11.09.2019
Die Entwicklung neuer Materialien stellt die Werkstoffwissenschaften vor große Herausforderungen: Die Methoden und Experimente sind aufwändig und innovative Werkstoffe werden häufig nur per Zufall entdeckt. Dies soll sich durch den Einsatz umfangreicher Materialdatenbanken ändern, die sich mittels KI einfach durchsuchen lassen.
Materialdatenbanken mit KI durchsuchen. (Bildnachweis: AdobeStock©phonlamaiphoto)
Prof. Dr.-Ing. habil. Marion Merklein, Inhaberin des Lehrstuhls für Fertigungstechnologie an der FAU Erlangen-Nürnberg, beschäftigt sich intensiv mit dieser Thematik: „Solche Materialdatenbanken haben einen großen Nutzen und ein enormes Potenzial, um in Zukunft bisher unerkannte Wirkzusammenhänge zwischen Material- und Produkteigenschaften zu identifizieren.” Ein wichtiger Teil ihrer Arbeit sei es daher, Werkstoffe zu charakterisieren und zu modellieren: „Die gewonnenen Daten sind Grundlage für Materialdatenbanken und somit Ausgangspunkt für diverse Forschungsvorhaben. Hierzu gehören die numerische Prozessanalyse und -auslegung oder auch die wissenschaftliche Arbeit an digitalen Zwillingen realer Fertigungsprozesse vom Halbzeug bis zum finalen Bauteil und dessen Eigenschaften.”
Prof. Merkleins Forschungsschwerpunkt liegt auf der Fertigungstechnik, vor allem auf der Umformtechnik. Sie erforscht, wie aus verschiedenen Werkstoffen funktionsfähige Bauteile und Güter hergestellt werden können, etwa wie aus Blechen Teile für den Fahrzeug- und Maschinenbau werden. „Materialdaten in den Datenbanken sind nur aussagekräftig, wenn sie gemeinsam mit sämtlichen Prozessparametern aufgezeichnet werden, die während der Fertigung auf den Werkstoff eingewirkt haben”, ergänzt Dr. Nicole de Boer, Leiterin des Clusters Neue Werkstoffe . Schließlich würden diese Rahmenbedingungen zur Struktur und somit zu den eigentlichen Eigenschaften des Bauteils beitragen.
KI für Supraleiter
Mögliche Einsatzgebiete für Künstliche Intelligenz in den Werkstoffwissenschaften gibt es viele, zum Beispiel die Erforschung von Supraleitern – Materialien, die beim Herunterkühlen den elektrischen Strom ohne Widerstand leiten können. Hierfür müssen die Materialien allerdings meist auf extrem tiefe Temperaturen abgekühlt werden.
In keramischen Materialien , die aus den chemischen Elementen Yttrium, Barium, Kupfer und Sauerstoff (YBCO) bestehen und aus einer komplizierten Perowskit-Struktur aufgebaut sind, entdeckten Forscher die sogenannte Hochtemperatur-Supraleitung, bei der die Materialien nur noch bis zur Temperatur von flüssigem Stickstoff abgekühlt werden müssen. Weshalb bei diesem YBCO-Material die Supraleitung bereits bei unerwartet hoher Temperatur einsetzt, ist allerdings bisher noch unbekannt. Machine Learning und KI könnte Forschern in Zukunft helfen, diesen Effekt zu verstehen, um dann gezielt nach Supraleitern forschen zu können, die bei Raumtemperatur ohne aufwändige Kühlung funktionieren.