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Stromerzeugung aus Wasserkraft in Deutschland
Robust, zuverlässig, ausgereift
Autor: Dr. Klaus Hassmann, Cluster Energietechnik (Stand: Juni 2017)
Historie
Die Wasserkraft, insbesondere Laufwasserkraftwerke zählen mit zu den ältesten Erfindungen in der Erzeugungstechnik von elektrischem Strom. In Bad Reichenhall erfolgte im Jahr 1880 die Inbetriebnahme des ersten deutschen Laufwasser-Kraftwerks. In USA ging 1895 das erste Großkraftwerk für die öffentliche Versorgung mit Wechselstrom mit einer elektrischen Leistung von 78 MW in Betrieb.
Aktuelle Situation
Heute liegen die installierten Leistungen weltweit zwischen wenigen kW und vielen GW; das Drei-Schluchten-Kraftwerk in China z B hat eine Leistung von 22,4 GW.
Typen
Bei einem Laufwasserkraftwerk (LWK) bleibt im Prinzip der Wasserpegel im Zufluss und im Abfluss gleich; durch Hoch- und Niedrigwassersituationen kann es jedoch zu Abweichungen kommen. Der Typ Speicherwasser (SPK) ist in der Fahrweise flexibler; das Wasser kann im Zufluss bis zu einer gewissen Pegelhöhe gesammelt und später auf die Turbine gegeben werden. Bei dieser Betriebsweise achten die zuständigen Behörden darauf, dass während der Stauphase am Unterlauf durch das fehlende Wasser der Lebensraum der Menschen dort nicht über Gebühr bedroht ist.
Pumpspeicherkraftwerke (PSK) bestehen aus einem Unter- und einem Oberbecken, die mit einem Druckleitungssystem verbunden sind; in Zeiten billigen Stroms wird Wasser nach oben gepumpt; eine natürliche Wasserzufuhr ins Oberbecken verringert den Pumpaufwand; in Zeiten hoher Strompreise wird die kinetische Energie des gespeicherten Wassers über die Höhendifferenz zwischen Ober- und Unterbecken zur Stromerzeugung genutzt. Damit erfüllt dieser Speichertyp (wie auch die SPK) die wichtige Aufgabe, bei zunehmend fluktuierender Stromerzeugung in Deutschland durch Sonne und Wind eine Unter- bzw Überdeckung der Stromversorgung auszugleichen. Die aktuelle max. Speicherkapazität eines Tagesspeichers liegt in Deutschland (Mittelgebirge) bei 38 GWh.
Wirtschaftlichkeit
Bei den Investitionskosten sämtlicher Wasserkraftwerkstypen überwiegt der Bauteil (Stahl und Beton) den Maschinenteil deutlich. Die Betriebs- und Wartungskosten sind jedoch niedrig; große Speicherwasser- und Pumpspeicher – Anlagen benötigen reichlich Fläche; umfangreiche Bauarbeiten sind notwendig Für die Wasserkraft gilt Einspeisevorrang an der Strombörse. Trotzdem.....der Energiewende-Neubau-Stop gilt unter den heute gültigen Energiewende-Rahmenbedingungen auch für die Wasserkraft – Neubau wäre unter den geltenden Rahmenbedingungen nicht im Geld. Er würde auch von einer Vielzahl der betroffenen Menschen aus Landschaftsschutzgründen abgelehnt. Von Gegnern der Pumpspeicher wird zusätzlich die Angst geschürt, durch die im Oberbecken befindlichen großen Wassermassen einer Bedrohung ausgesetzt zu sein. Ergänzungs- und Erneuerungsmaßnahmen an sämtlichen Kraftwerkstypen zur Leistungserhöhung sind jedoch möglich.
Auch PSK sind unter den geltenden Regeln an der Strombörse nicht im Geld. In der Diskussion über Versorgungssicherheit sollte die PSK jedoch deutlich intensiver zum Einsatz kommen. Dank ihrer sogenannten Schwarzstartfähigkeit können Pumpspeicherkraftwerke bei großflächigen Stromausfällen zum Anfahren anderer nicht schwarzstartfähiger Kraftwerke wie Kohlekraftwerke eingesetzt werden.
Technik
Die gängigsten Turbinentypen sind die Kaplan-, die Francis- und die Peltonturbine. Die Kaplanturbine mit ihren Eigenschaften großer Volumenstrom bei niedriger Fallhöhe und einem Wirkungsgrad von über 90% eignet sich besonders für Flusskraftwerke, ob mit oder ohne Aufspeicherung des Wasser-Zuflusses. Die Peltonturbine wiederum verkörpert das Gegenteil: Geringer Volumenstrom bei großer Fallhöhe; sie ist bei einem Wirkungsgrad von unter 90% insbesondere für PSK geeignet. Die Francisturbine liegt in seinen Eigenschaften zwischen Kaplan und Pelton; Francis ist demnach universeller einsetzbar. Bei PSK rechnet man mit einem durchschnittlichen Wirkungsgrad um die 75 %, bei anderen Arten von Wasserkraftwerken bis zu 90 %.
