Digitale Lösungen für nutzerorientierte Mobilität

In der Covid-19-Pandemie hat das Fahrrad einen höheren Stellenwert erhalten. In vielen Städten entstanden seit Ausbruch der Pandemie neue Pop-up Radwege und der Fahrradhandel hat immer noch Schwierigkeiten, die hohe Nachfrage zu bedienen.

Digitalisierung im Fahrradverkehr
Zugunsten des Fahrrads auf die Fahrt mit dem eigenen Auto zu verzichten fällt vielen schwer. Digitalisierung kann hier Abhilfe leisten.

Dennoch ächzen unsere Städte unter der Belastung des privaten Autoverkehrs. Um die dadurch entstehenden gesundheitlichen und klimaschädlichen Folgen zu mindern, muss der Anteil aktiver Mobilität am Modal Split erhöht werden. Dem Fahrrad kommt hierbei große Bedeutung zu. Zugunsten des Fahrrads oder andrer Transportmittel auf die Fahrt mit dem eigenen Auto zu verzichten fällt vielen schwer. Digitalisierung kann hier Abhilfe leisten: Viele digitale Innovationen rund um das Fahrrad bieten spannende Möglichkeiten, stressfrei und mit Spaß ans Ziel zu kommen. Die ZD.B Themenplattform Vernetzte Mobilität bei Bayern Innovativ konnte für eine Veranstaltung am 04. Mai 2021 interessante Keynote-Speakerinnen gewinnen, um Kommunen aufzuzeigen, wie sie mit digitalen Lösungen der Einwohnerschaft den Umstieg aufs Rad erleichtern können und welchen Nutzen sie selbst aus hochwertigen Mobilitätsdaten für die Planung ihrer Radinfrastruktur ziehen können.

Zukunftsvision: Vernetzte und nachhaltige Mobilität

Die Expertinnen Elisabeth Felberbauer von Bike Citizens, Olivia Köhler von Siemens Mobility und Lelia König von Dashfactory haben ihre Ansichten und Zukunftsvisionen für eine vernetzte und nachhaltige Mobilität mit uns geteilt.

Elisabeth Felberbauer
Olivia Köhler
Lelia König


Wie kann Digitalisierung den Fahrradverkehr attraktiver und sicherer machen?

Elisabeth Felberbauer: Digitalisierung kann den Radverkehr auf verschiedenen Ebenen attraktiver und sicherer machen. Wir als Bike Citizens haben uns zum einen darauf fokussiert allen Menschen einen möglichst einfachen und sicheren Zugang zum Radfahren zu ermöglichen. Dies gelingt, in-dem unsere Bike Citizens App und der Online-Routenplaner die fahrradfreundlichsten Routen zur Verfügung stellen. Insbesondere für Unerfahrene ohne Kenntnisse über die Radinfrastruktur ist das Erlebnis und die Freude auf den ersten Radfahrten entscheidend, um dabei zu bleiben, sich sicher zu fühlen und sogar neue Orte und Wege zu entdecken.
Zum Zweiten setzen wir auf Incentivierung und Gamification, um das Radfahren attraktiver zu gestalten. Dabei geht es darum, die täglichen Fahrten mit dem Fahrrad zu belohnen oder als Team gemeinsam Erfolge zu erreichen. Entscheidend sind dabei auch die Daten, die daraus gewonnen werden, die wiederum die Basis für eine bessere und sichere Infrastruktur bilden können.
In unseren Forschungsprojekten gehen wir noch einen Schritt weiter und erforschen beispielsweise auch die Möglichkeit von Radfahrenden mit Autonomous Vehicles zu kommunizieren, um im zukünftigen Verkehrsmix mehr Sicherheit für Radfahrende zu erlangen.

