Ökologische Nachhaltigkeit ist ein Wettbewerbsfaktor
Das Streben nach mehr ökologischer Nachhaltigkeit in der Textil- und Bekleidungsherstellung bietet die Chance für Produkt- und Prozessinnovationen. Darüber hinaus beflügelt es die Weiterentwicklung und den Einsatz bisher nicht verwendeter oder nicht marktreifer Technologien und Produkte. Insbesondere in den Bereichen Outdoor und Sport wird die ökologische Nachhaltigkeit in den nächsten fünf Jahren sehr stark an Bedeutung gewinnen, wie die Befragung von 150 Experten im Rahmen der Studie «Textil und Nachhaltigkeit» zeigt (Abb. 1). Bei technischen Textilien, die in unterschiedlichsten Branchen wie dem Automobilbau, der Medizin- oder Industrietechnik Einsatz finden, wird das Thema Nachhaltigkeit ebenfalls zunehmend eine Rolle spielen; hier stehen jedoch die von Normen und Anwendern vorgegebenen Funktionen im Fokus.
Hohe Standards und Umweltauflagen bei der Herstellung textiler Produkte und ein verantwortungsbewusster und zukunftsorientierter Umgang mit Ressourcen sind hierzulande State of the Art. Ein Großteil der Unternehmen der Textil-, Bekleidungs- und Outdoorbranche hat das Thema Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie implementiert. Für einige ist die Nachhaltigkeit zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor geworden. Entsprechend wird auch an der Entwicklung respektive dem Einsatz nachhaltiger Technologien und Produkte gearbeitet. Ein Umweltmanagement ist für viele Unternehmen bereits selbstverständlich.
Abb. 1: In welchem Umfang wird in der Textil- und Bekleidungsindustrie das Thema ökologische Nachhaltigkeit in den nächsten fünf Jahren weiter an Bedeutung gewinnen? (Bildnachweis: Bayern Innovativ)
Faser, Veredelung & Recycling - Potenziale für mehr Nachhaltigkeit
Für mehr ökologische Nachhaltigkeit gibt es zahlreiche Ansatzpunkte und Stellschrauben in der textilen Wertschöpfungskette. Im Rahmen der Studie «Textil und Nachhaltigkeit» wurde der Schwerpunkt auf die technologischen Potenziale und Herausforderungen in den Bereichen Faser, Textilchemie, Veredelung/Beschichtung und Recycling gelegt. Einige Technologien liegen in Marktreife vor, andere haben noch wesentliche Entwicklungsschritte vor sich. Manchmal fehlen umweltverträglichere Alternativtechnologien noch gänzlich. Intensiv wird derzeit z. B. an Alternativen für C6/C8-Fluorcarbonharze für die Realisierung von Schutzfunktionen bei technischen Textilien wie ölabweisende oder chemikalienbeständige Eigenschaften geforscht.
Im Faserbereich sehen 67 % der befragten Experten allgemein ein großes bis sehr großes Potenzial, um durch technische Weiterentwicklungen zu ökologisch nachhaltigeren Produkten und Technologien zu kommen, wie die Erhebungen im Rahmen der Studie ergeben. Insbesondere Biopolymeren und Recyclingfasern wird ein hohes bis sehr hohes Potenzial zugesprochen. Das Einsatzpotenzial von Biopolymeren ist im textilen Bereich jedoch sehr anwendungsspezifisch. Die befragten Experten sehen z. B. im Outdoormarkt ein großes Anwendungspotenzial für neuartige Biopolymere, jedoch sei noch einige Entwicklungsarbeit erforderlich. Aktuell erfüllen die Materialien die Kundenanforderungen hinsichtlich Funktionalität und Performance noch nicht vollständig. Gleiches gilt für Anwendungen im Bereich der technischen Textilien.
Das grösste Entwicklungspotenzial für nachhaltige Technologien und Produkte wird von den befragten Experten in Veredelungs- und Recyclingtechnologien gesehen. In der Textilveredelung und Beschichtung kommen derzeit vorrangig nasschemische Verfahren wie das Foulardieren und die Streichbeschichtung, aber auch immer mehr Minimalauftragstechniken wie Schaumauftrag und Sprühverfahren zum Einsatz. Ein großer Hebel für mehr Nachhaltigkeit liegt in der Prozess- und Anlagentechnik. Hier gilt es, bestehende Techniken zu optimieren und neue zu erschließen, um Energie und Chemikalien einzusparen oder die gewünschten Eigenschaften auf anderem Weg zu erzeugen. Zu den erfolgsversprechenden Ansätzen gehören neben dem Digitaldruck, die UV-LED-Vernetzungstechnik, oder auch langfristig gesehen die Oberflächenstrukturierung durch Lasertechnik. Im funktionellen Digitaldruck wird z. B. von 70 % der befragten Experten ein großes bzw. sehr großes Potenzial für die nachhaltige Funktionalisierung textiler Materialien gesehen. Die Veredelung mittels Digitaldruck ist grundsätzlich möglich, bedarf aber noch weiterer F&E. Die befragten Experten gehen davon aus, dass die Technologie hierfür frühestens in fünf Jahren marktreif sein wird.
Für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ist eine enge Kooperation entlang der gesamten textilen Wertschöpfungskette unerlässlich. Beim Recycling von Bekleidung, von Heim- und Haustextilien, aber auch von technischen Textilien, ist vor allem die Faserrückgewinnung ohne Qualitätsverluste das Ziel. Eine Kreislaufführung ist aber nur dann sinnvoll, wenn eine Stofftrennung funktioniert und dadurch nicht mehr Ressourcen verbraucht werden als bei der ursprünglichen Herstellung.
Eine grosse Herausforderung, gerade bei technischen Textilien, liegt in den unterschiedlichen Fasermischungen, Materialverbünden, Verarbeitungsformen und Ausrüstungen. Hierzu fehlen zum Teil je nach Materialzusammensetzung Trenn-, Sortier- und Aufbereitungstechnologien bzw. sind vorhandene Technologien nicht wirtschaftlich. Forschung und Entwicklung ist auf diesem Gebiet dringend erforderlich, wenn man den Weg zu geschlossenen Stoffkreisläufen beschreiten will. So ist z. B. die Rückgewinnung von Polyester aus gemischten Textilabfällen oder Fasermischungen noch nicht endgültig gelöst, auch wenn es erste Ansätze gibt, um PET über chemische Verfahren in ausreichender Qualität zurückzugewinnen.
Nachhaltigkeit bereits bei der Produktentwicklung
Die Experten sind sich einig, dass für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft bereits bei der Produktentwicklung angesetzt werden muss, um am Ende der Nutzungsdauer wieder sortenreine Reststofffraktionen zu erhalten. Ansatzpunkte sind hier eine Materialauswahl und ein Design, die auch das Lebensende des Produktes und damit ein leichtes Recyceln berücksichtigen. Eine Alternative zum Recycling wäre der verstärkte Einsatz biologisch abbaubarer bzw. natürlicher Materialien und der Aufbau entsprechender Wege und Konzepte für deren Wiederverwertung bzw. Entsorgung.
Einig waren sich die Interviewpartner, dass ein einzelnes Unternehmen in der Textilherstellung keine große Wende zum Denken in geschlossenen Wertstoffkreisläufen bewirken kann – hier ist eine konzertierte Aktion und ein Umdenken der gesamten Branche erforderlich.