Die Zukunft der Arbeit: Loslassen als Schlüssel zur Innovation
Strategien für die Arbeit von morgen
31.10.2024
Innovationen bringen das Heute zur Zukunft. So ist es auch in der Arbeitswelt. Die Expertin für Unternehmensführung und HR-Influencerin Sabine Kluge hilft mit ihrem Unternehmen, der Kluge und Konsorten GmbH, Organisationen bei dieser Transformation. Ihre innovativen Ansätze zur Führungs- und Organisationsentwicklung machen sie zur Innovationspionierin. Sie teilt, was für sie eine gute Führungskraft ausmacht, goldene Tipps, mit denen Organisationen ihre Zukunftsvisionen auch wirklich erreichen können und was in der modernen Arbeitswelt wirklich zählt.
Was macht eine Innovationspionierin für Dich aus?
Sabine Kluge: Ich glaube, das ist ein Persönlichkeitstyp. Bei HR sprechen wir gern von unterschiedlichen Typen. Da gibt es zum Beispiel die Jäger und die Gärtner. Die Gärtner sind die, die Themen langfristig managen können, und die Jäger sind eigentlich immer auf der Jagd nach Neuem. Und ich glaube, das entspricht einfach meiner Persönlichkeit. Ich bin sehr leicht für neue Dinge zu begeistern. Das zieht mich magisch an. Und ich glaube, das ist auch wichtig für eine Innovationspionierin. Ich habe halt keine Angst vor dem Scheitern.
Was ist Dein Erfolgsrezept zum Überleben in dieser komplexen Zeit?
Sabine Kluge: Ich glaube, dass man sich in Organisationen an die Vielstimmigkeit, an die vielen Gehirnzellen, die zusammenwirken müssen, gewöhnen muss, um für eine komplexe Arbeitswelt auch komplexe Antworten zu finden. Und diese Vielstimmigkeit und um die Stimmen zu hören und alle zu sehen, dafür brauchen wir andere Formen von Führung, als wir sie vielleicht in einer traditionellen Organisation kennengelernt haben. Das finde ich ebenso charakteristisch für unsere Zeit.
Was bedeutet für Dich zeitgemäßes Führen konkret?
Sabine Kluge: Wenn man sich überlegt, wie unsere Organisationen in der Regel geführt sind, dann ist das ein sehr effizientes Kommunikationssystem, nämlich eine hierarchische Struktur. Effizient deswegen, weil man da sehr unmittelbar und direkt entscheiden kann und klar geregelt ist, wer mit wem worüber spricht und wer worüber was entscheidet. Wir erleben in einer komplexen Situation, dass es nicht mehr so klar ist und dass wir dann sehr viel mehr Stimmen brauchen. Das unterscheidet unsere heutige Zeit. Da heißt es eben von der Führungsseite her, andere Schwerpunkte zu legen. Was macht eine Führungskraft? Delegieren, kontrollieren, motivieren, informieren und kommunizieren. Jetzt ist die Frage, in welche dieser Bereiche man wie viel Energie investiert. Ich behaupte, dass in den Bereich Kommunikation und Information sehr viel mehr Energie investiert werden muss und sehr viel weniger vielleicht in den Bereich Delegieren und Kontrollieren, weil wir das heute auch sehr gut mit digitalen Tools machen können, aber auch weil Menschen eben eine ganz andere Ansprache brauchen, um motiviert zu sein.
Welche Kompetenzen braucht eine Führungskraft heute?
Sabine Kluge: Ich brauche Menschen, die managen können, also das Hier und Jetzt steuern können. Gleichzeitig brauche ich Menschen, die leaden können. Leading heißt, ich investiere sehr viel mehr Energie in die Zukunftsperspektive. Oft schließen sich diese Fähigkeiten vereint in einer Person aus. Es gibt wenige, die das beherrschen. Menschen gewinnen zu können, also dafür zu sorgen, dass die Leute für das, was wir machen, brennen, schließt manchmal aus, dass ich gleichzeitig micromanage und den Leuten wenig Freiraum gebe. Und auf der anderen Seite ist die Fähigkeit, selbst Veränderung vorzuleben, eine wichtige Metakompetenz oder ein Rollenvorbild. Das fällt Führungskräften manchmal nicht so leicht, weil sie mit gewissen Erfolgsrezepten vertraut sind und es für sie schwer sein kann, einen ausgetretenen Pfad zu verlassen. Aber Menschen folgen nur dann Veränderungen und Transformationen, wenn sie sehen, dass ihre Führungskraft auch folgt. Von daher ist diese Fähigkeit als Führungskraft Jäger zu sein und das Neue willkommen zu heißen aus meiner Sicht ein wichtiges Persönlichkeitsmerkmal. Natürlich ist das eine Kompetenz, die man trainieren kann.
