30 Jahre Bayern Innovativ: Von der Vision zum Erfolg
Wie wurde Bayern Innovativ das Zuhause für alle, die Innovation leben?
22.04.2025
Zum 30. Geburtstag der Bayern Innovativ GmbH werfen wir einen Blick zurück – und nach vorn. Prof. Dr. Josef Nassauer war in der Geburtsstunde im Jahr 1995 dabei und leitete die Bayern Innovativ durch ihre ersten Jahre. Seit 2016 ist Dr. Rainer Seßner der CEO der bayerischen Innovationsagentur. Was hat sich in drei Jahrzehnten getan? Welche Visionen prägten den Anfang – und welche Rolle spielt Bayern Innovativ heute im bayerischen Innovationsökosystem? Ein Gespräch über Wandel, Wirkung und den Mut, Neues zu denken.

Herr Prof. Nassauer, was war vor 30 Jahren der ausschlaggebende Anlass, dass die Bayern Innovativ gegründet wurde?
Prof. Dr. Josef Nassauer: Wenn ich mich recht erinnere, war es die Investition von Privatisierungserlösen. Und die wurden zum Teil in eine „Offensive Zukunft Bayern“ gesteckt, in die drei Bereiche: Technologietransfer mit Bayern Innovativ, kapitalmäßige Unterstützung von jungen Firmen durch Bayern Kapital und Stärkung der Internationalisierung mit Bayern International.
Was hat Sie persönlich motiviert, die Funktionen als Geschäftsführer auszuüben?
Prof. Dr. Josef Nassauer: Was mich motiviert hat war, dass ich zwölf Jahre in der Wissenschaft tätig, und zehn Jahre in einem internationalen Konzern in den USA mit Niederlassungen Europa aktiv war. Es hat mich dann gereizt, im Umfeld von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu arbeiten. Dabei hat es mich auch besonders angesprochen, dass die Devise des Ministers Dr. Wiesheu war, politikfern und wirtschaftsnah zu agieren. Das war ein wesentliches Kriterium für Freiheit und trotzdem auch Unterstützung durch die Politik.
Herr Dr. Seßner, was war Ihre persönliche Motivation für die Unternehmensleitung und gibt es Parallelen zu Herrn Prof. Nassauer?
Dr. Rainer Seßner: Die Parallelen waren gerade sehr deutlich. Ich war auch fast 20 Jahre lang in der Industrie tätig, immer an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Ich habe in einem technologieorientierten Unternehmen begonnen, in der Forschung und Entwicklung als Entwickler und habe dort auf Basis von neuen Technologien und von neuen Erfindungen auch immer wieder neue Geschäftsmodelle entwickelt. Und das habe ich auch bei meinen folgenden Arbeitgebern immer wieder machen dürfen. Das hat mich angetrieben. Ich konnte zum Beispiel auch eine Industrie- und Campusprofessur im Rahmen der Exzellenzinitiative ins Leben rufen. Auch das waren wieder Parallelen und Schnittstellen, die sich ergeben haben.
Der große Unterschied war für mich tatsächlich, dass ich mit der Politik bis dahin nichts zu tun hatte. Für mich war es eher eine Überraschung, wie sich das Zusammenspiel entwickelt. Aber ich kann sagen: Es macht unwahrscheinlich viel Freude und es ist eine der schönsten Aufgaben, die man tatsächlich haben kann, diese Firma zu leiten.
Herr Prof. Nassauer, welche Herausforderungen brachte die Unternehmensgründung mit sich?
Prof. Dr. Josef Nassauer: Das waren zahlreiche Herausforderungen. Wir haben mit drei Mitarbeitenden begonnen. Das heißt, es war natürlich immer notwendig, passende Mitarbeitende zu rekrutieren. Wir hatten schon immer einen beachtlichen Frauenanteil.
Ein zweiter wesentlicher Punkt war die Frage: Wo sollte der Fokus liegen?
Nach einiger Zeit in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat habe ich eine Matrix mit zehn zukunftsorientierten Technologien und Branchen entwickelt. Damit hatten wir ein Tätigkeitsfeld. Und was eigentlich dem Aufsichtsratsvorsitzenden und Minister Dr. Wiesheu vorschwebte war, dass wir Plattformen und letztendlich auch Netzwerke schaffen, für die, die schon unterwegs sind und weitere Partner suchen. Und das war eine große Herausforderung, denn die Anforderung von Minister Dr. Wiesheu war: „Wir wissen nicht wie es geht, aber es muss ein Erfolg werden“.
Welche aktuellen Herausforderungen begleiten die Bayern Innovativ heute, Herr Dr. Seßner?
Dr. Rainer Seßner: Wir sind in den letzten zehn Jahren von rund 100 Mitarbeitenden zu über 350 Mitarbeitenden gewachsen. Und da gilt es natürlich, Prozesse und Organisation anzupassen. Wir befinden uns faktisch in einem ständigen Wandel.
Wir haben in Bayern das große Glück einerseits, dass wir wirklich viele starke Initiativen haben, die in diesem Innovationsökosystem unterwegs sind. Und gleichzeitig, ist es nicht nur Segen, sondern auch ein Fluch, in diesem Ökosystem die Verbindung zu schaffen. Das war und ist für die Bayern Innovativ immer wieder eine große Herausforderung.
