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Hochleistungs-Energieübertragung – Wie funktioniert die Erdverkabelung?
Autor: Prof. Dr. Jochen Fricke, Cluster Energietechnik (Stand: August 2016) Die Übertragung von elektrischer Energie auf höchstem Spannungs-Niveau mittels Freileitung hat viele Vorteile gegenüber der Kabel-Lösung: Bei Freileitungen ist der Eingriff in den Boden auf die Mastbereiche beschränkt, während für Kabel-Installationen breite Schneisen von Pflanzen- und Baumbewuchs befreit und freigehalten werden müssen sowie große Mengen an Erdreich zu bewegen sind. Während die frei hängenden Leiterseile durch die Luft effizient gekühlt werden, wird die Ohmsche Verlustwärme vom Kabel an das umliegende Erdreich abgegeben und heizt dieses auf, was zum Austrocknen darüber liegender Felder führen kann. Reparaturen sind an Freileitungen schnell visuell lokalisierbar und reparierbar. Bei Verkabelungen muss nach der Lokalisierung des Schadens das Erdreich abgetragen werden. Das fehlerbehaftete Kabelstück ist herauszutrennen, dann sind die entstandenen Kabelenden über einen aufwändigen Prozess durch Muffen wieder zusammen zu fügen. Und schließlich sind Kabel-Lösungen vielmals teurer als Freileitungen. Bei den Kosten müssen Bodenbeschaffenheit, Geländeform, auch Reparaturen und Rückbau, mit anderen Worten, die Lebenszykluskosten berücksichtigt werden.
Auf Grund der zahlreichen Bürgerproteste vor allem gegen die geplanten neuen Nord-Süd-„Stromautobahnen“ hat die Bundesregierung die Erdverkabelung trotz der Vorteile der Freileitungs-Lösung als Regelfall vorgeschrieben.
Erste Kurzstrecken bei Erdverkabelung
Höchstspannungs-Erdkabel für Wechselstrom werden in Deutschland auf kurzen Strecken bereits verbaut: So z.B. durch Amprion in der 380 kV, 3.6 GW Strom-Leitung zwischen Wesel und Meppen. Um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen, wird in der Nähe von Wohngebieten oder in Naturschutzgebieten an mehreren Stellen in Pilotvorhaben eine Teilverkabelung durchgeführt. Dies geschieht z.B. bei Raesfeld auf einer Strecke von 3.5 km, was zu sehr erheblichen Erdarbeiten führt. Die 4x3 Drehstromkabel werden in Schutzrohren in 2 Gräben mit einer Breite von je ca. 7 m in einer Tiefe von ca. 2 m verlegt und dann mit Flüssigboden (Erdreich mit 5% Zuschlagsstoffen) oder Magerbeton vergossen (Abb. 1).
Diese führen die Ohmsche Verlustwärme ins umliegende Erdreich ab. An Trassenverengungen, kann auch ein mit hochwärmeleitfähigem Graphit versetzter Beton (Powercrete® oder CableCem® der Firma HeidelbergCement AG) eingesetzt werden.
Hoher Aufwand für sichere Übertragung
Jedes Kabel enthält einen Kern aus verseilten Kupferdrähten mit einem Querschnitt von 2.500 mm². Die Aufteilung in Drähte ist nicht nur wegen der Flexibilität sondern auch wegen des Skin-Effekts bei 50Hz-Wechselstrom erforderlich. Dieser Effekt führt dazu, dass der Wechselstrom partiell aus dem Leiterinneren hin zum Rand verdrängt wird, was den elektrischen Widerstand erhöht. Die Isolation besteht entweder aus einer Öl-durchflossenen Papierwicklung (MI-Isolation) oder neuerdings aus hochvernetztem, besonders durchschlagsfestem, etwa 3 cm dickem, extrudiertem Polyethylen. Nach außen folgen dann noch Funktions- und Schutzschichten.
Da die maximal zu Land auf einer Rolle transportierte Kabellänge aus Gewichtsgründen bei etwa 1 km liegt, müssen die Kabelenden durch Muffen miteinander verbunden werden. Die Installation einer Muffe erfordert etwa eine Woche Arbeitszeit.