Welche drei goldenen Tipps gibst Du immer in Deinen Coachings?
Sabine Kluge: Die drei goldenen Tipps und das Thema, an dem ich am meisten mit Führungskräften arbeite, ist Loslassen, Loslassen und Loslassen. Also es geht um nichts anderes als um die Bereitschaft und um die Fähigkeit zur Partizipation auch als Führungskraft. Und loslassen muss ich ganz viel. Ich muss zum Beispiel loslassen, dass Führung ein Statussymbol ist. Ich muss loslassen, dass ich kontrollieren muss. Ich muss loslassen, dass ich der Klügste oder die Klügste im Raum bin. Ich muss loslassen, dass ich immer die Antwort haben muss. Ich muss loslassen, dass ich meinen Job auf Lebenszeit habe und behalten muss.
Also dieses Loslassen zeigt sich in der heutigen Zeit auf verschiedene Arten und Weisen. Wir haben das Glück, dass wir Organisationen oft sowohl organisational als auch Entscheider individuell begleiten. Und da merkt man oft, dass das sehr schwierig ist mit dem Micromanaging, die Fähigkeit zu haben, den Mitarbeitenden was zuzutrauen. Deswegen geht es bei mir auch immer Unternehmertum. Bei den neuen Themen, rundum künstliche Intelligenz oder das ganze Thema Coding, da muss eine eher traditionelle, altgediente Führungskraft vielleicht auch manchmal zugeben: „Da kann ich nicht mehr so richtig mitreden und da muss ich jemanden Platz machen, der vielleicht viel jünger ist und der keine Führungsverantwortung und Positionsmacht hat, aber der weiß, wie es geht.“
Menschen folgen Veränderungen und Transformationen nur dann, wenn sie sehen, dass ihre Führungskraft auch folgt.
Sabine Kluge
Expertin für Unternehmensführung, kluge+konsorten gmbh
Wie schafft man Akzeptanz für dieses Loslassen in einem Unternehmen bei der Belegschaft und auch bei Führungskräften?
Sabine Kluge: Es gibt ein spannendes Momentum von: „Wir haben etwas immer so gemacht, das hat immer gut funktioniert und jetzt kommt da etwas Neues.“ Das können wir ergreifen und die Frage hier ist, wann wir es tun, wie wir es tun und warum wir es tun. Der Dreh- und Angelpunkt ist die Frage, welches Risiko darin besteht, es zu tun. Das hält uns davon ab, Neues zu tun. Und welches Risiko besteht darin, einen neuen Weg nicht zu gehen?
Sich diese Szenarien klar auszumalen, passiert viel zu wenig in Unternehmen. Wenn Organisationen sich mit den Menschen gemeinsam diese Frage stellen, was passiert, wenn sich jetzt nicht getraut wird, zu springen, dann haben sie die Leute auch im Boot. Übrigens, nicht alle, das ist immer so ein beliebter Spruch: „Wir müssen aber alle mitnehmen.“ Wir werden nie alle mitnehmen, das ist wie im richtigen Leben. Aber wir werden viele mitnehmen, wenn wir die Zukunft ausmalen können. Deswegen sind dieses Visioning und dieses Storytelling auch so wichtig, um klarzumachen, wie die Welt von morgen aussieht und welchen Platz wir darin haben. Das ist genau die Definition von Transformation: Lasst uns eine Welt vorstellen, die es heute noch gar nicht gibt, aber lasst uns auch versuchen, ein konkretes Bild davon zu machen.
Ich beobachte häufig, dass es Unternehmen schwerfällt konkrete Maßnahmen zu formulieren, um ein Ziel zu erreichen. Teilst Du meinen Eindruck?