Kennzahlen
In den folgenden Tabellen sind Kennzahlen der Wasserkraft in Deutschland, wie die Verteilung der installierten Leistung auf die Bundesländer, das Alter der Anlagen sowie andere Kenngrößen für die Jahre 2014 und 2016 zusammengefasst. Gezeigt wird diese Übersicht (Quelle: Kraftwerkslisten der Bundesnetzagentur), um die Bedeutung der Wasserkraft für die Energiewende darzustellen und in den nächsten Jahren auch fortzuschreiben.
Laufwasser und Speicherwasser (in Betrieb) Kraftwerksleistung in Deutschland, Verteilung auf die Bundesländer
2014 | BY * | BW** | R-PF *** | NRW**** | Rest | Ausland ***** |
MW ges | MW/% | MW/% | MW/% | MW/% | 11 Länder | MW |
3.850 | 1.989/52 | 782/20 | 250/7 | 172/5 | 657/17 | 1.459 |
Alter (Durchschnitt) | 60 | 45 | 57 | 90 | k. A. | 53 |
Speicherwasser 235 MW (6%) 1608 MW < 10 MW Blockleistung Das älteste Kraftwerk ging 1905 in Betrieb. Größte Blockleistung: 146 MW Rheinkraftwerk Iffezheim in BW Lauf- und Speicherwasser trugen 2014 mit 4,3 % zur installierten Gesamtleistung der Erneuerbaren in D bei.
2016 | BY* | BW** | R-PF*** | NRW**** | Rest | Ausland***** |
MW ges | MW/% | MW/% | MW/% | MW/% | 11 Länder | MW |
4.099 | 2.100/51 | 813/20 | 233/6 | 171/4 | 782/19 | 1.545 |
Keine Neuanlagen ≥ 10 MW in den 2 Jahren ab 2012; keine Stilllegung von Anlagen Leistungssteigerung von 6% durch Effizienzmaßnahmen an bestehenden KW Speicherwasser 290 MW (7%) 1766 MW < 10 MW Blockleistung *) Bayern **) Baden Württemberg ***) Rheinland Pfalz ****) Nordrhein Westfalen *****) Anlagen im Ausland, die ins deutsche Netz einspeisen
Pumpspeicher (in Betrieb) Kraftwerksleistung in Deutschland, Verteilung auf die Bundesländer
2014 | BW * | THÜ** | SA *** | HE**** | Rest | Ausland ***** |
MW ges | MW/% | MW/% | MW/% | MW/% | 11 Länder | MW |
6.352 | 1.873/29 | 1.510/24 | 1.085/17 | 623/10 | 1.261/20 | 2.888 |
Alter (Durchschnitt) | 50 | 24 | 35 | 50 | 47 | 37 |
Das älteste Kraftwerk ging 1926 in Betrieb. Größte Blockleistung: 1052 MW Goldisthal in Thüringen Pumpspeicher trugen 2014 mit 7 % zur installierten Gesamtleistung der Erneuerbaren in D bei.
2016 | BW * | THÜ** | SA *** | HE**** | Rest | Ausland ***** |
MW ges | MW/% | MW/% | MW/% | MW/% | 11 Länder | MW |
6.352 | 1.873/29 | 1.510/24 | 1.085/17 | 623/10 | 1.261/20 | 3.888 |
Alter (Durchschnitt) | 52 | 26 | 37 | 52 | 49 | 39 |
Von 2024 bis 2016 keine Stilllegung von Anlagen; auch keine Inbetriebnahmen
*) Baden Württemberg **) Thüringen ***) Sachsen ****) Hessen *****) Anlagen im Ausland, die ins deutsche Netz einspeisen
Kennzahlen Stromerzeugung in Deutschland (Quelle BMWI) Bruttostromerzeugung der Wasserkraft (Lauf-, Speicherwasser, Pumpspeicher mit natürlichem Zufluss)
2012 | 2013 | 2014 | 2015 | |
TWh/%*) | 22,1/15,3 | 23/15,1 | 19,6/12 | 19,3/9,8 |
*) bezogen auf Strom aus Erneuerbaren |
2012 waren weltweit Wasserkraftwerke mit einer kumulierten Leistung von zusammen rund 990 GW installiert; sie produzierten ca 3700 TWh Strom. Verglichen damit liegt der Leistungsanteil in D bei ca. 1%, der der Stromerzeugung bei ca. 0,6%. Die Wasserkraft wird kontinuierlich genutzt; die wetterbedingten Pegelstände der Flüsse verursachen die in den Tabellen gezeigten jährlichen Schwankungen. Der abnehmende Anteil an der Stromerzeugung durch Erneuerbare liegt am starken Anstieg von Wind und Sonne.
Fazit
Aus Sicht des Autors – er war während seiner beruflichen Laufbahn bei einem großen Kraftwerkshersteller etliche Jahre in der Wasserkraft tätig – ist die Wasserkraft eine flexible, robuste, abgasfreie und über ein Jahrhundert bewährte Technik. An den richtigen Stellen, ob dezentral mit kleiner Leistung oder groß im hohen zweistelligen MW-Bereich errichtet, sind Laufwasserkraftwerke ein unverzichtbarer Bestandteil in der deutschen Stromversorgung. Ihr Erscheinungsbild ist an die Landschaft angepasst. Im Moment fehlen Anreize für Investitionen in Umbaumaßnahmen vor allem der älteren Kraftwerke; alte Techniken/Komponenten müssten durch moderne ersetzt werden. Eine entsprechende Kapazitätsmärkte-Verordnung wäre hilfreich.