Olivia Köhler: Wir haben heute dank der Digitalisierung völlig neue Möglichkeiten mit den Radfahrenden zu kommunizieren und dadurch auch die Steuerung des Verkehrs mehr auf diese auszurichten. Wir können über die SiBike App erkennen, wo die Radfahrenden gerade unterwegs sind und ihnen dann an der Ampel grünes Licht geben, und das sogar über einen ganzen Streckenzug hinweg. Damit kommen sie zum einen schneller voran und zum anderen noch komfortabler, da sie nicht bei jeder Ampel stoppen und wieder neu anfahren müssen. Man muss sich nur vorstellen, wenn man z.B. beim Bergabfahren den Schwung verliert oder beim Bergauffahren neu antreten muss, weil es Kraft und Zeit kostet.
Zudem kann die Ampel für die Radfahrenden etwas früher auf Grün geschaltet werden als beispielsweise für Rechtsabbiegende. Dadurch befinden sich die Radfahrenden bereits auf der Straße, bevor die Autos losfahren dürfen, und werden somit nicht mehr so leicht übersehen.

Lelia König: Für uns bedeutet sicherer Radverkehr viel mehr Prävention als Reaktion. Wir brauchen eine sichere und attraktive Radinfrastruktur, in der jeder gerne zum Fahrrad greift. Von diesem Punkt sind wir noch weit entfernt, aber mit verschiedenen digitalen Lösungsansätzen, schaffen wir Stück für Stück ein Puzzle eines sicheren Radverkehrs mit lückenlosem Radwegenetz. Durch digitale Lösungen kann anhand konkreter Daten eine sichere und effiziente Radinfrastruktur zielgerichtet auf- und ausgebaut werden.

Wie profitieren Städte und Kommunen von Ihrer Lösung?

Elisabeth Felberbauer: Städte und Kommunen können die digitalen Services von Bike Citizens Services lokal einsetzen, um Daten und Informationen über das Radfahrverhalten zu gewinnen. Dabei profitiert nicht nur die Stadt, sondern auch die Bewohnerschaft sowie die lokale Wirtschaft und Unter-nehmen. Als sanfte Wirtschaftsförderung für den innerstädtischen Handel oder als betriebliche Gesundheitsmaßnahme und Team-Motivation für Unternehmen, die positiven und messbaren Effekte wirken auf allen Ebenen und beziehen Stadt, Einwohnerschaft, Unternehmen und Wirtschaft mit ein. Dabei wird die Bike Citizens App im Corporate Design der Stadt als digitale Bürger:innen-Services für die Bewohnerschaft, Pendelnde und für die Touristik zur Verfügung gestellt. Die App bietet dabei Routing, Navigation, Touren, POIs und digitale Kampagnen sowie eine Kommunikationsplattform für Events, Umfragen und lokale Informationen.

Olivia Köhler: Die Städte und Kommunen können von SiBike in dreierlei Hinsicht profitieren. Zum einen wird die generelle Verkehrsbelastung in den Städten und Kommunen reduziert, wenn mehr Menschen das Fahrrad, statt das eigene Auto nutzen. Zum anderen fördert SiBike klimafreundliche Mobilität , da Radfahren als CO2-neutrales Verkehrsmittel attraktiver wird und somit mehr Personen das Fahrrad auch zum Pendeln nutzen. Das haben wir gerade in der Pandemie gesehen, wo viele von uns auf das Rad umgesattelt haben. Zu guter Letzt ist SiBike eine Radpriorisierungslösung, die vollkommen digital funktioniert, das heißt, es ist kein Geld für aufwendige Baumaßnahmen notwendig. Wir stellen mit SiBike somit eine Lösung zur Verfügung, die es den Städten und Kommunen vergleichsweise einfach macht, ihren Lebensraum wieder lebenswerter und attraktiver zu gestalten.

Lelia König: Die Dashbike ist nicht nur eine Sicherheitskamera mit Überholabstandsmesser und Tagfahrlicht, sondern auch eine Sensorbox. So können Städte und Kommunen tagesaktuelle Daten zum Radverkehr erhalten. Beispielsweise zu Gefahrenstellen: Wo wird oft unter den 1,5 Metern überholt, an welchen Punkten kam es zu einem Unfall? Aber auch, wie sind die Fahrbahnzustände, welches sind die stark frequentierten Routen, Stand- und Wartezeiten, sowie Häufungen gefährlicher Bremsmanöver. Zudem kann die Effektivität der umgesetzten Maßnahmen messbar und sichtbar gemacht werden. Wie ist das Nutzungsverhalten der neu gebauten Radwege?

