Sieben Fragen zur Kreislaufwirtschaft und einer zirkulären Wirtschaftsweise

Um ein Umdenken hin zu einer Kreislaufwirtschaft mit sekundären Rohstoffen werden wir in Zukunft nicht herumkommen, denn die lineare Wertschöpfung ist bereits an ihre Grenzen gestoßen. Wie eine zirkuläre Wirtschaftsweise eine zukunftsfähige Unternehmensführung unterstützt, und Unternehmen sich dadurch nachhaltig und zukunftsfähig aufstellen können, werden anhand der folgenden sieben Fragen und Antworten aufgezeigt.

Titel 7 Fragen an Peter Steidl

Peter Steidl – Projektmanager im Cluster Neue Werkstoffe bei Bayern Innovativ erklärt die Zusammenhänge und wo der konkrete Nutzen für Unternehmen einer Kreislaufwirtschaft liegen.

Was sind die Vorteile der Kreislaufwirtschaft und ist diese auch interessant für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU)?

Peter Steidl: Die Kreislaufwirtschaft bezeichnet eine Wirtschaftsweise in einem geschlossenen Kreislauf. Im Gegensatz zur linearen Wirtschaft entstehen wenig bis keine Abfälle, wodurch keine Wertstoffe verloren gehen. Die Vorteile der Kreislaufwirtschaft liegen dabei auf der Hand. Schätzungen zu Folge können bis zum Jahre 2030 an die 50% der CO 2 -Emissionen eingespart werden und durch einen geringeren Ressourcenverbrauch können jährlich 700 Millionen Dollar an Materialkosten gespart werden. Für die Gewinnung und Verarbeitung von primären Rohstoffen, wird derzeit 75 % des industriellen Energieverbrauchs verwendet, welcher durch eine nachhaltigere Wertschöpfung ebenfalls verringert werden kann. Das aktuelle Wirtschaftssystem basiert dennoch auf dem linearen Ansatz. Doch der Druck wächst auch auf kleine und mittelständische Unternehmen. Neue Gesetzgebungen, Auswirkungen des Klimawandels, höhere Energiekosten und Schwierigkeiten in der Supply-Chain bewirken ein Umdenken von der linearen Wirtschaft hin zur Kreislaufwirtschaft. Dieses Umdenken führt zu neuen, nachhaltigen und wirtschaftlich erfolgreichen Produkten und Geschäftsmodellen. Die zirkuläre Wirtschaftsweise kann somit eine zukunftsfähige Unternehmensführung von kleinen und mittelständischen Unternehmen unterstützen.

Was ist notwendig, um diese Vorteile als KMU nutzen zu können?

Peter Steidl: Für den Kreislaufwirtschaftsansatz gibt es keine pauschale Lösung. Dennoch kann jedes Unternehmen die Vorteile der Kreislaufwirtschaft nutzen. Hierbei ist es zunächst wichtig, die eigenen Waren- und Wertstoffströme zu analysieren und zu verstehen. Dabei können beispielsweise Nachhaltigkeitsbewertungen oder Lebenszyklusanalysen helfen. Für bestehende Produkte kann im nächsten Schritt jeder Lebensabschnitt eines Produktes auf Optimierungs-potenzial überprüft werden. Dadurch können beispielsweise Materialverbrauch verringert oder neue Geschäftsmodelle im Bereich Wiederverwendung oder Aufbereitung entstehen. Bei neuen Produkten können bereits in der Designphase die Verlängerung der Nutzungsphase und das Recycling beachtet werden. Auch lokale Netzwerke können durch innovative Ansätze Unternehmen bei der Schließung von Wertschöpfungsketten unterstützen.

Was sind die größten Herausforderungen in der Kreislaufwirtschaft?

Peter Steidl: Eine der großen Herausforderungen ist das notwendige Umdenken aller Beteiligten von der derzeitigen Weise, wie Produkte hergestellt und benutzt werden, hin zu einer nachhaltigeren Form des Wirtschaftens. Mit dem Circular Economy Action Plan werden die Ambitionen der EU verdeutlicht, dass in Zukunft auch vermehrt mit Gesetzgebungen für einen zirkulären Ansatz zu rechnen ist. Jedoch muss beachtet werden, dass nicht jeder Kreislauf zwangsläufig geschlossen werden sollte, da Umweltbilanzen hierdurch nicht negativ beeinflusst werden dürfen. Denn der Energieaufwand zur Aufbereitung von sekundären Rohstoffen und damit auch der wirtschaftliche Aufwand ist vor allem bei geringen Konzentrationen sehr hoch. Hier sollten vor allem effizientere Technologien und Sortiermethoden entwickelt werden. Auch das Selbstverständnis des unbegrenzten Wachstums kann mit geschlossenen und begrenzten Kreisläufen nicht weiterverfolgt werden. Die Kreislaufwirtschaft ist somit ein Wichtiges, aber auch eines von mehreren Konzepten, die für eine nachhaltigere Zukunft notwendig sind.

Wie können sich Unternehmen zukünftig besser aufstellen, um auch die Resilienz von Wertschöpfungsketten zu sichern?

