Das elektrische Netz

Erzeugung und Speicherung sind Partner am Strommarkt

Autor: Dr. Klaus Hassmann, Cluster Energietechnik Stand: August 2016 Die öffentliche Diskussion um die Stromwende orientiert sich am aktuellen Stand der Regeln und Richtlinien und deren Auswirkungen auf den Strompreis; letzterer setzt sich aus dem Preis an der Strombörse und aus diversen Zuschlägen wie EEG- und Netzgebühr zusammen. Die Kosten incl. einer Gewinnspanne für den Ausbau der Transportnetze zahlt der Stromverbraucher. Die Diskussion über den Trassenverlauf in den Süden der Republik dauert an, umso mehr als Bayern entschieden hat, vorrangig Erdkabel einzusetzen. Im Herbst 2016 sollen von Transportnetzbetreibern detailierte Pläne der Trassen nach und in Bayern vorliegen. 

Der Ausstiegsbeschluss der Bundesregierung aus der Kernenergie nach dem Reaktorunfall mit Kernschmelze im japanischen Fukushima und der Start der Energiewende im selben Jahr hat das gut funktionierende und bewährte, alte Versorgungssystem mit elektrischem Strom ausser Kraft gesetzt. Dafür verantwortlich ist vor allem die Vorrangstellung der Erneuerbaren und die Einführung des Handels von elektrischem Strom über die Strombörse. Mit diesen Entscheidungen wurde die marktbeherrschende Stellung der 4 großen Stromerzeuger gebrochen; wie man weiss, hat die Energiewende diese Unternehmen zu einer ganz massiven Restrukturierung ihres Markt- und Geschäftsmodells gezwungen – man hat noch heute deutliche Gewinneinbußen nicht nur aber auch durch den schrittweisen Wegfall von Kernkraftwerken und durch Rückstellungen für deren Rückbau zu verkraften. Beim Aufbau von neuen Geschäftsfeldern ist die Konkurrenz durch dezentral aufgestellte Stadtwerke viel größer als zu den Zeiten vor der Energiewende.

Strom sollte über lange Strecken vor allem über zusätzliche Kabel von Erzeugungszentren vorrangig aus erneuerbaren aber auch aus fossilen Quellen zum Verbraucher transportiert werden. Diese Zentren liegen nach der aktuellen Einspeise-Rangfolge an der Strombörse (Merit Order), vor allem im windreichen Norden sowie in den Braunkohlerevieren. Planbarer Strom wird gebraucht, um die Versorgungslücken bei Ausfall von PV- und/oder Windstrom zu füllen; selbst hocheffiziente erdgasbefeuerte Kraftwerke kommen kaum, Kohlekraftwerke häufiger zum Einsatz. Geld verdienen lässt sich vor allem durch alte, abgeschriebene  Braunkohlekraftwerke, die es in Deutschland in großer Anzahl noch gibt.

Der oben beschriebene Zustand ist stabil, solange die Merit Order (Braunkohle vor Steinkohle und Erdgas) an der Strombörse gilt und die CO2 Preise niedrig bleiben. CO2-Preise, die das Erdgas in der Rangfolge aufgrund des im Vergleich zur Kohle deutlich höheren elektrischen Wirkungsgrads nach vorne bringen würden sind so gut wie auszuschliessen – das war schon sehr früh im Prozess der Energiewende klar und erhöht den CO2 Ausstoß in Deutschland. Auch das Abschalten der Kernkraftwerke verschlimmert zusätzlich diesen umweltrelevanten Einfluss. Diese „betagte“ Kraftwerksgeneration verfehlt auch die nötigen Anforderungen im Betriebsverhalten; möglichst schnelles An- und Abfahren sowie Lastwechsel sind nicht nur unter Kostengesichtspunkten in der von volatilen, erneuerbaren Netzeinspeisern geprägten Energiewende-Stromwelt mehr als notwendig.

