Bauteile können aus einem oder mehreren festen oder flüssigen Werkstoffen aufgebaut werden. Der Prozess ist computergesteuert, der Aufbau erfolgt über physikalische oder chemische Härtungs- und Schmelzprozesse. In der keramischen Industrie kamen in der Vergangenheit Lithographieverfahren wie das SLS (Selektives Lasersintern) oder DLP (Digital Light Processing) zum Einsatz und führten anfangs ein Nischendasein. Gründe für die anfänglich geringe Nutzung dieser neuen Technologie waren die mangelnde Bereitschaft der Unternehmen, additive Verfahren für Bauteile einzusetzen, fehlendes Know-how und die Anschaffungskosten für entsprechende Anlagen von meist deutlich über 100.000 €, verbunden mit hohen Materialkosten. Die langen Fertigungszeiten der Bauteile implizieren auch hohe Stückkosten. Je nach Fertigungsverfahren gab und gibt es Einschränkungen in der Bauteilgröße und beim SLS-Verfahren sind die Suspensionen anlagenspezifisch. Die Problematik bei einigen der 3D-Druck-Verfahren, die für technische Keramik genutzt werden, liegt in der herausfordernden Entwicklung der Entbinderungsofenkurve, die bis zu fünf Tagen dauern kann und den konstruktiven Änderungen zur Umsetzung der Kundenbauteile.
Keramischer 3D-Druck auf dem Vormarsch
Trotz aller Herausforderungen ist die Additive Fertigung eine Zukunftstechnologie, auch für die Keramikbranche. Einige Betriebe aus diesem Bereich haben bereits in 3D-Druck-Anlagen investiert und nutzen das innovative Herstellungsverfahren. Zwar sind erste Testläufe gelegentlich mit kostenintensiven Lernkurven verbunden, doch langfristig lohnt es sich häufig, in die Additive Fertigung einzusteigen. Auch in Bayern gibt es immer mehr Unternehmen, die den 3D-Druck erfolgreich einsetzen und Forschungseinrichtungen, die durch ihre Arbeit zur Weiterentwicklung der Technologie beitragen.
Das LCM-Verfahren (Lithography-based Ceramic Manufacturing) ist ein additives Fertigungsverfahren zum Aufbau von 3D-Objekten aus technischer Keramik. Im Stereolithographieverfahren wird ein Grünkörper oder auch Grünling mittels einer flüssigen Suspension aus feinkörnigem Keramikpulver und einem UV-lichtempfindlichen Monomer Schicht für Schicht aufgebaut und über die Bestrahlung ausgehärtet. Anschließend erfolgt eine mehrstufige thermische Behandlung bei Brenntemperaturen bis zu 1.600 °C. Beim thermischen Entbindern werden die als Bindemittel eingesetzten Polymere entfernt. Erst im letzten Sintervorgang erhält das Bauteil die für Keramik typischen Eigenschaften. Keramische Suspensionen sind bisher nicht universell einsetzbar. Rohstoffherstellende Unternehmen haben sich in den letzten Jahren dieser Aufgabe gestellt und arbeiten an der Entwicklung keramischer Suspensionen für die Lithographie, um sie universell einsetzbar zu machen.
Derzeit gibt es zwei große Maschinenanbieter für den technischen Keramik-3D-Druck auf dem Markt: Lithoz und 3DCERAM. Lithoz entwickelte die LCM-Technologie auf Basis von fotovernetzbaren Polymeren. 3DCERAM setzt auf der gleichen physikalischen Basis den laserbasierten Stereolithografieprozess für die technische Keramik um.
Keramische Innovationen aus Bayern und der Slowakei
Die oberfränkische Alumina Systems GmbH, die Partner im Cluster Neue Werkstoffe von Bayern Innovativ ist, besitzt den bisher größten kommerziell erhältlichen 3D-Drucker von 3DCERAM. Der Drucker hat ein Baufeld von 600 mm x 600 mm und ermöglicht somit die Herstellung von 3D-gedruckten Bauteilen in großer Dimension. Es ist nun möglich, Spezialteile in Klein- bzw. Serienproduktion zu fertigen. Das Unternehmen hat den Anspruch, durch Innovation und Kundennähe unangefochtener Marktführer im 3D-Druck technischer Keramik zu sein. Über den Einkauf spezieller IPs wurde im Jahr 2020 nun ein eigener 3D-Druckprozess zur Industriereife gebracht, der „laserinduzierte Schlickerguss (LIS)“. Dieses Verfahren kommt mit deutlich geringeren Materialkosten aus, da die Aufbereitung der Keramiksuspension wesentlich einfacher ist und kommt daher mit deutlich geringeren Kosten als jeder andere auf dem Markt erhältliche Drucker aus. Die Aufbauzeiten sind um Größenordnungen geringer und die Bauteilgeometrie in Hinsicht auf Wandstärke und Bauteilgröße sind vergleichbar zu isostatisch oder trockengepressten Bauteilen. Der Geschwindigkeits- und Kostenvorteil geht allerdings auf Kosten der Präzision, die nicht ganz im Bereich der Lithografieverfahren liegt. Aber dies ist noch Gegenstand der aktuellen Weiterentwicklungen an der kürzlich vom Kooperationspartner gelieferten Prototypenmaschine.
