Quelle: Energie & Management Powernews, 09. Mai 2022
Eine Studie bescheinigt dem „Osterpaket“ der Bundesregierung zum Ausbau der Erneuerbaren enormes Potenzial. Binnen zehn Jahren könnten bis zu 409.000 neue Jobs entstehen.
Vorreiter in Europa, Job-Motor, mittelfristiger Turbo für die Wirtschaft und Wendepunkt hin zur nachhaltigen Ökonomie: Die Vorschusslorbeeren für das von der Bundesregierung vorgelegte „Osterpaket“ könnten kaum üppiger ausfallen. Eine Studie des Kreditversicherers Allianz Trade sieht in den Plänen der Ampel-Koalition großes Potenzial, sofern sie existierende Hürden überwinden.
Die Transformation des Energiesystems könne starke wirtschaftliche Entwicklungen auslösen, glauben die Fachleute der Allianz-Tochter, die ihren Sitz in Paris hat. Das Ziel, bis 2030 drei Mal so viel Erneuerbaren-Strom zu produzieren wie bisher, würde zu mehr Wachstum und Arbeitsplätzen führen. In den kommenden zehn Jahren sagt Allianz-Trade-Volkswirtin Katharina Utermöhl bis zu 409.000 zusätzliche Jobs voraus.
Energiewende muss zahlreiche Hindernisse überwinden
Die Analystin listet aber zugleich auf, was den „ehrgeizigen“ Plänen im Wege steht: Bürokratiehemmnisse, rasante Preissteigerungen, Störungen der Lieferketten, Verknappung von Rohstoffen und Arbeitskräftemangel. Zudem, so Utermöhl, „erfordert das Paket entsprechende Investitionen der Privatwirtschaft. Wenn dies gelingt, ist das ein Wendepunkt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft.“
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine sieht Allianz Trade als gravierenden Störfaktor für die „nächste Phase der grünen Transformation“, für den das „Osterpaket“ den Startschuss gegeben habe. Auf der anderen Seite erhöhe sich durch die Absetzbewegungen von russischen Energieimporten der Druck auf Deutschland, die Transformation schneller anzugehen.
Vor dieser Kulisse erkennt Allianz Trade zwei unterschiedliche Entwicklungen mit Blick auf eine grünere Wirtschaft. Russlands Überfall habe bei Unternehmen „nicht zu ehrgeizigeren langfristigen Klimaziele geführt“, so Utermöhls Kollege Markus Zimmer. Er erkennt aber eine „deutliche Beschleunigung der kurz- bis mittelfristigen Investitionsziele in erneuerbare Energien“. Die Energiewende erfahre voraussichtlich eine breitere Unterstützung durch Politik und Bevölkerung, glaubt Zimmer, dies sei „ein entscheidender Erfolgsfaktor“ für die Transformation des Energiesystems.
Vielen Unternehmen fehlt noch der Wille zu mehr Nachhaltigkeit
Allianz Trade schreibt einem Großteil der Unternehmen ins Stammbuch, bei ihren Geschäftsmodellen „umdenken“ zu müssen. Aktuell fehle laut jüngster Welthandelsstudie vielfach noch die Bereitschaft, das Thema Nachhaltigkeit stärker zu priorisieren und die Nachhaltigkeitsstrategien zu schärfen. Knapp drei Viertel der weltweit befragten Export-Unternehmen hatten gegenüber Allianz Trade angegeben, bei der Auswahl ihrer Handelsmärkte auf Nachhaltigkeitsaspekte in den Bereichen Ökologie, Soziales und Unternehmensführung (ESG-Kriterien) keine Rücksicht zu nehmen. In Deutschland achtet nur jede dritte Exportfirma darauf.
Auch bemängelt Allianz Trade untaugliche Rahmensetzungen für ein klimabewussteres Wirtschaften. „Die Kohlenstoffpreise sind noch zu niedrig, um einen Wandel in den Unternehmen auszulösen oder die Verkaufspreise in die Höhe zu treiben“, sagt Milo Bogaerts, Geschäftsführer von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Nachhaltigkeitsthemen würden von den meisten Exporteuren nach wie vor nicht als Risiko für das Geschäft wahrgenommen. So sei das Engagement für weniger Treibhausgasemissionen weiterhin stark ausbaufähig.
Bogaerts belässt es nicht bei der Kritik an fehlendem Nachhaltigkeitsbewusstsein. Er sieht zugleich „eine Chance, die Unternehmen jetzt nutzen können, um sich durch frühzeitige Investitionen in die eigene Nachhaltigkeit entscheidende Wettbewerbsvorteile zu sichern – und den Welthandel auf dem Weg in Richtung Klimaneutralität zu unterstützen.“
Allianz Trade hat die in Englisch verfasste Studie zur Energiewende in Deutschland „Germany’s Easter package: Great green intentions“ und auch die „Globale Exportumfrage“ im Internet hinterlegt.
Autor: Volker Stephan