als flächige Erscheinungsform des Kohlenstoffs setzt. Die wabenförmige Struktur ist fest und trotzdem biegsam und wandelt Strom sehr effizient in Infrarotwärme um. In Kombination mit Papier als Trägerstoff ist so ein einzigartiges technisches Papier entstanden. Es lässt sich vielseitig einsetzen, wie zum Beispiel als Schicht in dünnen Holzpaneelen. Hier strahlt es konstant 50 °C ab. Die nanofeinen Kohlenstoffschichten brauchen nur wenig Spannung, um viel Wärme zu erzeugen.

Dämmen mit Altpapier

Auch für die Dämmung von Gebäuden sind Produkte auf Papierbasis [15] eine gute Wahl. Bei der losen Zellulose-Dämmung wird Altpapier zerkleinert und für den Brandschutz mit Borsalzen oder Amoniumphosphat behandelt. Letzteres sorgt dafür, dass das Material kompostierbar bleibt. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, die Zelluloseflocken mit Hilfe von Wasserdampf zu Platten zu pressen. Zellulose ist ein umweltfreundlicher produzierter Dämmstoff mit guten Dämm- und Hitzeschutzeigenschaften.

Leichtes Material – schwer entflammbar

Werden Papiere und Kartonagen im Baubereich eingesetzt, kommt es zusätzlich zum leichten Gewicht, ausreichenden Dämmeigenschaften oder auch Leitfähigkeit vor allem auf eines an: die Schwerentflammbarkeit der Materialien . Um verbaut werden zu können, müssen sie die Baustoffklasse B1 gemäß DIN 4102 erfüllen. Dies gilt auch für die Verwendung auf temporären Veranstaltungen und im Messebau. Um schwer entflammbare Materialien umzusetzen, werden verschiedene Technologien eingesetzt. Eine Möglichkeit ist das nachträgliche Imprägnieren.

Papier hebt ab

Besonders Verbundwerkstoffe auf Basis von Papier werden aufgrund ihrer Eigenschaften auch als strukturelle Bauteile in Flugzeugen [16] genutzt. Hier setzt man für die Innenausstattung wegen der hohen Gewichtsreduktion, reduzierten Fertigungskosten und einfacher Handhabung und Lagerung gerne Sandwichelemente [17] ein. Sie gehören zu den wichtigsten Verbundstrukturen im Leichtbau. Bei der Verwendung von Carbonfaserlagen in Sandwichelementen kommen hauptsächlich papierbasierte Wabenstrukturen als Verbindungselement zum Einsatz. Aufgrund der schweren Entflammbarkeit des verwendeten Materials und der sehr geringen Dichte werden die Sandwichelemente häufig für Teile in Flugzeugkabinen als auch für äußere Abdeckungen in der Luftfahrt verwendet.



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