Stromerzeugung: Entwicklung 2011 bis 2016 samt Ausblick

Detaillierte, konsensfähige Konzepte gibt es nicht, wie das Versorgungssystem letztendlich nach Abflachen der transienten Phase des Ausbaus von fluktuierender Erzeugung durch die erneuerbaren Quellen Wind und Fotovoltaik aussehen soll. Vermutlich wird es eine Mischung sein aus Erneuerbaren zu einem möglichst hohem Prozentsatz unterstützt durch konventionelle Stromerzeuger, möglichst mit Wärmeauskopplung, gefeuert durch fossile Brennstoffe, auch durch Wasserstoff sowie durch Stromspeicher. Ob es gelingen kann, den Anteil der Erneuerbaren, wie einige Experte fordern, auf 100% zu steigern und die fossilen Energieträger auf 0% zurückzufahren wird letztendlich der angestrebte subventionsfreie Strommarkt im europäischen Verbund entscheiden. Strom muss für die Bevölkerung bezahlbar bleiben. Verwerfungen und Umwege sind nicht auszuschließen, die als Folge von schon heute eingeleiteten Sparanstrengungen der Politik zu einem späteren Zeitpunkt teuer werden können.

Heute (2016) überwiegen (noch) die Befürworter der Strategie, dass nur die „Kupferplatte“, heißt eine umfangreiche Verkabelung, den Königsweg zur Versorgungssicherheit bei möglichst niedrigen Kosten darstellt. Seitdem die Bundesnetzagentur eine Verzögerung der Netzfertigstellung von ursprünglich 2023 um 2 Jahre eingeräumt hat, scheint sich ein gewisser Wandel einzustellen, umso mehr, als weitere Verzögerungen nicht ausgeschlossen werden. Eine politische „Salamitaktik“, heisst scheibchenweise weitere Verzögerungen einzuräumen, ist zu befürchten. Die Netzbetreiber, in diesem Fall die für den im Höchstspannungs-Transportnetzbereich zuständigen Unternehmen, werden von der Politik für die Versorgungssicherheit in die Pflicht genommen. In dieser Verantwortung sind sie auch unter denjenigen, die für ihre Bemühungen um eine erfolgreiche Energiewende noch Geld verdienen.

Verzögerungen im Netzausbau, wie gravierend auch immer, sind für Bayern (vermutlich auch für Baden Württemberg) besonders kritisch, da in Zeiten vor der Energiewende dort mangels sonstiger billigen Primärenergie-Ressourcen die Abhängigkeit von der Kernenergie in der Stromerzeugung besonders groß war und trotz der Stillegung einiger älterer Kernkraftwerke noch ist. 2023 wird in Bayern das letzte Kernkraftwerk vom Netz gehen. Wie bereits erwähnt, kommt die in Bayern verfügbare Gaskraftwerks-Flotte – darunter auch große, hocheffiziente kombinierte Gas- und Dampfturbinen (GUD) Kraftwerke jüngeren Datums – nach den Regeln der Strombörse (Merit Order) gegenüber der Kohle nachrangig zum Zug. Die Kraftwerke laufen zurzeit mit jährlich nur ein paar 100 Stunden; Ergebnisse einer Engiesystemanalyse zeigen, dass die Benutzungsstunden mit dem Abschalten des letzten Kernkraftwerks auf ein paar 1000 Stunden steigen können /1/; trotzdem bleiben diese Anlagen unwirtschaftlich. Einige Betreiber haben aus diesem Grund Stilllegungsanträge gestellt; einigen durften das, anderen wurde die Abschaltung auf Zeit verweigert. Die Betreiber dieser Anlagen werden dafür bezahlt, dass sie diese Kraftwerke bei Bedarf zum Einsatz bringen. 

