Leichtbau mit Papier
Weniger Gewicht, bessere Energiebilanz und mehr Nachhaltigkeit – Leichtbau gehört zu den Schlüsseltechnologien [1] in Deutschland und weltweit. Gegenüber herkömmlichen Produkten weisen Leichtbauprodukte zudem oft bessere Produkteigenschaften auf. Die durchdachte Integration von Funktionen, die werkstoffoptimierte Bauweise und der Einsatz leichterer Materialien verspricht einen schonenden Umgang mit Ressourcen sowie eine verbesserte Funktionalität bei geringeren Produktionskosten. Durch die vielseitigen Ausprägungen und Anwendungsbereiche zählt Leichtbau zu den Querschnittstechnologien. Dementsprechend ist die Vernetzung der Branchen untereinander von entscheidender Bedeutung, um alle Möglichkeiten zu nutzen und weitere zu entwickeln. Bayern Innovativ hat es sich gemeinsam mit den Bayerischen Papierverbänden zur Aufgabe gemacht, den Leichtbau mit Papier branchenübergreifend zu vernetzen und der bayerischen papier- und folienverarbeitenden Industrie neue Wachstumsmärkte zu eröffnen.

Zukunftstechnologie Leichtbau
Für den Leichtbau mit Papier ist ein ganzheitlicher und interdisziplinärer Ansatz erforderlich, der Leichtbaulösungen aus unterschiedlichen Perspektiven und Anwendungen zusammenbringt und weiterentwickelt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) fördert auf übergeordneter Ebene den branchenübergreifenden Wissens- und Technologietransfer , um Leichtbau als Zukunftstechnologie weiterzuentwickeln. Damit wird ein wichtiger Beitrag geleistet, den Industriestandort Deutschland, die Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze zu sichern, die Innovationskultur auszubauen sowie Umwelt- und Klimaschutz zu fördern. [2] Das sieht auch Prof. Rudolf Stauber, Sprecher des Cluster Neue Werkstoffe von Bayern Innovativ , so.
Der Wirtschaftsstandort Bayern wird bereits heute durch die enge und vertrauensvolle Kooperation von Forschungseinrichtungen und Industrie besonders gestärkt.
Weiter ergänzt er: „Zukünftige Forschungsschwerpunkte bei Werkstoffen umfassen unter anderem den Leichtbau, die energieeffiziente und ressourcengerechte Bauteilherstellung, CO2-optimierte Antriebskonzepte sowie die Konzeption von Instrumenten für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Das Gebot der Stunde ist es also, diese neuen Disziplinen dauerhaft in der bayerischen Forschungslandschaft zu verankern und die Industrie durch zweckmäßige politische Rahmenbedingungen zu unterstützen.“ [3]
Starke Verbände für die Papierindustrie
Die Bayern Innovativ GmbH handelt im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und ist Wissensmanager, Impulsgeber und Beschleuniger von Innovationen. Das Unternehmen ist unter anderem im Bereich Papier aktiv und unterstützt gemeinsam mit den Bayerischen Papierverbänden die Papierindustrie im Freistaat. Unter dem Dachnamen BayPapier [4] bündeln sich die Kompetenzen dreier Verbände: des Verbands der bayerischen Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie e.V., des Verbands Bayerischer Papierfabriken e.V. und des Arbeitgeberverbands Bayerischer Papierfabriken. Gemeinsam setzen sie sich für die Belange der Branche sowie der Mitgliedsunternehmen ein. Durch die Initiierung und Steuerung von Netzwerken, den zielgerichteten Informations- und Wissenstransfer, die Strategieberatung für kooperative Innovationen der kundenspezifischen Projektbegleitung und nicht zuletzt bei der Beantragung von Fördergeldern sollen die Standortbedingungen für die Branche in Bayern verbessert werden. [5]
Leichtbau in den Branchen
Von Quervernetzungen profitieren
Faserverbundwerkstoffe besitzen ein starkes Wachstumspotenzial. Ein nachhaltiger Design- und Konstruktionsprozess, die Beherrschung von Fertigungstechnologien sowie die passende Wahl an Werkstoffen sind die Voraussetzungen für erfolgreichen Leichtbau – auch mit dem Werkstoff Papier. Als branchenübergreifendes Themengebiet sind die Bündelung und Vernetzung der Kompetenzen essenziell, damit sich der Leichtbau und somit auch die Wettbewerbsfähigkeit aller Beteiligten effizient und schnell weiterentwickeln. Darüber hinaus ergeben sich völlig neue Möglichkeiten für Unternehmen der papier- und folienverarbeitenden Industrie, da sich viele Branchen für die Herstellung ihrer Produkte in Leichtbauweise interessieren. Beispielsweise spart der Leichtbau im Sinne des nachhaltigen Bauens weltweit enorme Mengen Baustoff ein. In der Luftfahrt und im Automobilbereich ist man hingegen besonders an der Reduktion des Gewichts interessiert.