Wir sehen uns heute als Netzwerk der Netzwerke und das tatsächlich zu etablieren, dass wir hier mit diesen Partnerorganisationen und mit diesem gesamten Ökosystem vorangehen können und diese Komplexität meistern, das ist die zweite große Herausforderung.
Und die dritte Herausforderung ist die Dynamik unserer Zeit, aber auch die politische Dynamik. Diese kurzen Spannen, in denen immer wieder etwas Neues entstehen muss und entsteht, sehe ich durchaus als eine enorme Herausforderung.
Was waren die ersten großen Erfolge und Meilensteine der Bayern Innovativ in den Anfangsjahren, Herr Prof. Nassauer?
Prof. Dr. Josef Nassauer: Ein wesentlicher Ansatzpunkt war, dass wir gewisse Ängste überwunden haben. Denn es war eine ganz andere Zeit damals. Zu der Zeit sagten viele: „Wir kooperieren nicht, wir sind doch Wettbewerber“. Hier war es ein wesentlicher Punkt, erst einmal ein Mindset zu entwickeln. Damals gab es noch kein E-Mail-System und keine Internetseiten. Es wurde sogar gesagt, dass ein Handwerker nie eine Internetseite haben wird. Ich wusste aus meiner Tätigkeit im US-Konzern schon, dass es kommen wird. Auf der anderen Seite war es aber auch ein großer Vorteil, weil die Leute viel mehr interessiert daran waren, sich persönlich zu treffen.
Einer der ersten Meilensteine war die vom Wirtschaftsministerium initiierte „Technologiebörse Bau“ im Jahr 1996 in Nürnberg. Da konnte ich entsprechende Impulse reinbringen, weil ich in meiner Industrietätigkeit auch für die sogenannten Building Services zuständig war. Das heißt, für die gesamten baulichen Maßnahmen des Europäischen Forschungszentrums in Perlach. Dafür hatte ich gute Beziehungen. Und solche Leute in die Technologiebörse mit reinzubringen, hat natürlich einen anderen Impuls gebracht als Menschen aus dem administrativen Umfeld.
1997 kam ein weiterer Baustein dazu: Ein Kooperationsforum im Bereich neue Materialien. Darauf lag damals der Fokus in der Wirtschaft und auch im politischen Umfeld. Das wurde ein großer Erfolg. Groß auch deshalb, weil das die Grundlage dafür war, dass ein Jahr später das erste „Zulieferer Innovativ“ in Ingolstadt stattgefunden hat.
Keine Websites, kein Internet, keine sozialen Medien: Umso wichtiger ist da das persönliche Treffen. Welche Rolle spielten hierbei die Netzwerke?
Prof. Dr. Josef Nassauer: Die Netzwerke haben sich über die Teilnehmenden der Plattformen gebildet. Und das ist dann immer mehr zu einer Community gewachsen, die am Anfang noch gar nicht das Bewusstsein hatte, zu einem Netzwerk zu gehören, sondern sich einfach getroffen hat. So waren die Plattformen die Geburtsstunde für die Etablierung von Netzwerken.

Das bayerische Wirtschaftsministerium hat uns immer wieder als ihren ThinkTank bezeichnet. Für mich und uns war und ist das natürlich eine Ehre. Ich habe aber immer betont: Nur mit unseren Partnerorganisationen, mit den vielen starken Initiativen, mit den Unternehmen, aber auch der Wissenschaft im Freistaat an unserer Seite gelingt es uns, ein ThinkTank-Netzwerk zu gestalten, das wirklich Mehrwert für Bayern bietet.
Dr. Rainer Seßner
CEO der Bayern Innovativ GmbH
Welche vergangenen Projekte oder Entwicklungen haben das Unternehmen aus Ihrer Sicht besonders nachhaltig geprägt, Herr Dr. Seßner?
Dr. Rainer Seßner: Genau diese starken und dynamischen Netzwerke. Und das ist es, was die Bayern Innovativ aus meiner Sicht auszeichnet. Eigentlich ist die Bayern Innovativ GmbH DAS große Netzwerk. Innerhalb dieses Netzwerks haben sich mit den Unternehmen, mit den Instituten, mit der Wissenschaft, aber auch mit der Politik zu den unterschiedlichen Themenfeldern immer wieder dynamisch Communities entwickelt. Diese konnten dann konkret auf neue Entwicklungen reagieren und sich über die Jahre dynamisch verändern und anpassen. Und genau das ist eben auch das Wichtige: Diese schnelle dynamische Anpassung an technologische Entwicklungen, an Markttrends und Ähnliches. Und darauf durfte ich aufsetzen.
