Digitale Revolution in der Baubranche?
30.10.2020
In der bayerischen Baubranche sind 147.000 Menschen in knapp 13.000 Betrieben beschäftigt, sie erwirtschaften einen Umsatz von 24 Milliarden Euro. Aktuell befindet sich die eher konservativ geprägte Branche im Wandel – Stichwort Technologisierung und Digitalisierung. Auf diesem spannenden Weg möchte Rüdiger Busch, Leiter des Netzwerks innovativer Massivbau, bayerische Unternehmen gemeinsam mit seinem Team unterstützen.

Rüdiger, was sind derzeit die wichtigsten Themen im innovativen Massivbau?
Rüdiger Busch: Die Branche befindet sich aktuell stark im Wandel und beschäftigt sich mit vielen Themen. Im Bereich der Nachhaltigkeit verschärfen sich die Rahmenbedingungen. Beispiele hierfür sind CO2-Zertifikate oder die Energieeinsparverordnung. Diese gesetzlichen Vorgaben können dazu führen, dass die ein oder andere Industrie im Bereich Bau in ernste Schwierigkeiten gerät. Ein anderes Thema ist die Technologisierung, also Digitalisierung . Aber auch neue Materialien werden immer wichtiger, weil sie die Effizienz am Bau erhöhen.
Bist Du mit Deinem Team in den genannten Bereichen mit Projekten aktiv?
Rüdiger Busch: Ja, im Bereich Nachhaltigkeit gibt es zwei Projekte, an denen wir arbeiten bzw. gearbeitet haben. Das erste Projekt beschäftigt sich mit dem Thema Kreislaufwirtschaft für die Bauindustrie . Hierzu muss man wissen, dass die mineralischen Baustoffabfälle deutschlandweit 200 Millionen Tonnen pro Jahr betragen. Das ist die größte Abfallfraktion in Deutschland. Deshalb versuchen wir, Verwertungs- und Recyclingquoten mit innovativen Ansätzen zu optimieren. Das können Ansätze im Bereich der Logistik sein, aber auch neue und vor allem nachhaltige Ideen, um dieses Material in den Recyclingkreislauf zurückführen. In diesem Zusammenhang bauen wir auch auf Wissen auf, das wir unter anderem von 2018 bis 2019 aus einem Projekt mit dem Cluster Energietechnik und Umweltcluster Bayern gewonnen haben.
Das zweite Projekt beschäftigt sich mit dem Gebäude als Baustein der Energiezukunft . Hier geht es um das Thema thermische Bauteilaktivierung. Was ist thermische Bauteilaktivierung? Jedes Gebäude hat Masse. Und diese Gebäudemasse kann ich als Wärmespeicher oder als Kältespeicher nutzen. Das Prinzip ist vergleichbar mit einer Fußbodenheizung, nur dass sich der Temperaturspeicher eben nicht nur auf den Boden begrenzt, sondern auf das gesamte Gebäude bezieht. In Verbindung mit neuen Energien wird z. B. klimaneutrales Heizen oder Kühlen sowohl in Neubauten als auch in Sanierungsprojekten möglich. Diese kostengünstige Technologie ist nicht neu, wird aber hauptsächlich in Büro- und Zweckgebäuden eingesetzt. Bayern Innovativ ist in diesem Bereich an einem EU-Projekt beteiligt, um den Austausch mit Österreich zu pflegen. Denn die Österreicher sind uns in diesem Bereich zugegebenermaßen schon einen Schritt voraus. Das heißt, sie können bereits Best-Practice-Beispiele vorweisen, die wir für uns nutzen wollen, um Machbarkeiten aufzuzeigen.
Kannst Du uns noch ein Beispiel für die Technologisierung nennen?
Rüdiger Busch: Die Technologisierung bzw. die Digitalisierung ist aktuell eine der größten Herausforderungen und von herausragender Bedeutung für die Bauindustrie. Da fügt es sich sehr gut, dass ich seit Juni 2020 auch als Leiter der Themenplattform Digitales Planen und Bauen interessante Themen treiben darf, die beim Zentrum Digitalisierung.Bayern angesiedelt sind.
