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KWK-Anlagenbetreiber stehen vor großen Herausforderungen
Redispatch 2.0 – Welche gesetzlichen Anforderungen müssen KWK-Anlagenbetreiber ab 100 kW erfüllen?
Autor: Philipp Schaltenberg, Kaufmännischer Geschäftsführer VK Energie GmbH (Stand: Juli 2021)
Am 1. Oktober 2021 startet der neue Mechanismus zum Engpassmanagement im Stromnetz („Redispatch 2.0“). Netzbetreiber und Anlagenbetreiber sind betroffen. Es ergeben sich neue Anforderungen für den Betrieb und die Bewirtschaftung einer Vielzahl von Anlagen.
Aktuell wissen viele Betreiber von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) nicht genau, was mit den neuen Regelungen zum erweiterten Redispatch-Prozess, dem Redispatch 2.0, auf sie zukommt. Sie wurden im Netzausbaubeschleunigungsgesetz (Nabeg) im Mai 2019 beschlossen und sind ab 1. Oktober 2021 von allen Marktpartnern, vor allem Netzbetreibern und Anlagenbetreibern, umzusetzen. Derzeit nehmen am Redispatch nur konventionelle Erzeugungsanlagen mit mehr als 10 MW elektrischer Leistung zur Vermeidung von Netzengpässen teil.
Künftig werden alle Erzeugungsanlagen ab 100 kW in Redispatch-Maßnahmen einbezogen:
- Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE-Anlagen)
- KWK-Anlagen
- elektrische Speicheranlagen
Dadurch ergeben sich neue Anforderungen für den Betrieb sowie für die Bewirtschaftung dieser Anlagen. Bisher werden EE-Anlagen zum Netzengpassmanagement nur herangezogen, wenn sie im Rahmen des Einspeisemanagements abgeregelt werden. Das liegt am Vorrang der erneuerbaren Energien: Erst wenn über Redispatch alle konventionellen Möglichkeiten erschöpft sind, dürfen EE-Anlagen über das Einspeisemanagement abgeregelt werden. Die Zahl und die Kosten der Redispatch-Maßnahmen sind zuletzt stark gestiegen. Viele dezentrale Anlagen liegen näher am Netzengpass und können dadurch zielgenauer einen drohenden Engpass auflösen.
Ziel des Redispatch 2.0
Die geregelten Mengen sollen vor und hinter Netzengpässen reduziert werden, um damit die Kosten im Gesamtsystem zu senken. Das bedeutet einen großen Schritt in der Digitalisierung des Stromsystems. Dafür ist eine neue zentrale Datenplattform für den Austausch dieser Daten zwischen allen Marktakteuren notwendig. Diese gemeinsame Plattform wird von dem Netzbetreiberprojekt connect+ bereitgestellt. Daraus resultieren für alle Marktteilnehmer zusätzliche IT-Schnittstellen und -Prozesse. Betroffen sind Netzbetreiber, Bilanzkreisverantwortliche und Einsatzverantwortliche (EIV).
Der Einsatzverantwortliche ist für die Fahrweise einer Energieerzeugungsanlage zuständig. Dies kann der Anlagenbetreiber selbst sein oder ein von ihm beauftragtes Dienstleistungsunternehmen. Viele Anlagenbetreiber sind mittelständische Energieversorger, die über keine großen Kapazitäten im Bereich der notwendigen IT-Systeme verfügen oder schlichtweg mit dem Tagesgeschäft sowie anderen neuen Themen ausgelastet sind. Daneben gibt es viele betroffene Anlagenbetreiber aus dem Bereich Industrie und Gewerbe, die Anlagen zur Eigenversorgung betreiben. Für diese Anlagenbetreiber bietet VK Energie die Erfüllung der neuen Anforderungen aus Redispatch 2.0 in der Rolle des Einsatzverantwortlichen an. Als Fullservicedienstleister übernimmt VK Energie in diesem Fall den kompletten Datenaustausch mit connect+, sodass die Anlagenbetreiber keine eigenen Anpassungen an ihren IT-Systemen vornehmen müssen.