Das Zweite, worauf ich bauen durfte, ist diese Exzellenz, auf die damals schon sehr viel Wert gelegt wurde. Also tolle Firmenvertretende oder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Teil dieser Netzwerke waren und dann auch dazu beigetragen haben, dass diese Netzwerke den entsprechenden Wissenstransfer gestalten. Diese vielen starken Netzwerken sind nicht nur innerhalb der Bayern innovativ entstanden, sondern auch um die Bayern Innovativ herum, wie beispielsweise die Cluster-Offensive. Und über die Jahre sind auch viele dieser Initiativen in die Bayern Innovativ integriert worden. Ein neuer Teil unseres Wachstums mit neuen Aufgaben, neuen Netzwerken, neuen Services wurden u. a. das Zentrum Digitalisierung, der Cluster Mechatronik und Automation und das Patentzentrum Bayern.
Mit dem Patentzentrum Bayern haben wir eine Organisation übernommen, die noch eine viel längere Historie hat. Damit haben wir fast 150 Jahre Geschichte bei der Bayern Innovativ integriert. Und das sind für mich die Erfolge in den letzten zehn Jahren, die es ermöglicht haben, auf Basis dieser Exzellenz, starken Netzwerke, uns weiterzuentwickeln.
Welche aktuelle Technologie finden Sie am spannendsten?
Dr. Rainer Seßner: Da gehe ich zurück in mein Studium und zu meiner Promotionsarbeit. Das war am Lehrstuhl für Optik, heute das Max-Planck-Institut für Licht. Mein Professor damals befasste sich schon mit Quantenoptik. Und insofern ist das Thema Quantentechnologie natürlich für mich eine der wichtigsten Zukunftstechnologien und ich habe nach wie vor sehr viel Freude und Interesse daran. Aber eine Technologie ist nie allein. Wenn man beispielsweise die Quantentechnologie mit künstlicher Intelligenz kombiniert, entstehen komplett neue Dimensionen und auch neue Herausforderungen, die gestaltet werden können.
Gleichzeitig erleben wir auch, dass KI aktuell mit einem enormen Energiehunger arbeitet, also viel Energie benötigt. Und auch das Thema Fusionstechnologie ist etwas, was mich massiv antreibt. Hier können wir als Bayern Innovativ aktiv unterstützen, denn wir sind in allen Zukunftsfeldern des Freistaats aktiv. Also z. B. mit Material, mit Energie, mit Produktion, mit Digitalisierung und all diese Disziplinen haben einen relevanten Anteil in diesen Technologien. Also wenn ich an Fusion denke: Wir brauchen neue Materialien, um First-Wall-Technologien zu lösen. Wir brauchen KI, um das Plasma stabil zu halten. Wir brauchen Robotik für die Maintenance, und so weiter. Und diese interdisziplinären sind für mich sehr spannend.
Prof. Dr. Josef Nassauer: Da ist es schwierig, noch etwas dazu zu fügen. Was mich fasziniert ist das Potenzial der Fusionstechnologie. Es ist auch noch lange nicht ausgereizt, was wir an neuen Werkstoffen und Materialien haben, um damit neue Anwendungsmöglichkeiten schaffen zu können. Natürlich ist auch das Thema KI höchstrelevant, aber das sehe ich ein bisschen differenziert. Die KI kann in vielen Bereichen, wo es wiederkehrenden Prozesse gibt, sehr viele Vorteile bringen. Ich denke jedes Unternehmen sollte sich in KI einarbeiten. Ich vergleiche das mit der Computertechnologie Ende der 90er Jahre. Ohne den Computer wäre man im Wettbewerb zurückgefallen. Aber sich nur darauf zu verlassen, wäre eine etwas überzogene Erwartung. Und insgesamt wird es auch für uns eine Herausforderung sein, dass wir auf keine Fake-Informationen hereinfallen.
Welche Visionen haben Sie für die Bayern Innovativ für die nächsten 10 bis 20 Jahre, Herr Dr. Seßner?
Dr. Rainer Seßner: Das Zukunftsbild der Bayern Innovativ hängt stark mit dem Innovationsökosystem zusammen. Da kommen wir wieder zurück zu der Gründungsidee von Dr. Wiesheu, der eben mit diesen drei Schwestergesellschaften, Bayern Kapital, Bayern International und der Bayern Innovativ, einen wunderbaren Dreiklang geschaffen hat, um Innovationen und die Wirtschaft voranzutreiben.
Die Idee für Bayern Innovativ ist es, das starke zentrale Innovationsnetzwerk in und für Bayern zu sein, in dem dynamisch Netzwerke aus diesem großen Bayern Innovativ-Netzwerk heraus entstehen können. Und dass wir für den Freistaat weiterhin das ThinkTank-Netzwerk sind, aus dem tolle Ideen für Bayern und die Welt entstehen können. Und darauf freue ich mich.
Das Interview führte Dr. Petra Blumenroth, Projektmanagerin Transformation, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg.
Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an:
Länge der Audiodatei: 00:23:38 (hh:mm::ss)
Wie wurde Bayern Innovativ in den vergangenen 30 Jahren das Zuhause für alle, die Innovationen leben und die Zukunft gestalten? Darüber spricht Dr. Petra Blumenroth mit dem ersten Geschäftsführer der Bayern Innovativ, Professor Dr. Josef Nassauer und dem aktuellen CEO, Dr. Rainer Seßner anlässlich unseres 30-jährigen Firmenjubiläums.
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