Peter Steidl: Der jährliche Erdüberlastungstag (Earth Overshoot Day), also der Tag, an dem nachwach-sende Rohstoffe durch die Weltwirtschaft verbraucht wurden, verdeutlicht die Unsicherheiten der linearen Wertschöpfung. Mit dem aktuellen Ressourcenverbrauch würde die Weltbevölkerung 1,75 Erden pro Jahr benötigen. Zudem werden die meisten der als kritisch eingestuften Rohstoffe aus Nicht-EU Ländern eingeführt. Die Corona-Pandemie hat diese Abhängigkeiten mit Problemen in der Lieferkette deutlich aufgezeigt. Um die Resilienz von Wertschöpfungsketten zu verbessern, sollte die Rohstoffversorgung nachhaltiger gestaltet werden. Der Einkauf von Rohstoffen kann in einem ersten Schritt diversifiziert werden, um einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden. Aber auch der Kreislaufansatz mit Verarbeitung, Nutzungsphase und Recycling bzw. Wiederverwendung kann zur Sicherung der Wertschöpfungsketten beitragen. Sekundäre Rohstoffe können somit einen wesentlichen Anteil zur Rohstoffversorgung der EU beitragen. Die Europäische Kommission will mit einem Aktions-plan die Entwicklung effizienterer Technologien für die Nutzung und Aufbereitung von Abfällen unterstützen. Um die Resilienz der eigenen Wertschöpfungskette zu sichern, kann es zusätzlich Sinn machen, über die Substituierbarkeit von kritischen Rohstoffen nachzudenken. Auch lokale Wertschöpfungsketten und biobasierte Lösungen führen zu weniger Unsicherheiten in der Versorgung.

Was kann getan werden, um Roh- und Werkstoffe möglichst lange im Kreislauf zu halten bzw. Wertschöpfungsketten zu schließen?

Peter Steidl: Der Anteil der Roh- und Werkstoffe, die in einem wirtschaftlichen Kreislauf gehalten wer-den, kann mit der „Circular Material Use Rate“ (CMUR) beschrieben werden. Im Jahr 2020 lag dieser Wert für die EU im Durchschnitt bei 12,5%. Dieser Wert kann durch eine längere Produktnutzung und geringerer Verbrauch von fossilen Energiequellen erhöht werden. Auch müssen Abfälle vermehrt als Ressourcen anerkannt werden. Grundsätzlich kann der Kreislauf von Werkstoffen durch Instandhaltung und Wiederverwendung, Umnutzung und Reparatur sowie Recycling verlängert bzw. geschlossen werden. Ein Beispiel hierfür ist die Kaskadennutzung von Wertstoffen bzw. Produkten, wie sie konkret in der Holzindustrie beobachtet werden kann. Zunächst als Vollholz (beispielsweise Bauholz) verwendet, kann der Rohstoff Holz weiter für spanbasierte, faserbasierte und chemische Produkte genutzt werden. So werden Werkstoffe, in ihrem Lebenszyklus mehrfach unterschiedlichen Nutzen zugeführt, bevor Sie aufbereitet und in den Kreislauf als sekundärer Rohstoff zurückgeführt werden. Die Verwertungsqualität nimmt hierbei jedoch immer weiter ab. Zur Schließung von Wertschöpfungsketten können digitale Tools wie künstliche Intelligenz und digitale Marktplätze für sekundäre Wertstoffe als auch lokale Netzwerke und nachhaltige Geschäftsmodelle der Kreislaufwirtschaft einen Beitrag leisten.

Wie komme ich mit Unternehmen aus anderen Branchen in Kontakt, um die Wiederverwertung meines Produkts über die Kreislaufwirtschaft komplett abzubilden?

Peter Steidl: Unternehmen aller Branchen orientieren sich vermehrt an einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise. Beispielsweise gibt es eine Vielzahl an softwarebasierten Start-ups, welche digitale Marktplätze für sekundäre Materialien oder Lösungen im Bereich nachhaltiger Produkte anbieten. Als Bayern Innovativ kennen wir unser großes Netzwerk an innovativen Unternehmen und bringen es branchenübergreifend durch Veranstaltungen wie beispielsweise „Zirkuläre Werkstoffe – Innovationen für die Zukunft“ zusammen. Auch in unseren Netzwerken wie dem Cluster „Neue Werkstoffe“ werden Themen wie Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz betrachtet und durch Wissenstransfer und Vernetzung der Partner unterstützt. Unsere Netzwerke und Veranstaltungen bringen Unternehmen zusammen und unterstützen sie dabei, sich innovativ und zukunftsfähig auszurichten.

Gibt es Programme oder Unternehmen, die die Umstellung auf eine Produktion mit zirkulären Werkstoffen fördern oder unterstützen?

Peter Steidl: Der Circular Economy Action Plan der Europäischen Kommission unterstreicht den zunehmenden Druck auf die lineare Wirtschaftsweise. In Deutschland und Bayern werden durch Investitions- und Forschungsprogramme verstärkt nachhaltige bzw. zirkuläre Vorhaben unterstützt. Als Förderlotse bei der Bayern Innovativ kenne ich relevante Förderprogramme und kann gemeinsam mit meinen Kollegen vom Projektträger Bayern Unternehmen dabei unterstützen, Investitionen sowie Forschung- und Entwicklung fördern zu lassen.

Fazit:

Die Kreislaufwirtschaft ist ein wichtiges Konzept für eine nachhaltige Zukunft. An zirkulären Werkstoffen wird man zukünftig nicht vorbeikommen, denn der Druck aufgrund von begrenzten Ressourcen, steigenden Energiekosten und Lieferschwierigkeiten steigt. Aber auch die Gesetzgebung wird sich nicht nur deutschland-, sondern auch europaweit dahingehend ändern.

Denken Sie schon heute um und setzen Sie auf eine sekundäre Wertschöpfung in Ihrem Unternehmen. Ziehen Sie den Nutzen aus zirkulären Werkstoffen und geben Sie damit neuen, nachhaltigen und wirtschaftlich erfolgreichen Produkten und Geschäftsmodellen die Chance, Ihr Unternehmen für die Zukunft marktfähig aufzustellen.

Wenn Sie Fragen zu unseren Netzwerken, Veranstaltungen oder zu Förderprogrammen haben, dann sprechen Sie uns an. Wir unterstützen Sie gerne!

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Peter Steidl

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