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Robotik – Fluch oder Segen
„Visionen sind wichtig, um die Technologien oder die Ansätze, die wir derzeit zur Verfügung haben, weiterzuentwickeln” – Prof. Dr. Dirk Wilhelm
Werden Roboter künftig in Kliniken Patienten alleine operieren? Was genau kann man sich unter klinischer Robotik überhaupt vorstellen und in welchen Bereichen ist welcher Einsatz möglich? Erfahren Sie im nachfolgenden Interview mit Prof. Dr. Dirk Wilhelm vom Klinikum rechts der Isar mehr über technische Weiterentwicklungen und die ethischen Herausforderungen im Bereich der klinischen Robotik.

Welche Anwendungsfelder gibt es aktuell von Robotik im Gesundheitsbereich?
Professor Wilhelm: Robotik stellt bereits ein sehr breites Feld dar. Es gibt unzählige Systeme oder Produkte, die wir anwenden könnten. Im Bereich der Pflege gibt es beispielsweise die Robbe Paro, die für demenzkranke Patienten eingesetzt wird, um soziale Interaktion zu unterstützen oder Robotiksysteme wie Pepper und Moxi, die als Pflegeroboter zum Einsatz kommen. Daneben gibt es vor allem die Telemanipulatoren, die wir zum Beispiel in der Bauchchirurgie und der Unfallchirurgie bei operativen Eingriffen verwenden. Darüber hinaus gibt es robotische Systeme für Logistik und (Betten-)Transport. In Deutschland ist die Anwendung von Robotik jedoch erst am Anfang und wir setzen derzeit fast ausschließlich Telemanipulatoren bei operativen Eingriffen ein.
Was ist der aktuelle Stand von Robotik im klinischen Alltag?
Professor Wilhelm: Telemanipulatoren werden bereits bei vielen Eingriffen routinemäßig eingesetzt. In der Weichgewebschirurgie, wie Bauchchirurgie, Gynäkologie und Urologie zum Beispiel für eine Prostata-Resektion, aber auch für die Unfallchirurgie und Orthopädie kommen robotische Systeme zum Einsatz. Sie unterstützen beispielsweise in der Endoprothetik den Arzt beim Implantieren von Prothesen. Der Anteil der derzeit robotisch durchgeführten Eingriffe ist noch sehr gering und liegt deutlich unter 10 %.
Hightech Anwendungen wie Robotik sind kostenintensiv. Welche Vorteile bieten daher solche Systeme wie Roboter oder Telemanipulatoren bei der OP?
Professor Wilhelm: Diese Systeme bieten eine sehr hohe Präzision, sind technisch sehr weit entwickelt, sind aber auch in der Anschaffung und im Betrieb, d. h. Wartung und die dafür eingesetzten Verbrauchsgüter kostspielig. Da die Chirurgie schon ein extrem hohes Niveau hatte, sind die Vorteile eher gering und schrittweise. Zum Beispiel, dass Patienten nach komplexen Eingriffen weniger Nervenschäden haben. Die Konversionsraten, das heißt die Wahrscheinlichkeit, dass man einen minimal-invasiv robotisch geplanten Eingriff offen durchführen muss, sind auch deutlich geringer. Insgesamt sind die Aufenthaltsdauern der Patienten im Krankenhaus kürzer und es gibt weniger Komplikationen. Andererseits sind wir erst am Anfang des potenziellen Nutzens, den wir von solchen Systemen wirklich erwarten können. Wir operieren zwar mit diesen robotischen Systemen, können aber nicht auf alle Daten zugreifen. In Zukunft wollen wir diese Informationen nutzen und Sicherheitsroutinen einbauen, wie es zum Beispiel schon in der Unfallchirurgie und Orthopädie der Fall ist. Strukturen, Bänder, Blutgefäße können vorher markiert und bei der Operation sicher geschont werden. Auch die Ausbildung von jungen Chirurginnen und Chirurgen, die am Computer groß geworden sind und an diesen Systemen eine bessere Performance abgeben, wird eine qualitative Steigerung bringen.
Visionen sind wichtig, um die Technologien oder die Ansätze, die wir derzeit zur Verfügung haben, weiterzuentwickeln!
Wie sieht die Akzeptanz aufseiten der Ärzteschaft aus? Und wie hoch ist das Vertrauen aufseiten der zu behandelnden Personen? Gibt es ethische Bedenken oder wird aktiv nach Eingriffen mit Robotern gefragt?
