Wird Bioenergie in Deutschland stiefmütterlich behandelt?

Autor: Dr. Klaus Hassmann, Cluster Energietechnik (Stand: Januar 2018) Das Stoffspektrum Bioenergie ist vielfältig. Im vorliegenden Artikel erfolgt die Unterscheidung der Energieträger nach dem Muster der Kraftwerkslisten des Bundes: Biomasse, Deponiegas und Klärgas. Zu Vergleichszwecken wird auch – obwohl nicht der klassischen Bioenergie zuzuordnen – auf die Nutzung von Abfall sowie von Grubengas zur Energieerzeugung eingegangen. 

Neben den Kraftwerkslisten vom Juli 2014 und Mai 2016 wurde die Brutto-Stromerzeugung „Biomasse“ der AG Energiebilanzen vom 7. 2. 2017 mit dem Ziel ausgewertet, ihnen den einen oder anderen interessanten Aspekt in Hinblick auf die Bioenergie zu entlocken; aus dem Internet wurden zusätzlich die eine oder andere ergänzende Information gezogen. Einige technische Aspekte der Bioenergie werden ebenfalls beschrieben.

Auswertung der Kraftwerkslisten

Etwa 5.000 Volllaststunden in 2015 ergeben sich unter der Annahme, dass Biomasse in der AGE die Summe Biomasse, Gruben-, Deponie-, Klärgas plus Abfall ist. Wird und Abfall und Grubengas nicht berücksichtigt, ergeben sich etwas mehr als 6000 Stunden.

Biomasse: Brennstoffe sind Frischholz, Altholz, Holzhackschnitzel, Baum- und Strauchschnitt, Waldrestholz oder Industrie-Restholz; auch Biogas (soweit nicht durch die oben erwähnten Biogasquellen abgedeckt), das durch den mikrobiologischen Abbau von organischen Stoffen gewonnen wird, fällt in diese Kategorie. Die Anlagen  erreichen elektrische Gesamtwirkungsgrade von zwischen 30 und 35%.

Auswertung der Kraftwerkslisten
Auswertung der Kraftwerkslisten. (Bildnachweis: Bayern Innovativ)

In den Kraftwerkslisten werden a) ausschließlich mit Biomasse sowie b) solche zusätzlich mit einem Ersatzbrennstoff betriebene Anlagen mit einer Leistung von ≥ 10 MW sowie c) Anlagen < 10 MW gelistet. In der Version von 5/2016 sind es unter a) 45 Anlagen; die älteste ist vor 29 Jahren, die jüngste vor 3 Jahren in Betrieb gegangen; im leistungsbezogenen Mittel sind die Anlagen 14 Jahre alt. Die Gesamtleistung beträgt 791 MW. 54 MW erzeugt die größte Anlage. Zu b): Zugefeuert wird z. B. Erdgas oder Mineralöl; auch Steinkohle wird erwähnt. Die Gesamtleistung ist 327 MW, erzeugt in 7 Anlagen; die leistungsstärkste Anlage ist mit 139 MW deutlich größer als die unter a), was nicht wundert. In b) laufen alle Anlagen im Kraft-Wärmekopplung (KWK) Betrieb. Unter a) sind es weniger als die Hälfte. Zu c): 84% der Gesamtleistung Biomasse fällt in die Kategorie < 10 MW. Im Ländervergleich der EEG-Anlagen kleiner 10 MW liegt Bayern mit ca 1200 MW knapp vor Niedersachsen. Alle anderen Länder folgen mit deutlichem Abstand.

Deponiegas: Deponiegas entsteht durch biochemische Abbauprozesse von organischen Verbindungen und Materialien im Deponiekörper.

5/2016 war mit 222 MW im Vergleich zu 7/2014 eine leicht fallende Tendenz zu beobachten. Die gesamte Leistung wird in Anlagen erzeugt, die kleiner als 10 MW sind. NRW ist mit 50 MW der grüßte Nutzer von Deponiegas deutlich vor Brandenburg mit 30 MW.

Klärgas: In der Regel nutzen die Kläranlagen selbst das dort anfallende Klärgas. Wie beim Deponiegas wird die gesamte Leistung von 133 MW in Anlagen kleiner 10 MW erzeugt. Bayern, Baden Württemberg und NRW liegen in der Nutzung von Klärgas mit jeweils ca 18 MW Kopf an Kopf.