Luftfahrt: Willkommen an Bord
Leichtbau ist in der Luft- und Raumfahrt elementar. So hätten die ersten Flugzeuge ohne Leichtbaukonstruktionen gar nicht erst abheben können. Zudem kostet jedes Kilogramm Energie , da der Treibstoffverbrauch hauptsächlich vom Gewicht und der Aerodynamik des Flugzeuges abhängt. Bei allen Anstrengungen, die Flugzeuge leichter zu machen, müssen sie natürlich auch stabil gehalten werden und die verbauten Werkstoffe und Komponenten müssen höchste Anforderungen an die Sicherheit erfüllen. Ob heizbare, elektrisch leitfähige oder schwer entflammbare Papiere und Folien – der Bedarf an innovativen Materialien ist groß. Bereits heute werden schwer brennbares Papier sowie Wasserdampfsperren zur Innenraumverkleidung eingesetzt. [6]
Netzwerktreffen nennt Bedarfe
Ein von Bayern Innovativ geplantes Netzwerktreffen sah die Quervernetzung der papier- und folienverarbeitenden Industrie mit Unternehmen der Luftfahrt vor. Im Vorfeld wurden hierzu Gespräche geführt, Bedarfe und Möglichkeiten identifiziert und dann im Zuge der Vorbereitung miteinander abgeglichen. Hierbei ergaben sich ganz klar Bedarfe nach heizbaren, elektrisch leitfähigen sowie schwer entflammbaren papier- oder folienbasierten Materialien, aber auch nach neuen Herstellungsverfahren für Sandwichstrukturen. Besonders interessant war die Fragestellung nach Leichtbau mit Papier und ähnlichen Materialien, wie z. B. Carbonpapieren. [7]
Neue Materialien und Sandwichstrukturen
Bei den Leichtbaumaterialien setzt die Luftfahrtindustrie, verglichen mit anderen Branchen, aktuell den höchsten Anteil an kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen ein. So kommen hochleistungsfaserverstärkte Verbundstoffe (FVK/CFK) bei Modellen von Airbus und Boeing bereits erfolgreich zum Einsatz. Besonders Verbundwerkstoffe auf Basis von Papier werden aufgrund ihrer Eigenschaften gerne als strukturelle Bauteile in Flugzeugen genutzt. [8] Hier setzt man für die Innenausstattung wegen der hohen Gewichtsreduktion, reduzierten Fertigungskosten und einfacher Handhabung und Lagerung gerne Sandwichelemente [9] ein. Sie gehören zu den wichtigsten Verbundstrukturen im Leichtbau. Bei der Verwendung von Carbonfasern kommen hauptsächlich Wabenstrukturen zum Einsatz. Aufgrund der schweren Entflammbarkeit des verwendeten Materials und der sehr geringen Dichte werden die Sandwichelemente häufig sowohl für Teile in Flugzeugkabinen als auch für äußere Abdeckungen in der Luftfahrt verwendet.
Automobilindustrie: Leichte Bauteile – schwer im Kommen
Themen rund um den Leichtbau stellen derzeit eine der größten Herausforderungen für die Automobilindustrie dar. Automobilhersteller und -zulieferer stehen vor Anforderungen, bei denen es um die Reduktion von Gewicht bei Fahrzeugen und den damit verbundenen Auswirkungen auf den Treibstoffverbrauch, die CO2-Emissionen und die Herstellkosten geht.
Die Frage nach dem Material
Ob Carbon, Aluminium, Stahl, Magnesium – die Automobilindustrie experimentiert derzeit mit vielen Leichtbaumaterialien, um Gewicht einzusparen und damit den Verbrauch zu senken. In der Auswahl des geeigneten Materials für jedes Bauteil wird der Schlüssel zum erfolgreichen Leichtbau gesehen. [10] Besonders vom Einsatz von Faserverbundwerkstoffen (FKV/CFK) verspricht sich die Branche, vor allem aus ökonomischen Gründen viel. Wenn es gelingt, die Herstellkosten weiter zu reduzieren, kann der Durchbruch von hochleistungsfaserverstärkten Composites (FVK/CFK) gelingen, so die einhellige Meinung der Branchenexperten.
