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CO2 - Reduktionstechniken in konventionellen Kraftwerken
Ein Rückblick auf eine Entwicklung ohne Marktchance
Autor: Dr. Klaus Hassmann, Cluster Energietechnik (Stand: Juli 2017) Es gibt unterschiedliche Maßnahmen, wie der CO2 Ausstoß in mit fossilen Brennstoffen befeuerten Kraftwerken reduziert werden kann. Die Möglichkeiten werden beschrieben und bewertet. Auf die CO2 Speicherung wird kurz eingegangen. Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf diesen Gebiet wurde lange Jahre von Herstellern, Betreibern und von Forschungseinrichtungen mit finanzieller Unterstützung von Bund und Ländern durchgeführt. Im Zuge der Energiewende ist es um diese Arbeiten in Deutschland ob mit Bezug auf Neubau oder Nachrüstung – da wirtschaftlich unattraktiv – sehr ruhig geworden.
1. Wirkungsgradsteigerung
Der erste logische Schritt zur Reduktion der CO2-Freisetzung im Abgas von konventionellen Kraftwerken ist die Erhöhung des elektrischen Wirkungsgrads. Die Grenzwerte für Staub, Schwefelverbindungen und Stickoxyde sind immer einzuhalten; das erfolgt in der Regel durch Filter bei der Luftzufuhr, durch optimierte Verbrennung und durch Gasreinigungsmaßnahmen vor Abgabe des Abgases in die Umgebung. Das Abgas weist je nach Brennstoff, Wirkungsgrad und Verbrennung unterschiedlichen Anteile von CO2, NOx auf.
Dieser erste logische Schritt war sehr erfolgreich – nach einigen Jahrzehnten innovativer Entwicklung können heute moderne Braunkohlekraftwerke mit über 40%, Steinkohlekraftwerke mit um die 50% und kombinierte Gas- und Dampfturbinenkraftwerke mit über 60% elektrischem Wirkungsgrad gebaut werden. Mit Wärmeauskopplung steigt der Gesamtwirkungsgrad auf etwa 85%. Der Bund schüttet eine Menge Wasser in einen vorzüglichen Wein. Diese neue Kraftwerksgeneration wird vereinzelt noch fertiggebaut; die Bauentscheidung für diese Projekte wurde fast ausschließlich noch vor der Energiewende getroffen. Diese Anlagen sind nicht im Geld, da nicht sie, sondern abgeschriebene wenig effiziente Kraftwerke welcher Art auch immer aufgrund der „variable Kosten-Regel“ an der Strombörse zum Zug kommen, selbst wenn die neue Generation Strom plus Wärme zu liefern in der Lage ist.
2. CO2 Abtrennung
Der nächste konsequente Schritt nach dem logischen Schritt Wirkungsgradsteigerung war die Entwicklung von CO2 freien Kraftwerken. Es gibt dazu, wie unten beschrieben, einige Varianten.
2.1 CO2 Wäsche
Das CO2 wird am kalten Prozessende nach Verbrennung und Gasreinigung aus dem Abgas abgeschieden; der in großen Mengen enthaltene Stickstoff muss durchgeschleust werden, was sich im zu behandelnden Massenstrom und im Volumen der dafür erforderlichen Komponenten negativ auswirkt. Zur CO2 Abtrennung werden chemische Waschverfahren eingesetzt, die in zwei Stufen ablaufen. Zunächst wird das Abgas in einem Absorber behandelt, in dem das CO2 mit einer Waschflüssigkeit in Kontakt gebracht wird. Dieses Waschmittel kann eine alkalische Lösung sein, an die sich das CO2 anlagert. In der anschließenden Desorptionsstufe wird das CO2 mittels erhöhter Temperatur aus der Bindung mit dem Waschmittel befreit und kann abgezogen werden. Das Waschmittel wird wiederverwendet. Diverse Wäschen wurden erprobt, bei denen sehr ähnliche Prozesse Anwendung finden; auch CO2 Filter sind eine Option.
Die CO2-Wäsche ist die vielversprechendste aus den diversen Lösungsansätzen; allerdings haben die Trennverfahren generell einen relativ großen Energieverbrauch, der sich zu Lasten des elektrischen Wirkungsgrads mit etwa 10 Prozentpunkten auswirkt. Das bedeutet, dass auch der Primärenergiebedarf des Kraftwerks deutlich steigt; die Kraftwerke würden an der Strombörse noch weniger zum Zug kommen als die modernen Anlagen ohne CO2 Wäsche.
2.2 Verbrennung mit Sauerstoff (Oxyfuel)
Der bei diesem Kraftwerkstyp erforderliche Sauerstoff wird in der Regel in einer Luftzerlegungsanlage erzeugt, die ein oder mehrere Kraftwerke speisen oder auch O2 für die Chemie bereitstellen kann. Bei diesem Prozess wird die Abgasmenge deutlich reduziert; sie besteht, da Stickstoff fehlt, zum überwiegenden Teil aus CO2; der Rest ist Wasserdampf, der kondensiert wird; das CO2 kann im verdichteteten oder verflüssigten Zustand per Rohrleitung zur Lagerstätte transportiert werden. Als Alternative zur Luftzerlegung kann die Abtrennung von O2 und N2 aus der Luft durch Membranen erfolgen. Eine Verbrennung von Kohle oder Gas mit O2 ist im Brennerraum von konventionellen kohlegefeuerten Anlagen oder in der Brennkammer von Gasturbinen, nicht möglich. Dazu sind neue Brennersysteme erforderlich. Die Untersuchung von einzelnen Fragestellungen lief in Labors, aber auch im „Bypass“ an der Peripherie in bestehenden, konventionellen Anlagen. Auch hier sei die Prognose erlaubt – es gibt in der Energiewende keinen Markt für solche Anlagen.
