Steigende CO2-Emissionen bei der Stromversorgung in Bayern?

Autor: Marco Pruckner und Prof. Dr.-Ing. habil. Reinhard German, Lehrstuhl für Rechnernetze und Kommunikationssysteme, Universität Erlangen-Nürnberg (Stand: Dezember 2014) Mit der Stilllegung der sich derzeit im Betrieb befindlichen Kernkraftwerke bis Ende 2022 wird sich auch die CO2-Emissionsbilanz in Bayern grundlegend ändern. Die Kernenergie hatte im Jahr 2012 einen Anteil von 50 % an der bayerischen Bruttostromerzeugung. Um den Wegfall der Kernenergie kompensieren zu können, sollen nach Plänen der bayerischen Staatsregierung die erneuerbaren Energieträger schneller ausgebaut werden und bereits im Jahr 2021 einen Anteil von rund 50 % an der Stromnachfrage haben.

Nichtsdestotrotz zeigen bereits erste Rechnungen mit einem gekoppelten Optimierungs-, Simulations- und elektrischen Netzmodell, welches an drei Lehrstühlen der Universität Erlangen-Nürnberg entwickelt wird, dass die bayerische CO2-Emissionsbilanz unter Berücksichtigung steigender Stromimporte ansteigen wird. Während im Jahr 2012 ca. 80 % der Bruttostromerzeugung in CO2-armen Kernkraftwerken und regenerativen Erzeugungsanlagen produziert wurden, werden im Jahr 2023 durch die Stilllegung der Kernkraftwerke nur noch 50 % der Bruttostromerzeugung CO2-arm sein. Die verbleibenden 50 % werden durch fossil-befeuerte Erzeugungsanlagen innerhalb Bayerns, wie beispielsweise Gaskraftwerke oder Steinkohlekraftwerke, und Stromimporte gedeckt werden. Natürlich wird ein Großteil der Stromimporte durch CO2-armen Windstrom aus den windreichen Gebieten Nord- und Ostdeutschlands kommen. Allerdings zeigt sich aufgrund des fluktuierenden Charakters der Windenergie und des heutigen Strommarktdesigns, dass in Zeiten einer Windflaute hauptsächlich Strom aus fossil befeuerten Kraftwerken importiert werden wird. Dieser Strom wirkt sich insgesamt negativ auf die CO2- Emissionsbilanz in Bayern aus, wie wir im Folgenden näher analysieren möchten.

Um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse mit der Bruttostromerzeugung aus 2012 gewährleisten zu können, werden für die Berechnung der CO2-Emissionen der Stromerzeugung die gleichen Werte zugrunde gelegt. Die offiziellen CO2-Emissionswerte des Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) zur ganzheitlichen Bewertung (Life Cycle Assessment, LCA) verschiedener Erzeugungstechnologien sind in Tabelle 1 energieträgerscharf dargestellt. Im Gegensatz zu den spezifischen CO2-Emissionen umfasst die ganzheitliche Bewertung der CO2-Emissionen die gesamte Wertschöpfungskette.

 Kohle Erdgas Mineralöl produkte  KernenergieWind- energie Photo- voltaik Bio- energie Wasser kraftGeo- thermie
 g CO2 eg/KWh 1001 469840 16 12 46 18 45 

Tabelle 1: Übersicht der LCA von CO2-Emissionen verschiedener Stromerzeugungstechnologien

Die genaue Energiebilanz für das Jahr 2023 kann nur näherungsweise bestimmt werden und ist grundsätzlich mit vielen Unsicherheiten behaftet. Dennoch ist es möglich, mit Hilfe des am Lehrstuhl für Rechnernetze und Kommunikationssysteme entwickelten Simulationsmodells unter gewissen Annahmen eine mögliche Energiebilanz für das Jahr 2023 zu prognostizieren. Dazu wurde ein Referenzszenario entwickelt, welches von einer Bruttostromerzeugung aus Erneuerbaren Energien von 50 % im Jahr 2023 ausgeht. Darüber hinaus wurde die Thüringer Strombrücke fertiggestellt und zwei große GuD-Anlagen von je 800 MW in Bayern errichtet. Der Stromverbrauch im Jahr 2023 liegt im Referenzszenario bei 85 TWh jährlich. Sowohl das Simulationsmodell als auch das Referenzszenario unterliegen einer kontinuierlichen Weiterentwicklung. Die hier dargestellten Ergebnisse haben einen Stand von 06/2014. In Abbildung 1 ist die bayerische Stromerzeugungsbilanz für das Jahr 2012 und für das Referenzszenario 2023 grafisch dargestellt.

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Abbildung 1: Bruttostromerzeugung in Bayern

Im Referenzszenario haben die Erneuerbaren Energien einen Anteil von 50 % an der  Bruttostromerzeugung. Der Import-Anteil liegt bei ca. 30 %. Aus welchen Energieträgern sich der Import-Anteil zusammensetzt lässt sich nur schwer quantifizieren. Beispielsweise kann der Anteil von Winderzeugungsanlagen an der Stromimporten nicht im Detail angegeben werden. Um dennoch eine Aussage zur Entwicklung der CO2- Emissionen in Bayern tätigen zu können, werden die durchschnittlichen CO2-Emissionen sowohl des deutschen Stromerzeugungsmixes als auch der bayerische Anrainerstaaten für das Jahr 2023 zugrunde gelegt. Im Falle von Deutschland wird somit einer höheren Stromerzeugung aus Windenergieanlagen im Jahr 2023 Rechnung getragen.

Die gesamten CO2-Emissionen der Stromerzeugung in Bayern sind in Tabelle 2 über- sichtlich dargestellt. Für die Pro-Kopf Emissionen der Stromerzeugung wurde von einer Einwohnerzahl  von 12,5 Mio. ausgegangen. Die Pro-Kopf Emissionen steigen von heute 1,05 t/Einwohner auf 1,68 t/Einwohner im Jahr 2023 bedingt durch den Ausstieg aus der Kernenergie und daraus resultierende Stromimporte an. Interessanterweise nehmen die CO2-Emissionen der Stromerzeugung innerhalb Bayerns von 1,05 t/Einwohner auf 0,88 t/Einwohner aufgrund der hohen Stromerzeugung aus regenerativen Energien ab. Entscheidend für die bayerische Stromerzeugungsbilanz sind jedoch die gesamten CO2-Emissionen des in Bayern verbrauchten Stroms und diese steigen um ca. 60 % an.

 Stromerzeugung in Bayern Stromimporte Gesamt 
 2012   
 Gesamte CO2-Emissionen in Mio. t13,12 13,12 
 Pro Kopf CO2-Emissionen in t/Einwohner1,051,05 
 2023   
 Gesamte CO2-Emissionen in Mio. t10,98 10,00 20,98 
 Pro Kopf CO2-Emissionen in t/Einwohner0,88 0,80 1,68 

 Tabelle 2: Übersicht der CO2-Emissionen der Stromerzeugung

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die CO2-Emissionen des in Bayern verbrauchten Stroms im Zuge des Energieumstiegs ansteigen werden. Dies hängt in erster Linie von den Stromimporten ab. Durch den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien oder emissionsarmer Gaskraftwerke in Bayern, den weiteren Ausbau des Übertragungsnetzes oder dezentraler Speicher in größerem Ausmaß würden sich die hier getroffenen Aussagen verschieben.