Abfall: Abfall ist kein Baustein des Erneuerbaren Energiegesetzes (EEG). In den Verbrennungsanlagen wird zur Erzeugung von Strom und Wärme auch Bioenergie mitverbrannt – dazu zählen zum Beispiel ein biologisch abbaubarer Anteil von Abfällen aus Haushalten und Industrie sowie Klärschlamm. Abfall ist auch, wie Tab 1 zeigt, gegenüber der Biomasse ein untergeordneter, aber im Vergleich zu den anderen in Tab 1 gelisteten Biogasgruppen ein doch bedeutender Energieträger. 85% der gesamten Kraftwerksleistung aus Abfall arbeitet im Wärmeauskopplungsmodus. Tab1 zeigt, dass sich von 7/2014 bis 5/2016 die Leistung bei Abfallverwertung um 5% erhöht hat. Im Vergleich zu den klassischen Bioenergieanlagen sind die Blockleistungen bei Abfall mit im Mittel über 20 MW groß. Nur 9 % der gesamten Kraftwerksleistung besteht aus Anlagen < 10 MW.

Grubengas: Im Gegensatz zum Abfall ist Grubengas im Rahmen des EEG) vergütungsfähig. Ein geochemischer Umwandlungsprozess bei der Steinkohlenbildung ist für die Bildung von Grubengas verantwortlich. Methan als Gas-Hauptbestandteil mit der Eigenschaft in gewissen Konzentrationen zu verbrennen oder sogar zu detonieren  stellt ein Risiko beim untertägigen Abbau von Steinkohle dar. In den stillgelegten Kohlegruben in NRW und in Saarland wird Grubengas gesammelt und zur Energieerzeugung genutzt.

Die Projektliste 2016 weist im Bereich ≥ 10 MW je ein Projekt in NRW mit 33,4 MW –  Inbetriebsetzung (IBS) 1985 – und im Saarland – IBS 2003 mit 42 MW aus. Beide Anlagen arbeiten im KWK – Modus. Im Leistungsbereich < 10 MW sind es 154 MW in NRW und 12 MW im Saarland.

Pressestimmen

Ein paar Meldungen (Quelle die Zeitschrift energie&management) aus dem Jahr 2017 kurz und knapp zusammengefasst beleuchten die Szene.

  • Februar: Existierende Biogasanlagen haben die Chance einer Anschlussförderung von 10 Jahren im EEG 2017. Diese Zeitspanne sollte dazu genutzt werden, die Anlagen möglichst flexibel zu gestalten. Dazu ist in der Regel der Zubau eines Speichers sowie eine Automatisierung der Fahrweise sowie die Unterstützung eines Direktvermarkters im Stromhandel erforderlich. Kundengerechte Wärmeerlöse sind ein zusätzlicher Parameter, um nach Auslaufen der Förderung mit Biogasanlagen Geld zu verdienen.
  • August: Biomethan ist 3 bis 4 Mal teurer als Erdgas. Ein Wärmegesetz in Baden Württemberg  schreibt für den Gebäudealtbestand 15% Erneuerbare vor. Angeboten wird z B Erdgas mit 15% Biogasbeimischung für den Betrieb einer Gaszentralheizung. Das Angebot kommt gut an. Andere Bundesländer sollten nachziehen.
  • September: Biogas zu Erdgas aufbereiten lohnt sich, solange die direkte Biogas-Nutzung unwirtschaftlich ist; ein Gasnetz muss sich in unmittelbarer Nähe befinden und die Kapazität der Biogasanlage sollte mindestens 500 kW betragen.
  • November: Die Preise von Biomethan sind ab Mitte 2017 gesunken; vor allem in Verbindung mit der Wärme- und Stromerzeugung in BHKW bieten sich neue Marktchancen; auch die Versetzung alter, Biomethan- bzw der Umbau von Rohbiogas BHKW auf Biomethan ist aussichtsreich.
Deponiegasanlage
Deponiegasanlage (Bildnachweis: Dr. Hassmann)

Ausblick

In Summe hat die Kraftwerksleistung der im vorliegenden Artikel betrachteten Energieträger (Bioenergie + Abfall + Grubengas) in den beiden Jahren von 2014 bis 2016 um 10% oder 678 MW deutlich zugelegt; diese Steigerung ist vor allem der Biomasse zuzuschreiben. Die Bioenergie + Abfall + Grubengas könnte das Potential haben, einer der Bausteine zu sein, die – ein ähnlicher, kontinuierlicher Zuwachs vorausgesetzt – zum Beispiel den Leistungsverlust beim Ausstieg aus der Braunkohle (2016 waren Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 20.800 MW in Betrieb) in den nächsten 10 bis 15 Jahren kompensieren zu helfen. Allerdings müsste dazu ein Sprung in der Effizienz gelingen, um den Landverbrauch bei der „Biomasseaufzucht“ in erträglichen Grenzen zu halten.