Leichtere Bremsen
Außer den Werkstoffen müssen auch die Fertigungstechnologien und Konstruktionsprinzipien in die Betrachtung miteinfließen. Ein Beispiel sind papierbasierte Bremsbeläge. Um diese heute noch sehr kostspielige Innovation umzusetzen, ist eine enge Zusammenarbeit aus Herstellungsverfahren, verfahrens- und werkstoffgerechter Konstruktion und Werkstoff notwendig. Das Ergebnis: ein Leichtbauprodukt mit rund 50 % weniger Gewicht, das im Vergleich zur konventionellen Graugussbremsscheibe verbesserte Eigenschaften wie höhere Temperaturbeständigkeit und Einsatztemperaturen besitzt. [11]
Bauteilen eine Struktur geben
Nachwachsende Fasern halten immer mehr Einzug in die Innenausstattung von Fahrzeugen. Herausforderung dabei ist, ihnen die richtige Form zu geben, damit sie stabil und tragfähig sind. Eine Idee sind Sandwich-Formteile, die z. B. als PKW-Ladeboden eingesetzt werden. Im Vergleich zur konventionellen Ausführung aus Aluminium ist das Gewicht um rund die Hälfte reduziert und der Energieverbrauch konnte um 15 % gesenkt werden. [12]
Windenergietechnik: leichter konstruieren mit Papier
Die Windenergie stellt einen attraktiven Zukunfts- und Wachstumsmarkt dar. Entsprechende Leichtbau-Lösungen könnten über die künftige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bei Windkraftanlagen entscheiden, prognostizieren Experten. Die meisten Rotorblätter bestehen derzeit aus GFK oder CFK. Diese Strukturen lassen sich nur aufwändig recyceln. [13] Hier kommt Papier als Verstärkungsfaser in Verbundmaterialien ins Spiel. Mittels einer neuen Blattbildnertechnologie ist es möglich, hochorientierte Papiere herzustellen oder auch mit recycelten Carbonfasern zu kombinieren. Entsprechende Arbeiten laufen an der TU Darmstadt. [14]
Bau und Baustoffe: so baut es sich leichter
Der Materialbedarf wächst, die Umweltbelastungen steigen – deshalb sucht die Baubranche nach Alternativen zu herkömmlichen Baustoffen wie Beton oder Styropor. Eine davon ist Papier. Die Herausforderungen an den Werkstoff sind hoch. Es geht zum einen darum, Eigenschaften wie hohe Festigkeit oder Wasserbeständigkeit anzupassen. Zum anderen sollen stabile und zugleich formbare Strukturen geschaffen werden. In einem von Bayern Innovativ und BayPapier organisierten Netzwerktreffen im Januar 2020 kamen genau diese Themen zur Sprache.
Forschung trifft Praxis
Im Rahmen des Treffens meldete Robert Götzinger von der TU Darmstadt großes Interesse an einem Treffen mit der Bau- und Baustoffindustrie an. [15] Als interessante Themen wurden unter anderem angesprochen: Leichtbau im Bauwesen, Funktionen wie Dämmung, die mögliche Substitution von glasfaserverstärktem Kunststoff im Leichtbau durch entsprechende papierbasierte Materialien sowie Hybridprodukte aus Holz mit Papier.
Leichtbauweisen in der Architektur
Götzinger ist involviert in das Forschungsprojekt „BAMP! – Bauen mit Papier.“ Ziel ist es, wissenschaftliche und technische Grundlagen für die Nutzung von Papier in Bauanwendungen zu schaffen und neue Lösungsansätze zu entwickeln. Modellhaft sollen hier beispielsweise die Fertigung von Stab- und Flächenelementen auf Papierbasis entwickelt werden. [16]
Quellen:
[1] www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Technologie/technologietransfer-programm-leichtbau.html
[2] www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Technologie/technologietransfer-programm-leichtbau.html
[3] www.bayern-innovativ.de/netzwerke-und-thinknet/uebersicht-material/cluster-neue-werkstoffe/seite/materialforschung-in-bayern
[4] www.baypapier.com
[5] www.bayern-innovativ.de/netzwerke-und-thinknet/uebersicht-material/cluster-neue-werkstoffe/seite/materialforschung-in-bayern
[6] www.hintsteiner-group.com/blog/sandwichbauweise-leichtbau
[7] 2020-07-22_Netzwerkaktivitäten Papier_Bayern _Innovativ.pdf S.21/22
[8] www.vonroll.com/de/markt-detail/luftfahrtindustrie/
[9] www.hintsteiner-group.com/blog/sandwichbauweise-leichtbau
[10] www.autoform.com/de/glossar/leichtbau/
[11] www.ipa.fraunhofer.de/content/dam/ipa/de/documents/Publikationen/Studien/Leichtbaustudie.pdf
[12] leichtbauatlas.de/de/best-practice
[13] www.heise.de/newsticker/meldung/Umweltbundesamt-sieht-Probleme-beim-Recycling-von-Windraedern-4573914.html, cited 22.01.2020
[14] www.bayern-innovativ.de/veranstaltung/papier2020
[15] 2020-07-22_Netzwerkaktivitäten Papier_Bayern _Innovativ.pdf S.22
[16] www.tu-darmstadt.de/bauenmitpapier/startseite_1/index.de.jsp
Das könnte Sie auch interessieren
Bayern Innovativ Newsservice
Sie möchten regelmäßige Updates zu den Branchen, Technologie- und Themenfeldern von Bayern Innovativ erhalten? Bei unserem Newsservice sind Sie genau richtig!