Professor Wilhelm: Die Einführung der neuen Technologie wird in Deutschland vor allem von den Ärzten und Ärztinnen begleitet, die etablierte Methoden anwenden, die Erfahrung mit Eingriffen haben und die verlangen, dass Studien durchgeführt werden. Im Bereich der Robotik ist die Akzeptanz aufseiten der Ärzteschaft jedoch sehr hoch. Vor allem bei jüngeren Ärzten bzw. Ärztinnen und denjenigen, die versuchen, die Grenzen der minimal-invasiven Chirurgie zu erreichen. Aufseiten der Patienten ist das Vertrauen sehr hoch. Dass Patienten aktiv nach robotischen Eingriffen fragen, kommt aktuell jedoch noch nicht häufig vor. Ich glaube, dass wir überhaupt keine ethischen Bedenken haben müssen, da diese Systeme nicht autonom arbeiten. Die Chirurginnen und Chirurgen, die diese Systeme benutzen, sind entsprechend ausgebildet und es gibt viele Sicherheitsvorkehrungen. Der Patient ist weiterhin voll in den Händen des Chirurgen.
Sie sind Leiter der Forschungsgruppe MITI. Für was steht diese Abkürzung und was ist genau der Forschungsgegenstand dieser Gruppe?
Professor Wilhelm: MITI steht für Minimal-invasive Interdisziplinäre Therapeutische Intervention und ist eine Arbeitsgruppe, die seit über 20 Jahren aktiv ist. Unser Wunsch war, Eingriffe schonender und damit weniger belastend für die Patienten zu machen. Menschen aus verschiedenen medizinischen Disziplinen und den Ingenieurwissenschaften arbeiten zusammen, um die medizinische Versorgung weiter zu entwickeln. Wir suchen medizinische Probleme, die das Gesundheitswesen aktuell betreffen und versuchen dafür Technologien zu modifizieren, zu adaptieren und zu entwickeln. Neben der operativen Versorgung gibt es derzeit das große Feld des Pflegemangels. Um sicherzustellen, dass in Zukunft auch noch Patienten vollumfänglich versorgt werden können, bearbeiten wir derzeit in mehreren Projekten robotische Ansätze, um Pflege vor allem im Operationssaal, langfristig aber auch auf Stationen und im Versorgungsbereich zu unterstützen oder notfalls zu ersetzen. Wir haben zudem Systeme entwickelt, um infektiöse Patienten sicher telerobotisch zu behandeln.
Wie sieht Ihrer Vorstellung nach der OP der Zukunft aus?
Professor Wilhelm: Ich sehe das losgelöst von der Technologie. Wenn ich mich als Patient sehe, dann wäre mein Wunsch für eine Operation der Zukunft, dass ich eigentlich gar keine Operation wahrnehme. Das heißt, dass das Problem, das ich habe, gelöst wird und ich am Abend der Behandlung ohne Schmerzen, ohne Narben und ohne dass ich tatsächlich eine gefühlte Operation erfahren habe, nach Hause gehe. Solche Visionen sind wichtig, um die Technologien oder die Ansätze, die wir derzeit zur Verfügung haben, weiterzuentwickeln. Um Wunden am Patienten zu vermeiden und ganz gezielt in Körperbereichen ohne großes Trauma zu agieren, ist Robotik ein ganz wichtiges Werkzeug, denn Hände können hierbei durch etwas Vergleichbares, aber viel Kleineres ersetzt werden und auch ferngesteuerte Systeme sind für die Zukunft denkbar. Dies wird noch lange dauern, aber wir müssen in dieser Richtung arbeiten, wobei neben der Robotik künstliche Intelligenz und andere Ansätze, die uns moderne Technologien bieten, auch wichtig sind.
Das Interview führte Dr. Petra Blumenroth, Projektmanagerin Technologie I Frugale Innovation bei der Bayern Innovativ GmbH.
Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an:
Klinische Roboter - geben wir uns ganz in die Hände der Technik?
Werden Roboter in Kliniken künftig Patienten alleine operieren, so wie es in manchen Science Fiction-Filmen zu sehen ist? Über technische Weiterentwicklungen, aber auch die ethischen Herausforderungen spricht Dr. Petra Blumenroth mit Prof. Dr. Dirk Wilhelm.
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