Sabine Kluge: Ja, das ist eine große Schwierigkeit in Organisationen. Ich erkenne das, seit wir Transformationsprojekte in Organisationen begleiten dürfen. Wir stellen fest, dass diese Kompetenz, das große Ganze in überschaubare Schritte zu zerlegen, in Organisationen tatsächlich nicht vorhanden ist. Wir haben gelernt, zu planen. Das ist Tradition in einer hierarchischen Organisation. Aber diese Projektmanagementkompetenz, ein großes Ziel in kleine Teilziele zu unterteilen und eine Methodik dazu zu entwickeln, ist heute wahnsinnig wichtig. Ich sehe es oft, dass Organisationen immer noch Jobs nach inhaltlichen Schwerpunkten vergeben. Dabei denke ich mir, man sollte den Leuten vor allen Dingen Methodenkompetenz beibringen. Also das klassische Projektmanagement, dann eigentlich mal weitergedacht in einem Scrum. Das müssen alle in der Organisation beherrschen, denn alle müssen an der Transformation teilhaben. Und ich glaube, bevor diese Methodenkompetenz nicht in der Organisation ist, ist es wahnsinnig schwer, ein Bild davon zu kriegen, wie wir von Nowland nach Nextland kommen.
Hast Du insbesondere für KMU praktische Tipps im Hinblick auf Kompetenzaufbau?
Sabine Kluge: Kleine, mittlere Unternehmen haben meistens nicht unbedingt das Volumen, eine Akademie zu installieren oder große Programme zu entwickeln. Bei uns geht es immer um das Arbeiten aus der Mitte. Das heißt, unsere Spezialität bei den Transformationsprojekten ist immer zu schauen, wie wir die Menschen einbinden und wie wir ihnen Hunger und Lust darauf machen, mitzugestalten. Und das kann man auch beim Thema Lernen machen. Wie viel Wissen in jeder Organisation steckt, kann man sich kaum ausmalen. Da braucht es von einem Entscheider oder einer Entscheiderin nur Freiraum und beispielsweise wie bei Google zu sagen, der Freitag ist ein Lerntag. Bei Google wird am Freitag nicht gearbeitet. Nicht jedes Unternehmen kann es sich leisten, den Freitag zum Lerntag zu erklären. Aber man kann natürlich Dinge etablieren wie einen „Lunch and Learn“, oder zwei Stunden in der Woche freiräumen. Wir fragen oft die Organisationen: „Wann lernt Ihr eigentlich das, was ihr in fünf Jahren braucht, wenn ihr nicht jetzt damit anfangt?“ Denn alle sind sich einig, dass sie den gleichen Job in fünf Jahren nicht mehr machen. Man kann immer nur an die Leute appellieren, dass sie anfangen, in die Selbstführung zu gehen.
Damit wäre ich noch mal bei einer wichtigen Metakompetenz, die jeder braucht, vor allem Führungskräfte, nämlich das Thema Selbstführung. Das ist die Fähigkeit, jenseits von einem vollen Terminkalender und jenseits von einem vollen Postfach, sich immer wieder auch Zeit für sich zu nehmen. Wir brauchen diese Lernzeit, um die Welt von übermorgen mitzugestalten. Wer diese Zeit jetzt nicht investiert, den wird es übermorgen nicht mehr geben.
Welchen motivierenden Abschlusssatz möchtest Du uns im Zusammenhang mit der Zukunft der Arbeit noch mit auf den Weg geben?
Sabine Kluge: Ich kann nur immer wieder auf mein Credo zurückgehen, weil ich das so wahnsinnig wichtig finde und weil es so viel umschließt. Und das ist, das Unternehmertum im Unternehmen zu fördern. Das heißt Partizipation, alle können mitmachen. Also alle dürfen sich verantwortlich fühlen und allen wird etwas zugetraut. Und wenn man das schafft, dann kann einen eigentlich gar nichts mehr aufhalten.
Das Interview führte Dr. Tanja Jovanovic, Leitung Marketing und Innovationsmanagement, Mitglied der Geschäftsleitung, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg.
Länge der Audiodatei: 00:18:10 (hh:mm::ss)
Innovationspionierin Sabine Kluge über Kompetenzen der Zukunft – Arbeit 2030 (23.10.2024)
Dr. Tanja Jovanović erörtert mit Innovationspionierin Sabine Kluge (kluge+konsorten GmbH), wie Unternehmen ihre Zukunftsvisionen erreichen können, was eine gute Führungskraft ausmacht und wie die Zukunft der Arbeit aussieht.