Meldepflichtige Daten und Zeitplan für die Umsetzung
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat ein Einführungsszenario verfasst, welche Daten vom Einsatzverantwortlichen an die Datenplattform connect+ zu melden sind:
- Meldung der initialen Anlagenstammdaten bis zum 17. August 2021
- tägliche Meldung der Fahrplanprognose zwei Tage im Voraus sowie einen Tag im Voraus als Aktualisierung – jeweils bis 14:30 Uhr (erstmals für den 1. Oktober 2021)
- Nichtbeanspruchbarkeiten, zum Beispiel aufgrund von Wartung oder Störung der Anlage, sind unverzüglich maximal eine Stunde nach Bekanntwerden zu melden (erstmals für den 1. Oktober 2021)
- Im Aufforderungsfall muss der Anlagenbetreiber oder dessen Einsatzverantwortliche die Stromerzeugungseinheit regeln und gegebenenfalls den Bilanzkreisverantwortlichen (BKV) informieren. Dies kann auch innertägig erfolgen.
- Änderungen an der Fahrweise sowie Bezuschlagungen von Regelleistung sind ebenfalls an connect+ zu übertragen
Redispatch 2.0 als Chance zur wirtschaftlichen Anlagen-Optimierung
Neben den Anforderungen, die durch Redispatch 2.0 auf die Anlagenbetreiber zukommen, ergeben sich auch Chancen aus den notwendigen Anpassungen an der Anlagen-IT. VK Energie ist seit vielen Jahren darauf spezialisiert, die Fahrweise von Energieerzeugungsanlagen zu optimieren. Erreicht wird dies durch eine permanente Optimierung des Fahrplans einer Anlage mit Methoden der künstlichen Intelligenz. Zentrale Eingangsparameter für die Optimierung sind Prognosen für den Wärmebedarf und den Strompreis sowie der vorausschauende Einsatz des Wärmespeichers – soweit dieser vorhanden ist.
Mit der Anlagen-Optimierung können unterschiedliche wirtschaftliche Ziele erreicht werden:
- Flexibilisierung
- Spotmarktoptimierung
- Reduzierung der Startvorgänge
- Reduzierung von CO2-Emissionen
Denn bei fast allen Anlagen schlummert noch ein erhebliches Optimierungspotenzial von bis zu 30 % gegenüber einem nicht-optimierten Betrieb.
Technische Umsetzung von Redispatch 2.0 durch die VK Box
Um eine Energieerzeugungsanlage auf die Redispatch-Anforderungen vorzubereiten, muss eine Anbindung an die Datenplattform connect+ erfolgen. Diese Datenschnittstelle besteht zwischen dem zentralen IT-System der VK Energie und connect+. Dafür wird eine kompakte Hardware-Lösung verwendet – die VK Box.
Die VK Box ist eine Art Mini-Computer, auf dem Software-Algorithmen von VK Energie laufen. Gleichzeitig ist sie die Kommunikationsschnittstelle zur jeweiligen Energieerzeugungsanlage. Zum einen erhält die VK Box Live-Daten der Anlage, zum Beispiel zur Stromproduktion oder den aktuellen Wärmebedarf. Zum anderen sendet die Box Steuersignale an die Anlage. Damit wird der optimierte Fahrplan umgesetzt. Kommt es zu einem Abruf im Rahmen des Redispatch, dient ebenfalls die VK Box dazu, diese an die Anlage weiterzugeben.
Auswirkungen für den Anlagenbetreiber
Natürlich erhält der Anlagenbetreiber für diese Systemdienstleistung eine Vergütung. Erfolgt ein Abruf aufgrund einer Redispatch-Maßnahme, ist der Netzbetreiber dazu verpflichtet, die entstandenen Mengen auf Seiten der Strombilanzkreise auszugleichen. Daneben gibt es bei KWK-Anlagen, die neben Strom auch Wärme erzeugen, einen Effekt auf die Wärmeerzeugung. Die Frage einer ausreichenden (Ersatz-) Wärmeversorgung fällt in die Risikosphäre des Anlagenbetreibers und kann einer Abregelung der KWK-Anlage generell nicht entgegengehalten werden.
Bis zum Start von Redispatch 2.0 verbleibt nicht mehr viel Zeit. Alle betroffenen Marktakteure – ob Netz- oder Anlagenbetreiber – sollten prüfen, inwieweit sie von den neuen Anforderungen betroffen sind und wie sie diese umsetzen wollen.
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