An den Schnittstellen zwischen Freileitung und Kabel befindet sich jeweils eine Übergabestation (man kann ja die Freileitung nicht einfach in den Boden einschleifen – es gäbe sofort einen Kurzschluss). Ausgehend vom ca. 65 m hohen Höchstspannungs-Stahlgitter-Mast (Abb.2) werden die ankommenden 2x3 Freileitungen zu einem ca. 35 m hohen Stahlgitter-Eingangs-Portal mit Blitzschutz in der Übergabestation geführt und daran mit ca. 3.6 m langen Isolator-Stäben fixiert. Im folgenden Stahlgitter-Verteil-Portal befinden sich Stromschienen, in denen der Strom aus den 2x3 Leiterseilen auf 4x3 Leiter verteilt wird. Diese Aufteilung ist erforderlich, um die Kabeltemperaturen im Boden möglichst niedrig zu halten. Die 12 Leiter werden dann oben in das Innere der fast 9 m hohen, aus Porzellan oder GFK bestehenden Isolator-Säulen eingespeist und als isolierte Kabel nach unten in den Boden gezogen. Die benötigte Fläche einer Übergabestation liegt bei 60mx80m. Die gesamte Bauhöhe einschließlich Blitzschutz beträgt ca. 35 m. Beim Übergang von der Kabel- auf die Freileitungsstrecke wird wieder eine Übergabestation durchlaufen, dann in umgekehrter Reihenfolge. In die Übergabestationen können Vorrichtungen zum Abschalten und für die Blindstromkompensation integriert werden.
Während die Strom-Leitung zwischen Wesel und Meppen in Drehstrom-Technik ausgeführt wird, soll die 800 km lange deutsche Strom-„Autobahn“, SuedLink, in Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs(HGÜ)-Technik und mit einer Spannung von 500 kV und einer Leistung von 4 GW realisiert werden. SuedLink wird im Bereich der Netzbetreiber TenneT und TransnetBW verlaufen. Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung von elektrischer Energie über große Entfernungen ist deswegen so attraktiv, weil dabei keine kapazitiven Blindstrom-Komponenten entstehen, d.h. Strom und Spannung in Phase bleiben und kein Skin-Effekt auftritt.
Die HGÜ-oder HVDC-Übertragung rechnet sich erst ab einer Strecke von etwa 600 km. Denn sie erfordert Eingangs der DC-Strecke die Gleichrichtung des eingespeisten Drehstroms und am Ende die Rückkonversion zu Drehstrom (Abbildung 3). Die hierfür nötigen Gleichrichter- und Konverter-Stationen sind technisch sehr aufwändig und tragen etwa 40% zu den Kosten des gesamten DC-Übertragungssystems bei. Sie benötigen sehr viel Platz, etwa 300mx230m. Sie beinhalten zwei 20 m hohe Konverter-Hallen (eine für die Erzeugung der Spannung +500 kV, die andere für -500 kV). Weiter sind in den Konverter-Stationen Transformatoren, Schalteinrichtungen, Kühlanlagen und die Zuführungen zum Wechselstrom- und Gleichstrom-Netz untergebracht. Attraktiv an der HVDC-Übertragung ist, dass 2 DC-Leiter (plus metallischer Rückleiter) 6 AC-Leiter ersetzen (Abbildung 3). Die Erdkabel haben einen Cu- oder Al-Kern mit einem Querschnitt von etwa 3.000 mm² und sind mit einem ca. 3 cm dicken Isolationsmantel aus vernetztem Polyethylen elektrisch isoliert. Nach außen folgen Funktions-Schichten und Armierung.
Übergabestationen bei Teilverkabelung nötig
Erfolgt eine Teilverkabelung, müssen Übergabestationen beim Übergang vom Leiterseil aufs Erdkabel installiert werden. Ähnlich wie in Abbildung 2 werden die Leiterseile vom Gittermast aus an den Isolatoren eines Eingangsportals in der Station fixiert. Von dort werden sie von oben in etwa 10 m hohe Isolator-Säulen eingeführt und in deren Innerem als Erdkabel hinab in den Boden gezogen. Der Flächenbedarf für eine Übergabestation liegt bei etwa 2.000 m², deren Höhe beträgt etwa 35 m.
Die Verlegung der Kabel erfordert sehr umfangreiche Erdbewegungen (Abb.4). Die Breite der HVDC-Kabeltrasse beträgt etwa 25 m. HVDC-Kabel können (aus Transportgründen) in einem Stück nur bis zu Längen von maximal 1.200 m verlegt werden. Die Vermuffung von zwei Kabelenden mit in der Fabrik vorgefertigten Muffen dauert etwa 2 - 7 Tage, je nach Kabel-Typ.
Wir erkennen also, welch erheblicher technischer Aufwand betrieben werden muss, um anstelle einer Freileitung die Verkabelung zu realisieren. Aber auch bei dieser Lösung ist wohl mit erheblichen Bürgerprotesten zu rechnen. Daher ist es durchaus als Erfolg zu werten, wenn die für die Stromversorgung Bayerns dringend benötigte SuedLink - wie geplant - bis 2025 in Betrieb gehen kann.
Der Autor dankt Herrn Arndt Feldmann, Amprion GmbH in Dortmund für Information zum Raesfeld-Projekt und weist auf eine Ausstellung hin, in der man sich per 360° Panoramasicht auf der Amprion-Homepage umfassend über das Pilot-Projekt informieren kann: http://netzausbau.amprion.net/projekte/wesel-meppen/pilotprojekt-erdkabel/index.html