2.3 Vergasung vor der Verbrennung
Dieser Typ ist auch als Kraftwerk mit integrierter Kohlevergasung bekannt. Von den beiden obigen Verfahren unterscheidet sich dieser Prozess durch die Vorschaltung eines Kohlevergasers, der mit Kohle, Sauerstoff und Wasserdampf betrieben wird. Erzeugt wird ein H2 – reiches Synthesegas. Bei der Vergasung ist der Aufwand für die CO2-Abtrennung vor der Verbrennung des Synthesegases zur Stromerzeugung im Vergleich zur Abtrennung am kalten Ende des Kraftwerks deutlich reduziert. Der elektrische Wirkungsgrad der Kohlevergasung ohne CO2 Abtrennung kombiniert mit Gas- und Dampfturbine liegt deutlich über 50%; bei Anlagen mit Abtrennung ging man von etwas über 40% aus; ein modernes kohlegefeuertes Dampfkraftwerk mit Abtrennung am kalten Ende würde bei einem deutlich niedrigeren Wert landen. Kohlevergasungskraftwerke ohne CO2-Abtrennung sind gebaut worden, je eines in Spanien und in Holland, allerdings sind Folgeanlagen ausgeblieben. Für Kohlevergaser gibt es einen Markt in der Chemie und Verfahrenstechnik. Diese Komponente stünde sofort zur Verfügung falls die CO2 Abtrennung umgesetzt wird. Aus heutiger Sicht fehlt diese Perspektive.
Dazu noch eine Anmerkung ganz am Rande – der Autor hat sich Mitte der 1980er Jahre mit der Kohlevergasung im Eisenbad beschäftigt. Eine intelligente Kopplung von Stahl- und Stromerzeugung schien erreichbar und sollte in einer Pilotanlage in Bayern demonstriert werden. Das Stahlwerk wurde geschlossen, das Demonstrationsprojekt abgewickelt.
3. Geologische Speicherung
Nach geologischen Befunden bieten sich in Deutschland als CO2 Speicher sehr tiefe Formationen an, um das CO2 für immer zu „begraben“; dafür müssen gasdichte Deckschichten sorgen. Sicherheitsaspekte spielen eine große Rolle; zum Beispiel muss verhindert werden, dass Trinkwasserreservoirs in den Einfluss von CO2- Leckagen aus den Lagerstätten kommen; auch dürfen keine erdbebenähnliche Ereignisse auftreten. Diese Formationen liegen in erster Linie im Norden Deutschlands, aber auch unter der Nordsee. Aufgelassene Erdgaslagerstätten würden sich eignen; es ist jedoch kaum vorstellbar, dass die erforderlichen großen Volumina in den nächsten Jahrzehnten zur Verfügung stehen werden. Der CO2-Preis ist niedrig und wird niedrig bleiben, sodass für die Abtrennung und Speicherung von CO2 keinerlei Anreize zu erwarten sind.
Forschungsprogramm Cooretec
Für Arbeiten an den oben beschriebenen CO2-Reduktionstechniken hat der Bund im Jahr 2004, also deutlich vor der Entscheidung, aus der Kernenergie auszusteigen und das mehr als anspruchsvolle Projekt Energiewende zu starten, das Forschungs- und Entwicklungs (F&E)-Programm Cooretec (Abkürzung für "CO2-Reduktions-Technologien") gegründet. Im Zeitraum 2004 bis Dezember 2015 wurden im Rahmen der Initiative 657 Vorhaben durchgeführt; 324 Mio € Fördermittel wurden aufgewendet.
Folgende fünf Arbeitsgruppen wurden vom Projektträger Jülich eingesetzt mit dem Auftrag, die FuE-Anträge zu bewerten, ggf zur Förderung vorzuschlagen und den Fortschritt der Arbeiten fachlich zu verfolgen:
- AG 1: Erdgasbefeuerte Kombikraftwerke mit höchsten Wirkungsgraden und erdgasbefeuerte Kombikraftwerke mit nachgeschalteter CO2-Abtrennung.
- AG 2: Kohlebefeuerte Dampfkraftwerke mit höchsten Wirkungsgraden und mit/ohne nachgeschalteter CO2-Abtrennung.
- AG 3: Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke mit Kohlevergasung und CO2-Abtrennung.
- AG 4: Dampfkraftwerke mit Verbrennung oder Vergasung mit Sauerstoff.
- AG 5: Geologische Speicherung von CO2. Der Verfasser war viele Jahre Mitglied in der AG1.
Cooretec wurde kürzlich durch ein neues Programm abgelöst, das u. a. den im Rahmen der Energiewende anfallenden, neuen Anforderungen an Kraftwerke gewidmet ist. Dazu zählen z B die Steigerung der Flexibilität, deren schnelle Regelbarkeit zum Ausgleich der fluktuierenden Stromerzeugung von Erneuerbaren (PV, Wind), die Steigerung des Wirkungsgrades in der Voll- und in der Teillast oder die Betriebs-Zuverlässigkeit bei häufigen Lastwechseln, um nur einige wichtige Merkmale zu nennen.
Weitere Informationen unter http://www.cooretec.de
Fazit
Eine Umsetzung von CO2 Abtrennungs- und Speicherungs-Technologien wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Wie man weiß, sind Restrukturierungs- bzw. Sparprogramme bei Strom/Wärme-Versorgern sowie Kraftwerksherstellern weit fortgeschritten. Das neue Programm bietet den in Cooretec tätigen Wissenschaftlern attraktive, neue Betätigungsfelder. Es besteht die Hoffnung, dass dadurch auch ein schneller Verlust des im Rahmen von Cooretec erarbeiteten technologischen Fachwissens verhindert werden kann.