Was ist Ihre Vision für eine digitale und vernetzte Mobilität?

Elisabeth Felberbauer: Meine Vision von einer digitalen, vernetzten Mobilität ist tatsächlich sehr stark mit dem eigentlich Begriff „Mobilität“ – also „movere“ – sich bewegen, verbunden. Das bedeutet, dass Mobilität als Service (MaaS) sowohl bei neuen Immobilienprojekten als auch bestehenden Wohnsiedlungen zentral mitgedacht wird. Jeder sollte sich frei und flexibel von A nach überall bewegen können – auch ohne MIV (motorisierter Individualverkehr). Technologien unterstützen dabei, indem sie die Informationen entsprechend sammeln, aufbereiten und zur Verfügung stellen. Dies umfasst beispielsweise den Servicegedanken, der sich angefangen von der lückenlosen Routenwahl (wie komme ich am besten von A nach B) über das Ein- und Auschecken beim ÖPNV und Sharing-Angeboten bis hin zur Benutzung von Fahrradparkgaragen zieht. Neue Technologien ermöglichen auch ein bestimmtes Mobilitätsverhalten zu belohnen. In Form von Mobilitätspunkten könnten beispielsweise Alltagsfahrten mit dem Fahrrad – die wesentlich dazu beitragen die CO2-Emissionen und die Verkehrsbelastung in den Städten zu reduzieren – monetär belohnt werden, also eine klimafreundliche Pendlerpauschale sozusagen.

Olivia Köhler: Meine Vision für die digitale und vernetzte Mobilität in Zukunft besteht zum einen aus einer ganzen Flotte von autonom fahrenden Fahrzeugen, die entsprechend des individuellen Bedarfes genutzt werden können. Das ermöglicht flexible Zeitpläne und Routen durch die Stadt, sodass die Verkehrsbelastung durch Individualfahrzeuge gesenkt werden kann. Damit kann ich mir, wenn das Fahrrad mal keine Option ist, bequem per Smartphone ein autonomes Shuttle bestellen. Zum anderen sorgt das intelligente Verkehrsmanagementsystem dahinter dafür, dass mich das Shuttle auch entsprechend flott an mein gewünschtes Ziel bringt. Das Verkehrsmanagementsystem schaut dabei aber nicht nur darauf, dass die Shuttles schnell ans Ziel kommen, sondern dass dies auch so klimafreundlich wie möglich geschieht. Ein super Beispiel dafür sind verringerte Beschleunigungs- und Bremsvorgänge, denn hier wird verhältnismäßig viel Energie verbraucht bzw. bei den Bremsvorgängen Feinstaub durch den Bremsabrieb erzeugt. Das geht zum einen über eine intelligente Steuerung, die sich an Umwelt-Kennzahlen orientiert und zum anderen über zusätzliche Informationen, die den Fahrzeugen zur Verfügung gestellt werden können, wie beispielsweise wann die Ampel auf rot oder grün umschaltet. So kann die optimale individuelle Mobilität des Einzelnen, im Gesamtkontext von lebenswerten Städten, sicher gestellt werden. Mobilität und Umweltschutz müssen kein Widerspruch sein.

Lelia König: Für mich bedeutet es, Radinfrastruktur schnell und effizient justieren und nachjustieren zu können. Und eine neue Zielgruppe zu erreichen, Menschen für das Radfahren zu begeistern – mit all seinen positiven Facetten.

Vielen Dank für das Interview!


Wissen 2 GO

Die Vorträge der Speakerinnen von der Veranstaltung „ Easy Riding! Digitale Innovationen im Fahrradverkehr“ können Sie ...

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Weitere Aktivitäten zu intelligenten und smarten Fahrradlösungen sind auch für die Zukunft geplant.

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Nicolai Harnisch

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