Ende 2020 ist es Forschenden an der Slowakischen Technischen Universität gelungen, ein neues Material für den keramischen 3D-Druck zu entwickeln. Damit soll der 3D-Druck mit Keramik für den Privatgebrauch erschwinglicher werden. Das Keramikmaterial kann mit handelsüblichen FFF-3D-Druckern selbst im Low-Cost-Bereich additiv verarbeitet werden.
Die FFF- (Fused Filament Fabrication)/FDM- (Fused Deposition Modeling) Technologie ist eine simple Möglichkeit, Bauteile zu fertigen. Benötigt wird ein Druckbett, auf dem das Objekt gedruckt wird, eine Spule Filament, die das Druckmaterial liefert sowie ein Druckkopf, der auch Extruder genannt wird. Das Filament wird abgerollt und von einem Extruder geschmolzen. Anschließend wird das Material Schicht für Schicht auf der Druckplatte abgelegt.
Das Material besteht aus einem auf PVA basierenden Bindemittel und Keramikpulver. Es kann aus Standard-0,4-mm-Düsen extrudiert werden. Zusätzliche Systemanpassungen und teure Spezialöfen für eine Nachbearbeitung sind nicht notwendig. Damit wurde das Material auch für Hobby-Anwenderinnen und Anwender interessant. FFF-Systeme sind zudem günstig. Keramik kann auch mit Polymeren wie ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol) und PLA (Polylactid) gemischt werden, um neuartige Filamente zu bilden.
Unternehmen haben großes Interesse an Fertigungsanlagen, die Standards industrieller Produktion, beispielsweise Zuverlässigkeit und hochwertige Komponenten, mit dem kostensenkenden Ansatz einer modularen Bauweise verbinden. Im Projekt „Wirtschaftliches Additive Manufacturing durch modulare Maschinenkonzepte für Kleinserienproduktion in KMU“ (AddPro-KMU) der Technischen Hochschule Nürnberg wurden passende Maschinenkonzepte zusammengestellt und umgesetzt. Darin wurde zum einen durch standardisierte Baugruppen (Antriebseinheit, Bedieneinheiten, Druckköpfe etc.) eine universelle Einsetzbarkeit von Schlüsselkomponenten in verschiedenen Maschinenkonzepten erreicht. Zum anderen erlaubt die Modularität einen stufenweisen Ausbau der Anlage, je nach Anforderungen. So kann für einen relativ niedrigen Anschaffungspreis eine Anlage auf Industrieniveau umgesetzt werden, die durch zusätzliche Module in ihrer Funktion erweitert werden kann. Die Technische Hochschule Nürnberg ist Partner im Cluster Neue Werkstoffe (CNW). Eine erfolgreiche Modifikation dieser kostengünstigen modularen Maschine erlaubt es, die FFF-Technologie kostengünstig umzusetzen. An der Umsetzung dieser Modifikation war das Start-up Keramik Innovation Berthold aus Erlangen, ebenfalls Partner im Cluster Neue Werkstoffe , durch Bereitstellung von Filamenten und Unterstützung von Bachelorarbeiten beteiligt.
Additive Fertigung: Die aktuelle Marktsituation
In den vergangenen drei Jahren ist der weltweite Umsatz an Geräten, Materialien und Dienstleistungen mit Bezug zur Additiven Fertigung um durchschnittlich mehr als 33 % pro Jahr gewachsen. Ein wesentlicher Treiber für dieses Wachstum ist das Auslaufen von frühen Patenten im Zusammenhang mit Geräten und Prozessen. Dies hatte die Gründung vieler Start-ups zur Folge. Von dieser Entwicklung kann auch die Keramikbranche profitieren, denn die Möglichkeiten für den keramischen 3D-Druck werden zunehmen.