Aktuell haben wir das Projekt „Mauerwerksroboter“ initiiert. Heißt, wir beschäftigen uns mit dem „Kollegen Roboter“, der Steine setzen und Mauern erstellen kann. Im Bau herrscht schon seit einigen Jahren Fachkräftemangel, von daher ist es sinnvoll, verstärkt auf Automatisierung zu setzen. Oder das Thema „Building Information Modeling“ – also der digitale Zwilling, mit dem wir planen, bauen und betreiben. Das bringt große Vorteile, wenn ich mein gesamtes Gebäude als digitalen Zwilling nachbilde. Dann kann ich beispielsweise Änderungen sehr schnell nachverfolgen. Ich muss nicht Pläne nachzeichnen, sondern jeder hat diese zu jedem Zeitpunkt sekundenaktuell online verfügbar. Auch der Planer, Bauer oder Auftraggeber kann Stücklisten (z. B. für Stromleitungen, Türen etc.) automatisch generieren.
Oder stellen wir uns einen Wohnungskäufer vor. Ein Haus- bzw. Wohnungskauf ist meistens einmalig im Leben und da bedarf es natürlich einer guten Vorbereitung. Wenn man vor dem Bau bzw. Kauf eine Mixed-Reality-Brille/ Google-Glass-Brille aufsetzt oder Augmented Reality nutzt, um einfach mal durch sein Haus zu laufen, ist das ein echter Vorteil. Man erhält sofort einen Eindruck, wie das Klima sein wird, ob man sich in seiner Küche wohlfühlen wird, welches Gefühl einem das Haus insgesamt vermittelt. Das sind alles wichtige Themen der Digitalisierung. Ich finde es deshalb besonders gut, dass sich immer mehr Start-ups für die Baubranche interessieren und hier mit innovativen Ideen für frischen Wind sorgen.
Wenn ich an Digitalisierung im Bau denke, fällt mir sofort der 3D-Druck ein. Die Vorstellung, dass ein Haus gedruckt wird ist – ehrlich gesagt – schwer vorstellbar und hört sich zugleich unglaublich spannend an. Bist Du in diesem Bereich auch aktiv?
Rüdiger Busch: Der 3D-Druck bzw. die Additive Fertigung hat einen massiven Einfluss auf das zukünftige Bauen. Das hat auch der Bund erkannt und hat den „Sonderforschungsbereich 277“ ins Leben gerufen. Damit will der Bund die Handlungsagenda – unter anderem auch der TU München – stärken. Dort gibt es einen eigenen Cluster, um das Thema „additiv in der Baubranche“ voranzutreiben. Die TU in Delft (Niederlande) und Dresden können bereits Praxisbeispiele zum Thema 3D-gedruckte Häuser vorweisen.
Aber natürlich ist das Thema noch nicht in der Breite angekommen. Dennoch sind viele bayerische Unternehmen und Bauverbände interessiert. Und unser gemeinsames Ziel ist es, vielleicht nicht komplette Häuser aus einem Guss zu drucken, aber zumindest Bauteile oder Unterstützungskonstruktionen additiv anzufertigen. Und wir sind hier bereits auf einem guten Weg, Innovationen in Bayern anzusiedeln.
Das heißt also, statt Stein auf Stein zu setzen wird ein Haus aus Bauteilen zusammengesetzt?
Rüdiger Busch: Ja, richtig. Das kann unter bestimmten Rahmenbedingungen sinnvoll sein. Ein Vorteil ist, dass in einer Halle in Serienfertigung produziert werden kann. Das gilt nicht nur für den 3D-Druck, sondern allgemein für vorgefertigte Bauteile. Eine Frage bleibt jedoch weiterhin offen: Die Automatisierung hat natürlich Einfluss auf die Berufswelt. Was passiert mit den Fachkräften, wenn Prozesse automatisiert werden und Maschinen mehr und mehr Arbeiten übernehmen? So weit sind wir zwar noch lange nicht, aber man muss die Konsequenzen der Digitalisierung zu Ende denken.
Das Interview führte Dr. Kord Pannkoke, Leiter Business Development bei der Bayern Innovativ GmbH.
Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an:
Wie innovativ ist der Massivbau?
Diese Frage beantwortet Ihnen Rüdiger Busch - Leiter des Netzwerks innovativer Massivbau bei der Bayern Innovativ GmbH - auch ausführlich im Podcast. Zur Veranschaulichung präsentiert er Ihnen mehrere Beispiele.
HINWEIS: Besuchen Sie die Website des Netzwerks innovativer Massivbau , um mehr über dieses spannende Thema zu erfahren. Unsere Experten beantworten Ihre Rückfragen jederzeit gerne.
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