Dies alles hat zu einem Umdenken geführt. Aufgrund des Risikos, dass sich der Netzausbaus verzögert, ist daran gedacht, für den Einsatz bis zur Fertigstellung der nötigen Netze vor allem von Nord nach Süd, in Bayern neue Kraftwerke zu bauen. Geplant ist, diese Anlagen nur solange einzusetzen, bis das Höchstspannungsnetz einsatzbereit ist. Diese Kraftwerke müssen demnach schnell gebaut und möglichst vor 2023 in Betrieb genommen werden; sie sollten auch möglichst kostengünstig sein. Aufgrund der begrenzten jährlichen Betriebsdauer spielt der elektrische Wirkungsgrad eine nur untergeordnete Rolle. Vermutlich werden auch Gasturbinen dabei sein; sollte sich herausstellen, dass einige dieser Anlagen über die geplante Einsatzdauer hinaus benötigt werden, kann man die Gasturbinen um den UD-Anteil erweitern und sie damit relativ kostengünstig zu hocheffizienten GUD-Kraftwerken ausbauen. Die Netzbetreiber haben eine erste Runde von Ausschreibungen noch für den Herbst  2016 angekündigt. Auch ist besonders darauf zu achten, dass die Reservekraftwerke an den Netzknoten liegen, die besonders gefährdet sind. Eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke zur Sicherstellung der bayerischen Stromversorgung wird ausgeschlossen; vermutlich gilt das auch für die anderen Bundesländer mit Kernkraftwerken.

Einigen noch nicht marktreifen Technologien wie z B der Brennstoffzelle wird mittelfristig die Teilnahme am Energiewendemarkt zugetraut; die Überbrückung der Netzverspätung kommt für diese Technologie vermutlich zu früh.

Zu beobachten ist auch, dass Stadtwerke eine schwarzstartfähige Strom- und Wärmeversorgungsstruktur in ihrem Versorgungsgebiet anstreben; das heißt, dass nach einem Zusammenbruch der Stromversorgung (black out) das eigene, lokale Netz wieder hochgefahren werden kann und die Versorgung der angeschlossenen Verbraucher wieder hergestellt wird. 

Speicher sind mittel- und längerfristig ein unverzichtbarer Bestandteil der Energiewende. Die Ergebnisse in /1/ zeigen ganz deutlich, dass der stationäre Betrieb von Speichern, ob Batterien oder auch mit Wasserkraft betriebene Pumpspeicher heute noch unwirtschaftlich sind. U. U. hätte man die Entwicklung zur Marktreife über hohe Stückzahlen beschleunigen können, wenn man Photovoltaikanlagen mit Batteriespeicher ab 2011 finanziell unterstützt und damit frühzeitig in den Markt eingeführt hätte. Vermutlich wird der Schub hin zur Wirtschaftlichkeit und damit in den Markt davon abhängen, wie sich die Einführung der batteriegetriebenen Fahrzeuge entwickelt. Für die stationären Speicher gibt es diverse bezuschusste Feldtests, die über das Betriebsverhalten der verschiedenen Speichertechnologien bei unterschiedlich häufigen Lade- und Entladezyklen Aufschluss geben werden. Die Charakteristika der unterschiedlichen Typen sind in diesem Portal ebenfalls beschrieben.

Eine viel diskutierte Speichertechnologie ist Power to Gas; sie hat großes Potential in einem sich längerfristig entwickelnden Speichermix; vor allem beim kontinuierlichen Ausbau der fluktuierenden Erneuerbaren werden zunehmend Netzengpässe bzw über den Bedarf der Verbraucher hinaus durch Wind und Photovoltaik erzeugte Strommengen auftreten. Diese Mengen werden noch abgeregelt (die Anlagen werden vom Netz genommen; der Betreiber wird dafür entschädigt) und ständen kostengünstig für den Betrieb von Elektrolyseuren zur Erzeugung von Wasserstoff (H2) zur Verfügung; H2 kann gespeichert und bei Bedarf wieder verstromt werden. Auch andere Nutzungsmöglichkeiten für H2, zum Beispiel in der Chemie, gibt es. Nur: Die Effizienz der Erzeugung/Speicherung/Verstromung von Wasserstoff ist niedrig.

Literatur Energiesystemanalyse_Abschlussbericht Phase2